Strategien


Marktprognosen

So beständig wie Seifenblasen

Reppesgaard studierte in Hannover und arbeitete danach als Reporter und Moderator bei Hörfunk von Radio Bremen zu innen- und jugendpolitischen Themen und in den Bereichen Technologie und Wissenschaft. Seit dem Jahr 2000 lebt er in Hamburg, seit 2001 arbeitet er mit Christoph Lixenfeld im druckreif Redaktionsbüro zusammen.
Wer mit teuren Studien liebäugelt, sollte die Methoden der Vorhersage-Industrie kennen und auf jeden Fall mehr als eine Quelle nutzen.

So daneben lagen Beratungsunternehmen selten: Noch im September 2000 glaubten die Marktforscher von Forrester Research, genug Belege für den Erfolg der WAP-Technologie gesammelt zu haben: Schon 2005 sollten über 54 Prozent der europäischen Handy-Besitzer mobile Internet-Services nutzen. Zur selben Zeit gab die Giga Information Group der mobilen Internet-Technologie bereits keinerlei Chance mehr - zu Recht, wie sich heute zeigt, wo bestenfalls ein Promilleteil aller Handy-Nutzer über eine WAP-Verbindung Internet-Inhalte abruft.

Die WAP-Pleite ist nur ein Fall von vielen, in denen die Auguren mit ihren Vorhersagen daneben lagen. Und was in Zeitungskommentaren ein Segen ist - die Vielfalt der Meinungen zu ein und demselben Thema -, das ist bei Informationsquellen, auf denen Entscheider ihre strategische Planung aufbauen, ein Fluch. Egal ob Gartner oder Meta Group, Giga oder Forrester - auch die renommiertesten Häuser haben Fehlprognosen zu verbuchen.

Dennoch werden ihre Studien nach wie vor von vielen Unternehmen geschätzt. Die Deutsche Post World Net kauft zum Beispiel jedes Jahr 50 bis 100 Untersuchungen. Sie fließen in die Produktentwicklung und die Beantwortung von Fragen nach Beteiligungen oder Werbekonzepten ein. Auch bei Nokia sieht man in den Studien verschiedener Industrieanalysten eine wertvolle Ergänzung zu den eigenen Informationsquellen. Einer Untersuchung unserer amerikanischen Schwesterpublikation CIO Magazine zufolge halten 53 Prozent der befragten IT-Verantwortlichen die Er-kenntnisse der Vorhersage-Industrie für wichtig bei der Strategiefindung.

Laut dieser Untersuchung gaben US-Unternehmen im Jahr 2000 durchschnittlich 552000 Dollar für IT-Marktstudien aus. Dabei ist das Analystenwissen nicht gerade billig zu haben: Frost & Sullivans letzte Bluetooth-Studie ging für 4500 Euro über den Ladentisch; die Untersuchung von IDC zum Markt für IT-Services in Deutschland soll 3290 Euro kosten - alle Preise natürlich zuzüglich Mehrwertsteuer.

Dass es für gutes Geld auch entsprechende Qualität gibt, ist nicht selbstverständlich. Viele Untersuchungen sind nur mit Vorsicht zu genießen, weil sie auf fehlerhaften Methoden basieren. Beispiel: Beim so genannten "Top-Down"-Ansatz begnügen sich die Researcher damit, eine verhältnismäßig kleine Zahl von Entscheidern und Fachleuten aus den wichtigsten Unternehmen einer Branche nach ihrer Einschätzung eines bestimmten Markts zu fragen, um dann allein daraus abzuleiten, wie dieser sich in Zukunft entwickeln wird. "Die Top-Down-Methode ist üblich unter Marktforschungsunternehmen, muss aber mit Skepsis betrachtet werden", schreiben die US-Marktforscher Frost & Sullivan in einer Methodenanalyse. "Sie ist sehr unpräzise und kann zu ernsten Problemen führen, wenn sie Grundlage strategischer Entscheidungen ist."

Teuer, aber besser: Bottom-Up

Frost & Sullivan selbst setzt deshalb meist auf das "Bottom-Up"-Verfahren. Hier werden Vorhersagen aus einem sehr viel breiteren Befragungspool generiert. Doch solche Verfahren sind teuer. Bevor das Frankfurter Unternehmen Forit von Forrester Research gekauft wurde, wendeten die Forscher bis zu 25000 Euro auf, um den aktuellen Markt eines Produkts zu analysieren, Zahlen vom Statistischen Bundesamt anzufordern, Gespräche mit Politikern oder Professoren zu führen und Verbraucher zu befragen. Entsprechend sind Forrester-Untersuchungen drei- bis viermal so teuer wie die der Konkurrenz.

Ein gutes Vierteljahr dauert so eine Erhebung, dann fassen die Analysten die Ergebnisse zusammen und interpretieren sie. Und das ist auch bei einer guten Datenbasis nicht einfach, da alles auf die Zukunft hochgerechnet werden muss. Wegen des Kostendrucks wird fast alles veröffentlicht, auch wenn die Ergebnisse banal sind oder geschlampt wurde. "Der Trick ist, die Wahrheit zu sagen und doch nicht die Wahrheit", verrät ein ehemaliger Mitarbeiter einer Prognosefirma. "Wenn wir schrieben, dass wir 1000 Unternehmen befragt haben, hieß das ja nicht, dass die auch geantwortet haben. Der Rücklauf betrug meist fünf bis acht Prozent." Schließlich würden die Zahlen bis auf zwei Stellen nach dem Komma berechnet, was die Ergebnisse präzise wirken lässt.

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