Landwirtschaft 4.0
Mit Digitalisierung zu mehr Umweltschutz
So kann es nicht weitergehen. Das Fazit der Zukunftskommission Landwirtschaft ist eindeutig. "Eine unveränderte Fortführung des heutigen Agrar- und Ernährungssystems scheidet aus ökologischen und tierethischen wie auch aus ökonomischen Gründen aus", schreiben die Experten in ihrem Abschlussbericht "Zukunft Landwirtschaft". Sie heben auf der einen Seite die gerade im Zuge von technologischen Fortschritten erzielten Produktionssteigerungen hervor, womit die Bevölkerung immer zuverlässiger und günstiger mir Nahrung versorgt werden könne. Kehrseite dieses Fortschrittes seien jedoch Formen der Übernutzung von Natur und Umwelt, von Tieren und biologischen Kreisläufen bis hin zur gefährlichen Beeinträchtigung des Klimas.
Der allgemeine Fortschritt und die Erweiterung der technischen Möglichkeiten hätten den Strukturwandel der Landwirtschaft rasant beschleunigt, steht in dem Bericht. Dies habe enorme Produktions- und Produktivitätssteigerungen gebracht. Gleichzeitig sei ein Kostendruck entstanden, unter dem immer mehr Familien für ihre Höfe keine Perspektive sehen. "Diese Entwicklungen haben dazu geführt, dass die Landwirtschaft immer weniger in der Lage ist, in ökologisch verträglichen Stoffkreisläufen innerhalb der Belastungsgrenzen der natürlichen Ressourcen zu wirtschaften."
Präziser arbeiten auf dem Acker
Die Expertenkommission hat eine Reihe von Vorschlägen entwickelt, wie die Landwirtschaft in Zukunft besser funktionieren könnte. Anfang Juli wurde der Abschlussbericht Bundeskanzlerin Merkel offiziell übergeben. Neben fairen Marktbedingungen, einer Reform der politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sowie einer Diversifizierung der betrieblichen Geschäftsmodelle hin zu mehr regionaler und dezentraler Produktion spielt demzufolge auch die DigitalisierungDigitalisierung eine wichtige Rolle für eine nachhaltige Landwirtschaft in Deutschland. Alles zu Digitalisierung auf CIO.de
"Die Digitalisierung bringt die Bedürfnisse von Mensch, Tier, Umwelt und Natur in Einklang", heißt es in dem Bericht. Dazu zählen aus Sicht der Experten Techniken wie Remote Sensing und Precision Farming zur präzisen Arbeit auf dem Feld, um beispielsweise Düngemittel gezielter und damit sparsamer einzusetzen. Das beinhaltet ferner auch eine umfassende Nutzung von Geodaten, um Faktoren wie Hangneigung, Bodentyp und Gewässerverläufe besser berücksichtigen zu können. Auch bei der Tierhaltung könne Digitalisierung helfen, Betreuung und Tierwohl beispielsweise mithilfe von Sensoren zu verbessern, hieß es.
Um die Chancen der Digitalisierung konsequent zu nutzen und Landwirtschaft hierzulande technisch zu erneuern, müssten allerdings erst einige Vorarbeiten geleistet werden. Beispielsweise mahnt die Expertenkommission einen flächendeckenden Breitbandausbau an. Außerdem müsse der Einsatz neuer Technologien durch wirksame Beratung hinsichtlich einer energie-, ressourcen- und biodiversitätsschonenden Anwendung flankiert werden.
Darüber hinaus müssten neue Technologien Bestandteil der Ausbildung von Landwirtinnen und Landwirten werden. Diese müssen bei der Nutzung neuer Technologien die Datenhoheit behalten können. "Sie treffen die Entscheidungen für digitale und analoge Vorgehensweisen bei landwirtschaftlichen Arbeitsprozessen", stellen die Experten klar. Zu guter Letzt brauche es für einen Übergangszeitraum eine finanzielle Unterstützung vor allem kleinerer und mittlerer Betriebe, damit diese überhaupt neue präzise und digital gesteuerte Sensor- und Ausbringtechnik anschaffen können.
Der Deutsche Bauernverband (DBV) fordert, dass dem Bericht nun auch Taten folgen müssten. Man sei bereit, den Weg zu einer nachhaltigeren Zukunft entschlossen weiterzugehen, beteuerte Werner Schwarz, Vizepräsident des DBV. "Die gemeinsam erreichten Ergebnisse sind zielführend und geben unseren Betrieben eine Perspektive." Alle Teilnehmer der Kommission hätten deutlich gemacht, dass es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, den Transformationsprozess der Landwirtschaft zu unterstützen und auch zu finanzieren. "Das ist für unsere Betriebe enorm wichtig. Nur wenn auf den Höfen Geld verdient wird, können wir auch Umweltleistungen erbringen."
Höhere Standards kosten Geld
Auch für Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner von der CDU ist klar, dass höhere Standards mehr Geld kosten – "das habe ich immer betont". Die Kommission beziffert den finanziellen Mehrbedarf für den Transformationsprozess auf sieben bis elf Milliarden Euro pro Jahr. "Diese Kosten können nicht allein von den Betrieben getragen werden", sagt Klöckner. Vielmehr müssten Unternehmen und Gesellschaft gemeinsam in die Zukunft der deutschen Landwirtschaft investieren.
Der IT-Lobbyverband Bitkom betont, dass sich durch zügigen Einsatz digitaler Techniken in der Landwirtschaft bis 2030 rund sieben Millionen Tonnen CO2 einsparen ließen. "Die Kommission hat dabei auch die wesentliche Rolle der Digitalisierung unterstrichen", sagte Susanne Dehmel, Geschäftsleiterin des Bitkom. Fast drei Viertel aller landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland würden in der Digitalisierung eine Chance sehen, konstatierte Dehmel unter Berufung auf eine Umfrage aus dem vergangenen Jahr. "Nun muss sich die Politik schnellstens auf diesen Weg machen und die Umsetzung der Maßnahmen vorantreiben."
Ob die Transformation so schnell vonstatten geht, wie sich das Politik und IT-Wirtschaft vorstellen, ist jedoch fraglich. "Landwirtschaft ist, soziologisch betrachtet, grundsätzlich ein eher konservativer Sektor, in dessen Geschichte es bei aller Veränderungsbereitschaft immer wieder auch Widerstände gegen gesellschaftliche oder politische Modernisierungszumutungen gegeben hat", heißt es in dem Abschlussbericht der Kommission. Gerade im Zuge der großen gegenwärtigen Transformationsherausforderungen, auch rund um die Digitalisierung, wären Gegenbewegungen und Beharrungseffekte wenig überraschend.