Use Cases als Obligatorium
So katapultieren Sie sich nicht ins Aus
Unternehmen, die fest entschlossen sind, ihre Digitalisierung voranzutreiben, fragen heute nicht länger, ob etwas möglich ist. Sie gehen schlicht davon aus, dass es das ist. Unternehmenslenker definieren heutzutage was sie erreichen wollen und clustern diese Ziele in Form von Use Cases. Das Unternehmen arbeitet dann quasi rückwärts, um zu ermitteln, welche Technologien für welche Lösungsansätze und damit für welche Use Cases benötigt werden. Hier sind die IT-Lieferanten gefordert: Es ist essenziell, dass sie bei diesen Anwendungsfällen mit an Bord sind. Viele Anbieter behaupten auch von sich, bei der Entwicklung ihrer Produkte die Kunden und deren Geschäftsziele in den Mittelpunkt zu stellen.
Erfahrungsgemäß konzentrieren sich viele Vertriebsmitarbeiter einzig und allein auf ihr Produkt und nicht im Ansatz auf die Ziele ihrer Kunden. Offenbar haben diese Mitarbeiter Schwierigkeiten, spezifische Anwendungen mit Use Cases und strategischen Zielen zu verbinden. Um die Positionierung von Produkten und Dienstleistungen in Bezug auf übergeordnete Ziele und bereichsspezifische oder abteilungsbezogene Anwendungsfälle zu verbessern, bieten sich etwa Vertriebstrainings an.
Anwendungsfälle für die digitale Transformation
Nach wie vor gilt in Europa die Faustregel, dass die IKT-Märkte in etwa doppelt so schnell wachsen wie das Bruttoindlandsprodukt (BIP). Die Gesamtinvestitionen für IKT in Europa – Russland außen vor gelassen - dürften nach Einschätzung von IDC im Jahr 2019 um circa drei Prozent wachsen. Im Gegensatz dazu steigen die Ausgaben für Technologien der dritten Plattform der IT (Cloud, Mobility, Big Data und Social) und der sogenannten Innovationsbeschleuniger im Zeitraum 2019 bis 2022 um rund 15 Prozent.
Der Grund dafür liegt auf der Hand: Die Technologien und Innovation Accelerators der dritten Plattform sind für die Digitalisierung, das autonome Computing und die Optimierung operativer Prozesse entscheidend. Sie sind unerlässlich, um neue Geschäftsmodelle auf der Grundlage von Daten, Plattformen und Ökosystemen zu entwickeln – etwas, das europäische CEOs unbedingt stärker in ihrer Unternehmensvision berücksichtigen sollten.
Use Cases für die digitale Transformation umfassen wie bereits erwähnt Technologien der dritten Plattform und Innovationsbeschleuniger, einschließlich Internet of Things (IoT)-Lösungen, Augmented Reality und Blockchain. Use Cases ermöglichen C-Level-Führungskräften, den Einsatz mehrerer Technologien klar zu beschreiben, um funktionsübergreifende Business-Anforderungen zu erfüllen.
Beim Blick auf das Thema Customer Experience (CX), beziehungsweise Kundenzufriedenheit, zeigt sich: Auch wenn es natürlich branchenspezifische Abweichungen und Besonderheiten gibt, werden häufig Kombinationen aus IoT, Künstlicher Intelligenz, Digital Signage, Social Media, Cloud, Big Data, Echtzeit-Analyse sowie Mobility-Lösungen und Customer Relationship Management Tools eingesetzt. Hyperscale- oder Multicloud-Plattformen kommen zur Unterstützung der Daten- und Omni-Channel-Integration zum Einsatz.
Die Unternehmensziele, die die Entwicklung von Use Cases vorantreiben, sind eng mit den Investitionsentscheidungen verknüpft. So sind beispielsweise COOs in der Regel federführend, wenn es um den Einsatz von Technologien zur Verbesserung von Geschäftsprozessen geht. CXOs oder CMOs haben die Aufgabe, Schnittstellen zu den Kunden zu entwickeln und die Customer Experience zu optimieren. CDOs, CEOs oder auch spezielle Projektteams treiben neue Geschäftsmodelle und die Entwicklung von Ökosystemen voran.
All diese Führungskräfte arbeiten mit dem CIO zusammen, um sicherzustellen, dass Infrastruktur, Netzwerke, Application-Management-Umgebungen, API-Architekturen und Back-Office-Anwendungen digitale Anwendungsfälle unterstützen. Bei Transformations-Projekten kommt dem CIO oft eine unterstützende Rolle zu. Eine IDC-Studie zeigt, dass 63 Prozent des Budgets für Transformationsprojekte aus den Geschäftsbereichen oder dedizierten Budget-Töpfen stammen.
- Acht Tipps für die digitale Revolution
Wollen Unternehmen nicht nur die Digitalisierung, sondern auch die digitale Revolution gezielt vorantreiben, müssen sie folgende Erfolgsfaktoren sicherstellen. Coach und Unternehmensberater Jan Brecke verrät, welche Maßnahmen den digitalen Wandel forcieren und warum der Faktor Menschlichkeit bei Führungskräften besonders wichtig wird. - Topmanagement einbeziehen
Das Topmanagement muss in die Gestaltung des Veränderungsprozesses involviert sein. - Erfahrene Mitarbeiter auswählen
Ohne Mitarbeiter, die bereits Erfahrung in der Einführung von Veränderungen haben, geht es nicht. - Innovativ denken und arbeiten
Der Innovationsbereich nimmt das Arbeiten der Zukunft vorweg. Hier gilt es, auf eine schnelle Umsetzung mit Fehlertolerierung hinzuwirken. - Standardbereiche nicht vernachlässigen
In den produzierenden Standardbereichen indes muss weiterhin auf eine möglichst geringe Fehlerquote geachtet werden. - Agile Taskforce einrichten
Eine Taskforce aus kreativen und agilen Talenten dient in einer drei- bis sechsmonatigen Analysephase als Sparringpartner für den Vorstand/der Geschäftsleitung und verweist regelmäßig auf die Game Changer. - Agiles Arbeiten propagieren
Die Mitglieder der Taskforce sind gleichzeitig Botschafter für agiles Arbeiten im Unternehmen. - Selbstbewusst und bescheiden führen
Führungskräfte müssen ihre Haltung ändern: Neben Selbstbewusstsein brauchen sie mehr Bescheidenheit. - Auf Soft Skills achten
In Sachen Leadership sind künftig eher weiche Skills gefragt. Insbesondere Introspektion, eine nach innen gerichtete Selbstbeobachtung, ist für Führungskräfte wichtig.
