Projektmanagement
ERP-Projekte fallen bei Anwendern durch
Christian Hestermann ist seit über zehn Jahren für das IT-Research und Beratungsunternehmen Gartner tätig. Zu seinen Themenbereichen als Research Director gehören vor allem Geschäftsanwendungen für Unternehmen und ERP-Systeme. Zu seinem Arbeitsfeld zählen insbesondere Cloud- und SaaS-basierte ERP-Systeme im Kontext postmoderner ERP-Strategien. Christian Hestermann verfügt über 31 Jahre Branchenerfahrung.
- Gartner schätzt, dass bis zu 60 Prozent aller ERP-Projekte den Ansprüchen der Endanwender nicht genügen werden.
- Angst vorm Scheitern und mangelnde Bereitschaft, neue Ideen auch anzuwenden, führen oft frühzeitig zum Scheitern von ERP-Projekten.
- ERP-Projektteams sollten über ein breites Spektrum an Erfahrungen, Prozessen und Kommunikationsskills verfügen.
- CIOs sollten von Anfang an klar definierte Erwartungen und Ziele zusammen mit den Beteiligten und Anwendern definieren.
- Eine flexible ERP-Basis und starke Integrationsfähigkeiten sind die Basis für das digitale Business.
Ein rein technologieorientierter oder anbieterzentrierter Ansatz für Enterprise-Resource-Planning (ERPERP), der das Engagement der Mitarbeiter und die Interessen der Endanwender ignoriert, sorgt in 55 bis 60 Prozent aller ERP-Projekte für unerfüllte Erwartungen. CIOs können jedoch den richtigen Weg finden, um ihre Mitarbeiter bei der Planung mitzunehmen. Alles zu ERP auf CIO.de
ERP-Initiativen werden den Ansprüchen der Anwender nicht gerecht
Mit dem rasanten Anstieg des Digital Business hat ERP langsam aber sicher seine Attraktivität für Top-Talente verloren. Anders als in den 2000er Jahren wird ERP heute nicht mehr als hochkarätiger Bereich angesehen, in dem erfolgreiche IT-Karrieren geschmiedet werden. Viele junge und visionäre IT-Führungskräfte wollen eher mit dem Digital Business und anderen neuen Initiativen in Verbindung gebracht werden als mit ERP.
Die Auswirkungen dieses Trends sind bemerkenswert: Basierend auf über 4.500 Interaktionen mit Gartner-Kunden seit 2016 schätzen wir, dass 55 bis 60 Prozent aller ERP-Initiativen den Ansprüchen der Endanwender nicht gerecht werden. Generell beobachten wir aktuell eine große Lücke zwischen Erwartung
Angst vorm Scheitern und keine Risikobereitschaft
Die Angst vorm Scheitern und mangelnde Bereitschaft, neue Ideen auch anzuwenden, führen oft dazu, dass ERP-Teams die Erwartungen an ihre postmodernen ERP-Initiativen schon begrenzen, bevor sie überhaupt damit begonnen haben - was wiederum ihren potenziellen Nutzen beeinträchtigt. Jede Initiative, die mit großen Veränderungen verbunden ist, ruft oftmals Bedenken und Sorgen hervor.
Was für jede neue Technologie oder Anwendung gilt, gilt umso mehr für ERP-Initiativen: Die Negativität, die mit neuen Projekten verbunden wird, ist beispiellos in der IT. Dies liegt unter anderem daran, dass die Historie der ERP übersät ist mit gescheiterten Initiativen, die zu Umsatzeinbußen oder Reputationsschäden bei Unternehmen geführt haben.
Best Practice 1: Die Zusammenstellung des Teams
Neue Geschäftsprozesse steigern nicht sofort den Unternehmenswert, sondern brauchen Zeit, um sich zu etablieren. Um Einwände von Mitarbeitern wie die Furcht vor Produktivitätsverlust oder Verschlechterungen der Geschäftsergebnisse zu überwinden, benötigen Mitarbeiter, die neue Technologien einsetzen, ausführliche Beratung, Ermutigung und Inspiration. Denn Motivation und Begeisterung sind unerlässlich für ein langes und komplexes Unterfangen wie eine große ERP-Initiative.
