MÜNCHENER RÜCK
»ITIL ist einfach«
ES IST WIE MIT ALLEN DINGEN IN DER IT: Vor gerade einmal fünf Jahren – Mitte 2000 – hat die Münchener Rückversicherung ihre Prozesse im IT-Betrieb nach ITILITIL standardisiert. Zwei Jahre hat die Einführung gedauert. Und jetzt hält CIO Rainer Janßen das Erreichte selbst schon für selbstverständlich: „ITIL für den Betrieb war Vorschule“, sagt Janßen, korrigiert sich dann aber schnell: „Na, sagen wir mal Grundstudium.“ Alles zu ITIL auf CIO.de
Je mehr er darüber nachdenkt, desto besser erinnert er sich an die Widerstände, die es beim Einführen der normierten Arbeitsverläufe gegeben hat: „Bei ITIL haben wir gelernt, was ein Veränderungsprozess ist“, grübelt Janßen: „Wir haben Menschen gezwungen, ganz anders zu arbeiten, als sie arbeiten wollen.“ Am deutlichsten habe sich das im Service gezeigt: „Da wollte keiner im Prozess arbeiten. Das haben alle nicht gewollt.“ Menschen, die Veränderungen anstoßen, hätten nun einmal selten die Neigung, ihre Ideen nach vorgefertigten Mustern abzuarbeiten. Folglich musste Janßen stark nachhalten und hat damit genau das erzielt, was er nicht wollte: „Nach zwei Jahren hatten die Mitarbeiter den Schalter völlig umgelegt.“ Keiner habe mehr selbstständig gedacht, sondern stur den Prozess nachvollzogen. Die Mitarbeiter hätten „zurückerzogen“ werden müssen. Janßens Argument: „Du bist immer noch Mensch, und als Mensch bist du dazu da, die Grauzonen in den Prozessen zu erkennen.“
Neben der Übererfüllung des normierten Arbeitens betont Janßen noch einen weiteren Nachteil: „ITIL produziert Overhead.“ Nach der Implementierung am Standort München steht nun der globale Roll-out des Servicemodells an. „Wir haben aber kleine Abteilungen mit weniger Mitarbeitern, als ITIL Prozesse hat“, gibt Janßen zu bedenken. „Da funktioniert das nicht.“ Hier den Punkt zu finden, an dem die Vorteile der durchgängigen Prozesse die kleinen Organisationen nicht „platt machen”, sei ebenfalls kein Vorschul-Problem, sagt der promovierte Mathematiker.
Dass Janßen ITIL trotzdem als einfach bezeichnet, erklärt sich aus zwei Gründen: Zum einen kann er im ITBetrieb Erfolge vorweisen, die seine Kritiker aus dem Jahr 2000 zum Schweigen gebracht haben und die im Nachhinein alles als einfach erscheinen lassen. Alle 10000 weltweiten Clients der Münchener Rück sind einheitlich und lassen sich somit viel einfacher betreuen. Keine Anwendung in der Versicherung ist älter als sieben Jahre, auch dies vereinfacht die Pflege. Und: „Von 800 Servern können wir 99,9 Prozent nach Standard verwalten“, meint der CIO, der dazu Openview von HPHP einsetzt: „Wir sind jetzt nach fünf Jahren so weit, dass wir ein durchgängiges Servicemanagement für die gesamte Infrastruktur haben.“ Alles zu HP auf CIO.de
Entwickler sind Kunsthandwerker
Zum anderen nennt Janßen ITIL einfach, weil er sich gerade an einem viel schwierigeren Problem reibt. Der CIO hat sich in den Kopf gesetzt, die Anwendungsentwicklung (AE) zu „industrialisieren“, soll heißen: effizienter arbeiten zu lassen. Rund 200 seiner 370 Münchener IT-Mitarbeiter programmieren in der internen AE. Rund 400 weitere liefern von außen zu. Alle seien unterschiedlich zu behandeln, sagt Janssen. „Anwendungsentwickler sind Kunsthandwerker. Die zu Industriearbeitern zu machen ist viel schwieriger, als Mitarbeiter im IT-Betrieb zu verändern.“ Manche Dienstleister in der Entwicklung haben zwar ein Modell, um Software nach festen Prozessen zu entwickeln, aber es gibt keinen Standard. „In der AE gibt es so etwas wie ITIL nicht“, klagt der CIO. Außerdem sei die scharfe Rollentrennung bei vielen Entwicklern nicht beliebt: „Jeder macht gerne mal Architektur, ist mal Developer oder Kundenbetreuer. Da kann man sich dann immer dahinter verstecken, dass man gerade in ganz anderer Angelegenheit unterwegs sei.“