Lernen von Geheimdiensten
So entlarven Chefs Lügner
Schon wieder keine Druckerpatronen? Das kann nicht sein. So hoch ist der Verbrauch doch gar nicht. Nimmt die etwa jemand mit? Dieser ständig meckernde Schulze vielleicht …?
Eine unangenehme Situation für Chefs. Aber nicht unlösbar, wenn es nach Jack Nasher geht. Der Wirtschaftspsychologe und Professor an der Munich Business School stellt mit "Entlarvt!" ein Buch über Techniken der Gesprächsführung vor. Nashers Credo: Das Entlarven von Lügen und Herausfinden der Wahrheit hat nichts mit Intuition oder Menschenkenntnis zu tun. "Ganz im Gegenteil, unsere Intuition führt uns sogar oft in die Irre", erklärt er gegenüber cio.de. Faktisch, so Nasher, kann jeder die richtige Gesprächsführung lernen.
Nasher stützt sich ebenso auf Erkenntnisse der Psychologie wie auf die konkrete Arbeit von Geheimdiensten. Er schildert einen Prozess in zwei Schritten. Erstens geht es um die Frage: Lügt mein Gegenüber oder nicht? Zweitens stellt sich die Frage nach der ganzen Wahrheit. Dabei kann es beispielsweise um die eigene KarriereKarriere gehen - wenn man das Gefühl hat, dass der Vorgesetzte abblockt - oder eben um handfeste Situationen wie die mit den verschwundenen Druckerpatronen. Alles zu Personalführung auf CIO.de
In einem solchen Fall rät Nasher, mit einer scheinbar beiläufigen Frage, der sogenannten 'Reflexfrage' einzusteigen, etwa "Wie oft wechseln sie eigentlich die Patronen im Drucker aus?" Der 'Reflex', also die spontane Reaktion des Mitarbeiters, wird einiges preisgeben. Zuckt er zusammen? Wird er nervös?
Erhärtet sich der Verdacht, rät Nasher zu einem Vorgehen in drei Stufen:
1. Konfrontation, etwa "Wir wissen, was passiert ist, und wir wissen, wer es war. Das Einzige, was wir nicht wissen, ist das ,Warum'. Daher sprechen wir heute miteinander."
2. Dann kommt das, was der Ermittler Themenfindung nennt - er baut dem Gegenüber eine "moralische Brücke", damit dieser die Sache leichter zugeben kann. Bei Dieben zum Beispiel führt folgender Satz oft zum Geständnis: "Gäbe es keine Hehler, kämen Männer wie Sie doch nie auf die Idee, so etwas zu machen."
3. Schließlich wird die Alternativfrage gestellt: "Sind Sie nur ein einziges Mal schwach geworden und haben es dann bereut oder haben Sie regelmäßig gestohlen?"
Eines will Nasher nicht: sich als moralische Instanz aufspielen. "Wer mich kennt, weiß sowieso, dass ich dafür nicht tauge", grinst er. Um gleich anzufügen: "Mir geht es um Aufklärung über die richtigen Frage- und Verhörtechniken. Wie sich ein Chef verhalten soll, wenn er einen Mitarbeiter der Lüge überführt hat - dazu will ich keine Tipps geben. Das muss jeder selbst entscheiden."
Dem Wirtschaftspsychologen ist klar, dass es gerade im Arbeitsalltag Grauzonen gibt. Das Einstecken eines Kugelschreibers dürfte für die meisten Menschen kein Thema sein. Anders sieht es bei den zitierten Druckerpatronen aus. Wer die mitgehen lässt, muss sie ja erst einmal in das eigene Büro schmuggeln, sie dort verstecken und dann heimlich aus der Firma tragen - das erfordere schon eine gewisse kriminelle Energie, so Nasher.
- Lügen im Lebenslauf
Papier ist geduldig, Personaler nicht. Wer seinen Lebenslauf frisiert, hat meist keine Chance auf den Job. - Auf den jungen Bill Gates ...
... sollte man sich lieber nicht beziehen, wenn man seine PC-Kenntnisse beweisen will. Ein Bewerber behauptete, er arbeite seit 1970 mit Microsoft Windows. - Internationalität ist bei Personalern gefragt
Wer aber behauptet, zwei verschiedene Praktika zur gleichen Zeit in zwei Ländern absolviert zu haben, hat schlechte Karten. - Der glücklichste Tag im Leben ...
... hat nichts in einer Bewerbung zu suchen. Entsprechend überrascht war ein Personaler, als er das Hochzeitsfoto des Bewerbes auf dem Lebenslauf sah. - Gefälschte Diplome ...
... gibt es wahrscheinlich genug. Wenn dann das gefälschte Zertifikat noch einen Rechtschreibfehler enthält, fliegt der Täter schnell auf. - Treffpunkt Aufzug
Personalmanager müssen nicht Aufzug fahren, um zu wissen, wer im Unternehmen arbeitet. Pech für den Bewerber, der fälschlicherweise angibt, in der Firma gearbeitet zu haben, in der zum selben Zeitraum auch der Personaler beschäftigt war. - Wer einmal im Gefängnis sitzt ...
