Startup-Gründerin Sophia Röderer

Schlagt euch gegenseitig für Jobs vor!

29.08.2022
Karen Funk ist freie IT-Fachjournalistin und Autorin. Bis Mai 2024 war sie Redakteurin beim CIO-Magazin und der COMPUTERWOCHE (von Foundry/IDG). Zudem leitete sie 17 Jahre lang den renommierten IT-Wettbewerb CIO des Jahres. Funk setzt sich seit vielen Jahren für mehr Frauen in der IT und für digitale Bildung ein. 2024 erschien ihr Buch "Hack the world a better place: So gestalten Unternehmen die Zukunft", das sie mit Julia Freudenberg, Geschäftsführerin der Hacker School, zum Thema Corporate Volunteering geschrieben hat.
Sophia Rödiger, CEO der Blockchain-Plattform bloXmove, gibt Tipps, wie Frauen in der IT sichtbarer werden, sich Netzwerke bauen und mit Shitstorms umgehen.
Sophia Röderer ist CEO und Mitgründern der B2B-Mobility-Blockchain-Plattform bloXmove. Sie setzt sich für mehr Diversität im Tech-Umfeld ein.
Sophia Röderer ist CEO und Mitgründern der B2B-Mobility-Blockchain-Plattform bloXmove. Sie setzt sich für mehr Diversität im Tech-Umfeld ein.
Foto: die MARQUARDTs

Was bedeutet Vielfalt für dich persönlich?

Sophia Rödiger: Vielfalt ist für mich vor allem der Treiber von InnovationInnovation und Veränderungsfähigkeit. Natürlich entsteht dort, wo Vielfalt aufeinander trifft - sei es in Form von Sichtweisen, Lebenserfahrung, Geschlecht, Herkunft, Kulturen oder Emotionen - immer auch Auseinandersetzung und Spannung. Es kann trotz Akzeptanz auch unbequem werden, das aber bricht Denkmuster und Strukturen auf, die zu eingefahren oder sogar dysfunktional sind. Nur so kann etwas Neues entstehen. Alles zu Innovation auf CIO.de

Wie divers ist die Startup-Szene?

Sophia Rödiger: Es hängt vom Themenfeld der StartupsStartups ab. Es gibt bestimmte Bereiche wie Ernährung, Sport, Fashion oder Reisen, in denen wir bereits eine breite Vielfalt erleben. Und dann gibt es Tech, Finance oder Mobilität. Hier braucht es mehr Diversität, was Gender, Herkunft oder Studien-Hintergründe angeht. Die meisten Startup-Events oder Investment-Kreise sind absolut männlich dominiert. Das belegt auch der Deutsche Startup Monitor, der 2021 von 17,7 Prozent Gründerinnen spricht. Zum Vergleich: 2020 waren es 15,9 Prozent. Das zeigt allerdings nur eine Dimension der fehlenden Vielfalt auf. Alles zu Startup auf CIO.de

Wie sieht das in deinem Unternehmen aus?

Sophia Rödiger: Bei bloXmove war Vielfalt vom Gründungstag an ein wichtiges Thema. Das beginnt schon bei uns im Gründerteam: Aus dem Softwarebereich oder der Psychologie, von unterschiedlicher kultureller Prägung bis zum Alter und Geschlecht sind wir drei als CEO, CTO und CFO grundverschieden. Auch das Team vereint auf diesen Ebenen Diversität und arbeitet global vernetzt von Irland, Finnland über die Niederlande und Deutschland bis nach China. Wir lieben Exotinnen und Exoten! Einer der ersten bloXmover ist zum Beispiel Profi-Pokerspieler. Bei all der Vielfalt verbindet uns die gemeinsame Vision eines radikal neuen "Mobility Roamings zwischen Städten und Ländern" sowie das Problem, das wir mit unserer dezentralen Technologie lösen.

Diversität ist ein Wettbewerbsvorteil

Warum brauchen wir mehr Vielfalt in der Tech-Branche?

