Marktprognosen
So beständig wie Seifenblasen
Kaum belastbare Quellen
Da ist es wenig verwunderlich, wenn eine AllianzSprecherin erklärt: "Als einzige Quelle für die Entscheidungsfindung sind die Studien in der Regel nicht ausreichend." Um vor allem technologische Trends richtig zu erfassen, setzt der in 72 Ländern vertretene Versicherungsriese auf eine weltweite Kooperation mit der Gartner Group. Auch bei Bertelsmann, der Deutschen Post World Net oder Nokia nimmt man nicht alles für bare Münze, was die Analysten kundtun. Die Zeiten, in denen auf Grundlage prognostizierter Zahlen ganze Business-Pläne aufgebaut wurden, gehören mit dem Niedergang der Start-ups der Vergangenheit an. Heute entscheiden Fachabteilungen, welche Studie es wert ist, eingekauft zu werden. Die Experten können sehr wohl abschätzen, wie stark ein Markttrend sein wird, wenn IDC oder Gartner für eine Technologie etliche Millionen Nutzer prognostizieren.
Bei Bertelsmann ist Steffen Böning der beste Kunde der Wahrsager. Er leitet die Abteilung Vorstands- und Aufsichtsratsservice, die sich unter anderem mit dem Einkauf und Austausch von Wissen und Studien im Konzern befasst - beides Teil des Basismaterials für eigene Analysen. "Gute Erfahrung haben wir mit Gartner und der Meta Group, Forrester und Jupiter gemacht", sagt er. Besonders nützlich sei beispielsweise die Forrester-Untersuchung "Content out of Control" gewesen. Sie war eine der ersten, in der Analysten die Internet-Tauschbörse Napster und ihre Folgen für die Medien- und Schallplattenindustrie untersucht haben.
500-seitige Reports für Entscheider
Bei der Deutschen Post kauft das Market Research Service Center zentral Studien ein, die für das Unternehmen relevant sein könnten. "Sie geben meist einen guten Marktüberblick. Folgerungen für den Konzern und Handlungsempfehlungen für das Management kommen dann aber von unseren Experten", sagt Leiter Michael Seitz. "Wenn wir Sekundärrecherchen einkaufen, etwa von Forrester, verlassen wir uns nicht nur auf eine Informationsquelle, sondern ergänzen sie durch andere."
Sein von 2 auf heute 28 Mitarbeiter angewachsenes Service-Center beschreibt Seitz als Vermittler zwischen Informationsquellen und Entscheidern. "Die Abteilungen stellen uns Probleme dar, wir führen Market-Research-Projekte durch, suchen in Studien und anderem Material, um diese Fragen zu beantworten", erklärt er. Zudem strukturierten die Informationsexperten der Post den Input, damit die Entscheider sich nicht selbst durch 500-seitige Reports fressen müssen. Studien, die auf einer dünnen Datenbasis oder zweifelhaften Methoden beruhen, oder Anbieter, die mit kühnen Thesen absahnen wollen, hätten bei ihm keine Chance: "Bevor wir mit einem Serviceleister kooperieren, fragen wir dessen Netzwerk ab und die Methoden zur Qualitätssicherung." Vielleicht sollte mal jemand untersuchen, warum so ein Qualitätscheck bei der Zusammenarbeit zwischen der Prognose-Industrie und ihren Kunden nicht seit langem selbstverständlich ist.