In mehreren EU-Staaten
Druck auf Bundesregierung in NSA/BND-Affäre wächst
In der Affäre um die Spionage-Hilfe des Bundesnachrichtendienstes für die amerikanische NSA erhöht die Opposition den Druck auf die Bundesregierung. Linke und Grüne fordern, dass die Regierung dem Geheimdienst-Untersuchungsausschuss die komplette Liste mit Millionen NSA-Suchbegriffen vorlegt. Die Koalition ringt noch damit, ob und wie dem Bundestag überhaupt Einblick in die heikle Materie gewährt werden kann.
Der BND habe der NSA weit umfangreicher beim Durchsuchen der abgefangenen Daten geholfen als bekannt, sagte die Linken-Abgeordnete Martina Renner am Dienstag in Berlin. Allein im August 2013 seien acht bis neun Millionen NSA-Suchbegriffe beim BND im Einsatz gewesen. Bisher war nicht bekannt, wieviele sogenannte Selektoren wie IP- oder Mailadressen die Amerikaner lieferten. Abgeordnete waren von mehreren hunderttausend ausgegangen.
Die Opposition will die komplette Liste der Millionen Suchbegriffe sehen - nicht nur die Anfragen, die der BND als rechtswidrig erkannte und aussortierte. Linke und Grüne bekräftigten, dass sie klagen wollen, sollte die Regierung den Abgeordneten die Einsicht in die Suchworte verweigern. "Wenn diese Selektorenlisten nicht kommen, werden wir klagen", sagte der Grünen-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss, Konstantin von Notz.
Im Streit um die Freigabe der im Kanzleramt unter Verschluss gehaltenen Selektorenlisten erwägt die Koalition die Einsetzung eines Ermittlungsbeauftragten des Bundestages. Dieser könnte die Listen einsehen. "Das ist ein gangbarer Weg", sagte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. Grüne und Linke lehnten es strikt ab, allein einem Ermittlungsbeauftragten Zugang zu den Suchkriterien zu geben.
Am Dienstag hatte es geheißen, auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) wollten noch am selben Tag über einen solchen Vorschlag sprechen. Ein Treffen der beiden fand jedoch nicht statt.
Unter den Suchkriterien ("Selektoren") finden sich nach Angaben der Linken E-Mail-Adressen, Telefonnummern, aber auch Geräte-Kennzahlen, IP-Adressen oder Kennzahlen aus Messenger-Systemen. Der BND habe bisher nur die E-Mail-Adressen auf Verstöße gegen deutsches Recht oder die Vereinbarung der Geheimdienste geprüft, nicht aber die anderen Suchbegriffe.
Auch international sorgen die Spionageaktionen für Unmut. Peter Pilz, ein Grünen-Abgeordneter im österreichischen Nationalrat, sagte in Berlin, es gebe Hinweise dass der BND für die NSA mehrere innereuropäische Datenkabel angezapft habe - unter anderem zwischen Wien und Rotterdam, Wien und Luxemburg, Salzburg und Amsterdam oder auch Wien und Stockholm. Grünen-Chef Cem Özdemir verlangte rückhaltlose Aufklärung der Vorwürfe innereuropäischer Spionage. "Das würde europäischen Werten diametral widersprechen."
Deutsche Sicherheitskreise wiesen diese Vorwürfe zurück. Spionage mit Hilfe des BND und eines deutschen Telekommunikationsanbieters gegen diese Staaten lasse sich aus entsprechenden Dokumenten nicht ableiten. Am Donnerstag soll BND-Präsident Gerhard Schindler vor dem Untersuchungsausschuss zu der Zusammenarbeit seines Dienstes mit der NSA (PDF-Link) aussagen. Bereits am Mittwoch findet in einer Sondersitzung eine Befragung von BND-Mitarbeitern statt.
Im Ringen um die Freigabe der Selektoren wurden Gedankenspiele über ein vorzeitiges Ende Koalition laut. Im Fall einer Neuwahl sei eine Bundestagsmehrheit für Union und FDP oder gar eine CDU/CSU-Alleinregierung möglich, sagte Unionsfraktionsvize Michael Fuchs der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" (Dienstag). (dpa/tc)