Sophia Rödiger: Eigentlich müsste die Frage doch lauten, warum brauchen wir sie nicht? Studien wie etwa die Diversity Management Studie der Page Group belegen, dass die Innovationskraft von Unternehmen und Teams steigt, je vielfältiger ihre Perspektiven sind - und das ist ein klarer Wettbewerbsvorteil. Mit Technologie wollen wir innovative Produkte entwickeln, die skalieren - heißt Produkte, die vielen Menschen und Organisationen den Alltag erleichtern, die das Leben lebenswerter machen und die positiven Einfluss auf unsere Umwelt haben.

Überall in diesen Lebensbereichen befinden sich sehr unterschiedliche Menschen und Bedürfnisse. Werden Codes und Algorithmen von homogenen Teams geschrieben, sind sie zwar weniger emotional in ihrer Entscheidungsfindung, aber dennoch subjektiv, meist männlich geprägt. Keine Diversität in der Tech-Branche führt zu einer Reproduktion von Bestehendem, von Fehlern und von einseitigen Denkmustern.

Wie kann man Frauen für die Tech-Branche begeistern und gewinnen?

Sophia Rödiger: Ganz entscheidend sind Vorbilder. Frauen, die authentisch ihre Geschichten aus dem Technologiebereich erzählen. Wenn andere dann sehen: "Yes, she can", dann ist das Inspiration und Motivation pur. Es braucht also zum einen sichtbare Frauen, die zeigen, was möglich ist, und zum anderen mutige Frauen, die sich gegenseitig unterstützen.

Was kann man da konkret tun?

Sophia Rödiger: Schlagt euch gegenseitig für digitale Job-Positionen vor, ladet andere spannende Macherinnen zu Events ein oder empfehlt eine Kollegin für die nächste Tech-Keynote. Und last but not least - die strukturelle Dimension. Solange wir Systeme nicht umbauen, neues Verhalten fördern und Diversität genauso feiern, wie eine funktionierende Zeile Code, dann können wir auf der Schauseite noch so viel Begeisterung erzeugen ohne dass sich etwas verändert.

Von der Wirtschaftspsychologie zur IT

Wie bist du in der IT gelandet?

Sophia Rödiger: Über Umwege und permanente Neugier. Studiert habe ich Wirtschaftspsychologie, war aber schon immer interessiert an der Schnittstelle zwischen Mensch und Technologie. Mich haben immer die Fragen motiviert, was Technologie für Probleme löst und wie wir Digitales anwenden, auch wenn es uns suspekt ist oder sogar Angst macht. Das führte mich auch vor etwa fünf Jahren in Richtung dezentrale Technologien wie BlockchainBlockchain. Ich fand es spannend, wie hier Vertrauen neu definiert wird und was es mit unseren bestehenden Wirklichkeits- und Gesellschaftskonstruktionen macht. Die Neugier brachte mich dann mit ein paar klugen Köpfen bei meinem vorherigen Arbeitgeber Mercedes zusammen und wir entwickelten erst die Vision einer neuen, dezentralen Mobilität und dann das technische Produkt. Alles zu Blockchain auf CIO.de

Welche Aufgabe hast du?

Sophia Rödiger: Ich schreibe bis heute keinen Code, sondern baue die Brücken zwischen der Technologie, dem Produkt und allen den, die es nutzen. Kurzum ich erzähle Narrative, die inspirieren, und weiterbilden. Ich zeige Enthusiastinnen und Skeptikern auf, was alles möglich ist, wenn wir Technologie wirksam einsetzen und uns dabei trauen, bestehende Muster für einen kurzen Augenblick loszulassen.

Wie förderst du persönlich Frauen?

Sophia Rödiger: Ein Weg ist Bildung. Vielleicht liegt es daran, dass ich ein Lehrerkind bin und gern erkläre. Mit unserem monatlichen virtuellen "Women in Tech"-Treffen diskutieren wir zu Blockchain und Krypto-Themen und heißen natürlich auch immer unsere "He For She-Gentlemen" willkommen. Ich persönlich bringe mich als Mentorin und Impulsgeberin in Tech-Studiengänge gezielt für Frauen ein, um mit meiner Geschichte zu inspirieren und aufzuzeigen, dass man auch als Quereinsteiger Spaß an Technologie hat und sogar ein Unternehmen in dem Bereich aufbauen kann.