... und nachher diese Zeit als "Stellensuche" deklariert, hat keine Chance auf einen Wiedereinstieg.
Das Buch erscheint vor dem Hintergrund einer breiten gesellschaftlichen Diskussion über Recht und Rechtschaffenheit. Im Interview erzählt Nasher von einem Taxifahrer, mit dem er eine hitzige Debatte über "den Dreckskerl" (O-Ton Taxifahrer) Ulli Hoeneß führte. Die Fahrt endete mit dem Angebot des Chauffeurs: "Wollen wir das ohne Rechnung machen?"
Die momentan hochschwappende Welle an Compliance-Beauftragten sieht der Buchautor schon wieder am Abklingen. Muss sie auch, findet Nasher. Aus seiner Sicht sind die Dinge überzogen worden. Er berichtet von Vertretern eines großen deutschen Konzerns, die während eines von Nashers Seminaren über die Frage stritten, ob man auf einer Dienstreise im Hotel das private Handy aufladen darf - oder ob man sich damit des Vergehens 'Stromklau' schuldig mache.
Nashers Tipp an Führungskräfte: Erstens Regeln klar definieren und kommunizieren. Ob es nun um das private Surfen am Arbeitsplatz geht oder um das Annehmen von Geschenken durch Geschäftspartner. Das werde häufig schon durchgeführt, nicht aber der zweite Punkt: diese Regeln immer wieder einer offenen Diskussion stellen. Denn die Bewertung verschiedener Verhaltensweisen kann sich ändern. Dabei zitiert er gerne John F. Kennedy, der einmal sinngemäß sagte, dass freie Bürger durchaus das Recht haben, Regeln in Frage zu stellen - nicht aber, diese zu übertreten.
Journalisten lügen am meisten
Dass Themen wie Ehrlichkeit und Transparenz so in den Fokus geraten sind, hängt für den Wirtschaftspsychologen auch mit Internet und Social MediaSocial Media zusammen. Aussagen von Wirtschaftslenkern oder Politikern seien heute schnell und einfach überprüfbar. "Ein Shitstorm folgt auf dem Fuße und deshalb traut sich ja auch keiner mehr, was zu sagen", so Nasher. "Und deshalb gibt es nichts Langweiligeres als Interviews mit CEOs. Wenn Sie mal nicht einschlafen können, lesen Sie ein Interview mit einem CEO." Alles zu Social Media auf CIO.de
Die Frage, ob es eine Berufsgruppe gebe, die besonders viel lügt, beantwortet Nasher sofort: "Journalisten." Eine Erläuterung hat er auch parat: Es geht hier nicht um die platte Lüge, sondern um das Verdrehen durch sprachliche Zuspitzung. Nasher zitiert ein altes jüdisches Sprichwort: "Die halbe Wahrheit ist eine ganze Lüge - oder zumindest Dreiviertel!"
- Unzulässige Fragen im Bewerbungsgespräch ...
... muss man nicht wahrheitsgemäß beantworten. - Frage nach Vorstrafen
Die Frage ist unzulässig, außer die Vorstrafe ist von direkter Bedeutung für die Tätigkeit. - Frage nach dem Glauben
Auch hier darf man lügen. Ausnahme: Man bewirbt sich bei einem kirchlichen Arbeitgeber. - Frage nach Aids-Erkrankung
Fragen nach einer Aids-Infektion müssen dann beantwortet werden, wenn die Tätigkeit andere Menschen gefährden kann. Die Frage nach einer Aids-Erkrankung muss wahrheitsgemäß beantwortet werden. - Frage nach Parteizugehörigkeit
Auch hier muss nur geantwortet werden, wenn der Arbeitgeber ein Tendenzbetrieb ist, etwa eine Partei. - Frage nach Familienplanung
Auch die Frage nach der persönlichen Familienplanung ist unzulässig. - Frage nach Gewerkschaftszugehörigkeit
Hier gilt das gleiche wie bei der Konfession und der Parteizugehörigkeit. Wer sich nicht bei einem Tendenzbetrieb bewirbt, darf lügen. - Frage nach Lohnpfändungen und Vermögensverhältnissen
Diese Fragen sind unzulässig. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn der Bewerber sich auf eine Position mit umfangreichem Geldverkehr bewirbt. - Souverän antworten
Auf unzulässige Fragen lieber nicht "Das dürfen Sie nicht!" sagen. Besser gelassen und souverän reagieren, bei der Wahrheit muss man nicht bleiben. - Frage nach Schwangerschaft
So ist zum Beispiel die Frage nach einer Schwangerschaft unzulässig. Eine Ausnahme wäre es nur dann, wenn die Tätigkeit das Ungeborene schädigen könnte.