DX-Plattformen sind nicht umsonst auf dem Vormarsch: CIOs schaffen Grundlagen für Unternehmensbereiche und Abteilungen, die die gemeinsame Nutzung von Tools und Systemen fördern - mit dem Ziel einer stärkeren Integration. Hyperscale- und Multicloud-Plattformen werden zunehmend als zentrale Elemente dieser Transformation angesehen, da sie agile IT-Architekturen, Geschäfts- und Partner-Ökosysteme sowie IT- und LOB-Empowerment erlauben. Dennoch bleibt die Integration eine Herausforderung: Trotz der rasanten Investitionen in modernste Technologien kämpfen Unternehmen weiterhin mit Legacy-Systemen, starren Organisationsstrukturen und veränderungsresistenten Unternehmenskulturen.
Aber auch andere wichtige Faktoren spielen eine Rolle: Der Fachkräftemangel nimmt rasant zu - an Fertigungsstandorten wie etwa in der Tschechischen Republik ist der Bedarf an Facharbeitern besonders hoch. Um den vorhandenen Mangel an qualifizierten Arbeitskräften auszugleichen, setzen Fabriken hier inzwischen auf Robotik. Auch IT Security, beziehungsweise Datensicherheit bleibt ein wichtiges Thema. Die aktuellen und neu auftretenden digitalen Bedrohungen sowie strikte Datenschutzbestimmungen prägen heute jede Investitionsentscheidung.
Wie Use Cases zu Türöffnern werden
Use Cases ermöglichen es IT-Anbietern, den Nutzen ihrer Lösungen in den Fokus zu rücken, statt die technischen Details. Ob im Rahmen eines Elevator Pitch, einer Erstkontakt-E-Mail, eines Whitepapers oder von Projektskizzen: Anwendungsfälle können wertvolle Referenzen für den Aufbau von Geschäftsbeziehungen liefern und sind nicht selten Türöffner für weitere Gespräche.
Folgende Tipps helfen Türen zu öffnen:
Benennen Sie einen konkreten Pain Point und dessen Auswirkungen. Wenn Sie damit ins Schwarze treffen, wird sich Ihr potenzieller Kunde mit hoher Wahrscheinlichkeit öffnen und seine Herausforderung mit Ihnen teilen. Wenn Sie falsch liegen, wird er Sie wahrscheinlich korrigieren. In beiden Fällen können Sie nur gewinnen, denn Sie lernen eine Menge über das, was Ihren Kunden bewegt.
Benennen Sie einen Anwendungsfall, der sich auf die Herausforderung bezieht oder das Problem sogar behebt. Beschreiben Sie gegebenenfalls, wie ein bestimmter Use Case funktionieren könnte und welche Schlüsseltechnologien dabei zum Einsatz kommen. Am besten starten Sie mit einem allgemeinen Beispiel. Handelt es sich beispielsweise um intelligentes Flottenmanagement und Routenplanung, zeigen Sie auf, wie diese Tools Stillstandzeiten reduzieren und die Kapazitäten optimieren können. Eine Lösung für die Logistikbranche könnte beispielsweise eine IoT-basierte Anwendung sein, die sich mit Echtzeit-Analyse- und KI-Tools verbindet, die sich normalerweise in der Cloud befinden. Das Ganze kann durch Augmented Reality Tools (die zum Beispiel die Paketortung beschleunigen) sowie durch Roboter (die etwa beim Be- und Entladen helfen können) ergänzt werden - je nach Aufgabenstellung.
Verwenden Sie eine echte Fallstudie, um zu überzeugen. Aufbauend auf unserem Beispiel könnte die Vorlage in etwa so aussehen: "Unser Kunde hat unsere intelligente Flottenmanagementlösung in seinem Heimatmarkt getestet. Neben der Reduzierung der Gesamtstunden pro Fahrer wurden durch Tracking und automatisierte Routenplanung auch Stillstandszeiten reduziert. Unser Kunde führt die Lösung jetzt in vier Ländern ein."
Vergessen Sie den "Call to Action" nicht. Egal, ob es sich um einen Elevator Pitch oder ein informelles Gespräch handelt: Fassen Sie sich kurz. Bitten Sie Ihr Gegenüber um ein kurzes Anschlußmeeting, um weitere Informationen zu teilen. Use Cases stellen einen Paradigmenwechsel in der Art und Weise dar, wie Menschen über IT denken und wie Märkte bewertet werden.
Use Cases werden für die mittel- und langfristige Produktplanung entscheidend. Anwendungsfälle zeigen uns, wofür Unternehmen Technologie benötigen. Sie bieten einen klaren Überblick über strategische Prioritäten und geben Aufschluss über die Unternehmensziele. Deshalb sind sie von unschätzbarem Wert für die Anbahnung von Diskussionen, den Einstieg in den Dialog, die Positionierung von Dienstleistungen und den Aufbau dauerhafter Partnerschaften.