Networking ist das A und O

Welche Rolle spielen Netzwerke?

Sophia Rödiger: Eine große! Ich bringe mich in Netzwerke wie "Working Out Loud #FrauenStärken" oder "Global Digital Women" ein, weil ich überzeugt bin, dass stabile Netzwerke das A und O für mehr Vielfalt und Inspiration sind. Entscheidend ist, sich einen Schubs aus der Komfortzone heraus zu geben. Wenn ich immer nur zu Treffen mit Gleichgesinnten gehe oder mich neben meiner Freundin am Glas festhalte, dann wird es schwer, sich neue diverse Netzwerke zu erschließen. Ich selber nehme also Frauen aus meinem Team oder Job-Umfeld mit zu Veranstaltungen, empfehle Frauen für Podcasts oder vernetze Expertinnen zielgerichtet untereinander.

Wie können Frauen sichtbarer werden? Welche Tipps hast du?

Sophia Rödiger: Jede Frau kann damit beginnen, sich ein businessrelevantes Social MediaSocial Media Profil bei Linkedin und / oder Twitter anzulegen. Überlege dir hier, für welche rund drei konkreten Themen möchte ich stehen? Wie möchte ich, dass andere mich wahrnehmen? Ich empfehle das Buch "Nur wer sichtbar ist, findet auch statt" von Tijen Onaran. Folge im ersten Schritt anderen Frauen, die für dein Thema stehen und sammle Ideen. Erzähle deinem Netzwerk davon, was du vor hast - erst deinem Inner Circle, dann größeren, vertrauensvollen Gruppen - und sammle Reaktionen sowie Feedback. Je klarer du mit deinem eigenen Profil bist, desto leichter wird es für dich, aber auch für andere, dich entsprechend zu positionieren. Zu guter Letzt traue dich, erste Geschichten zu erzählen und Beiträge zu veröffentlichen. Alles zu Social Media auf CIO.de

Vom Umgang mit Shitstorms

Sichtbarkeit macht aber auch angreifbar. Wie geht man damit um?

Sophia Rödiger: Bau dir am besten eine Gruppe von Vertrauten - Männer wie Frauen - im Hintergrund auf, die du aktivierst, solltest du in deiner Sichtbarkeit auf Respektlosigkeit oder gar einen Shitstorm treffen. Es muss niemals soweit kommen, dennoch ist das stärkende Rückgrat etwas, das Sicherheit vermittelt. Und am Ende bedeutet Sichtbarkeit auch immer, dass wir angreifbar werden. Ich für meinen Teil habe Achtsamkeitspraktiken und Bewegung so in meinen Alltag verankert, dass beides in solchen Momenten für mentale Stärke, Fokus und gute Energie abrufbar ist.

Über Sophia Röderer

Sophia Rödiger studierte Wirtschaftspsychologie, war aber schon immer interessiert an der Schnittstelle zwischen Mensch und Technologie. Das führte sie 2017 in Richtung dezentrale Technologien wie Blockchain. Zusammen mit ein paar anderen klugen Köpfen ihres früheren Arbeitgebers Mercedes gründete sie die Mobility-Blockchain-Plattform bloXmove, die Mobilitätsanbietern die Implementierung ihrer Angebote in eine globale Allianz ermöglicht. Sophia schreibt bis heute keinen Code, sondern baut die Brücke zwischen Technologie, Produkt und Nutzern. Sie erzählt Narrative, die zeigen, was mit Technologie alles möglich ist.

Dieser Artikel erschien auch in unserem Sonderheft "Karriere 22/23: Die digitale Welt braucht Diversity!" Das gesamte Heft zum kostenlosen Download gibt es hier.

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