- Konstruktive Konflikte und Kritik erzeugen
"Konflikt" muss nicht zwingend negativ sein. Er kann sich auch positiv auswirken, wenn er in einem agilen Team konstruktiv zur Anwendung kommt. IT-Management-Berater Ivan Kovynyov gibt Tipps, wie Führungskräfte gezielt eine positive Konfliktkultur im Team schaffen und damit Leistung und Projekterfolg verbessern können. - Heterogenes Team bilden
Man braucht ein heterogenes Team. Denn würde beispielsweise das Team ausschließlich aus weißen Männern mittleren Alters bestehen, so ist es abzusehen, dass sie alle einen ähnlichen Denkstil haben werden. - Konfliktfreies Teambuilding
Teammitglieder sollten sich bereits kennengelernt und miteinander gearbeitet haben. Es wäre kontraproduktiv, die Teambuilding-Phase mit einem konstruktiven Konflikt zu beginnen. - Hindernisse beseitigen
Barrieren für freie Meinungsäußerung im Team müssen identifiziert und beseitigt werden: irrationale Harmoniebedürftigkeit, zu starke Konsensorientierung, starke Meinungsmacher, Lagerbildung, autoritäre Projektleiter oder Product Owner, Null-Fehler-Toleranz, Zielvorgaben enthalten Lösungsweg etc. - Den richtigen Weg einschlagen
Der Mittelweg ist nicht immer der beste Weg: wenn einer links am Baum vorbei will und der andere rechts, ist der Weg durch die Mitte offensichtlich nicht der beste. - Konsensregeln definieren
Einen qualifizierten Konsens suchen: Für Situationen in denen das Team zu keiner Übereinkunft kommt, müssen Regeln definiert werden. Zum Beispiel ruft das Team einen unabhängigen Experten oder der Projektleiter oder der Product Owner entscheiden. - Gemeinsames Ziel festlegen
Gemeinsame Ziele als Nordstern: Debatten können Teilnehmer eines agilen Teams leicht weiter voneinander entfernen. Gemeinsames Verständnis des Ziels und der Mission des Teams schafft das Gegenteil und wirkt balancierend. - Humorvoller Umgang
Wenn alle Stricke reißen: Humor hilft immer!
Um den Status quo zu durchbrechen, sollten CIOs deshalb die kognitive Vielfalt in ihren Teams fördern. Ein solches Team vereint ein breites Spektrum an Erfahrungen, Prozessen und Kommunikations-Skills. Im Optimalfall besteht es aus Mitarbeitern, die bereits Erfahrungen mit ERP-Initiativen haben und Mitarbeitern, die verstehen, wie das Unternehmen derzeit arbeitet und allgemein die Zukunft des Digital Business im Blick haben. Es ist dann die Aufgabe des CIOs, diese Menschen zusammenzubringen, um eine Kultur der Innovation und Offenheit zu fördern, die die "Kunst des Möglichen" umfasst.
Best Practice 2: Realistisches Erwartungsmanagement
CIOs, die postmoderne ERP-Strategien durchführen, rate ich, sich von Anfang an klar definierte Erwartungen und Ziele zu setzen. Dazu sollten sie gemeinsam mit allen Beteiligten eine Vision vom gewünschten Zustand entwerfen. Es ist dabei unerlässlich, dass die Kommunikation mit den unterschiedlichen Interessensgruppen stets transparent erfolgt. Gutes Erwartungsmanagement bezieht zudem den Return on Investment (ROIROI) für das Unternehmen und langfristige Verbesserungen mit ein. Alles zu ROI auf CIO.de
Wichtig ist auch, die Nutzer des ERP-Systems aktiv mit einzubinden und ihnen dadurch aufzuzeigen, welchen Mehrwert sie ganz persönlich durch die neue Strategie haben. Schlussendlich sollte man niemals nur für den Go-Live Zustand planen, sondern auch die langfristige Entwicklung im Blick haben.
ERP als Schlüssel zur digitalen Transformation
CIOs, die die digitale Transformation in ihrem Unternehmen vorantreiben wollen, müssen die Negativität, die mit ERP-Initiativen verbunden wird, endgültig überwinden. Denn schließlich sind die meisten Geschäftsprozesse, die für ERP entwickelt wurden, auch grundlegend für die erfolgreiche Umsetzung der weiteren digitalen Initiativen. Nur wenn CIOs über eine flexible ERP-Basis und starke Integrationsfähigkeiten verfügen, wird auch das Digital Business von Erfolg gekrönt sein.