CIO-Kongress
Von Aussteigern und Grenzgängern lernen
Seit Sonntag tagen in der Steiermark die CIOs Österreichs. Im "Das Sonnreich Thermenhotel Loipersdorf" finden bis Dienstag Workshops nach Open Space Methode statt. Veranstalter LSZ Consulting macht dabei einiges anders als gewöhnliche Konferenzbetreiber. Geschäftsführer Alexander Loisel setzt sich schon dadurch ab, dass er zu Beginn nicht die Sponsoren aufzählt, sondern die Nicht-Sponsoren in Frage stellt - namentlich MicrosoftMicrosoft. Doch dazu später. Alles zu Microsoft auf CIO.de
"Wir Mönche sind organisierte Aussteiger"
Erster Unterschied: Beim LSZ-Kongress sprechen Aussteiger. "Wir Mönche sind organisierte Aussteiger", sagt Pater Dr. Karl Wallner vom Kloster Heiligenkreuz bei Wien: "Ich möchte Sie zum Aussteigen ermutigen", sagt der Pater in seinem Beitrag "Erfolg braucht Spiritualität - Gedanken eines Mönchs über das Wesentliche am Profit." Seine Kernfrage: Was kommt nach Gewinn, Effizienz und Erfolg? Seine Antwort: "Dann wirst du abgesetzt, du wirst krank, du wirst verlassen." Und Pater Karl setzt noch einen oben drauf: "Neuere Studien belegen, dass 100 Prozent aller CEOs sterben."
Aber das sei gar nicht so schlimm, sagt der Mann in der Kutte: "Don't be afraid to fail - habe keine Angst zu versagen", zitiert Pater Karl aus den "Rules of Success" des von ihm sehr geschätzten Arnold Schwarzenegger. Was der Bodybuilding-Weltmeister aus der Steiermark, spätere Schauspieler und Gouverneur von Kalifornien an leicht verständlichen Regeln formuliert hat, preist der Mönch als sehenswert an: "Schauen Sie sich das ruhig mal auf Youtube an!" Schwarzenegger sei zwar kein Heiliger. Er habe Todesurteile unterschrieben, er leiste sich viele Affären, er lebe in Scheidung, aber er ist Katholik. "Warum kapiert das keiner?", fragt Pater Karl: "Gott verurteilt die Sünde, aber er liebt den Sünder."
"Bei allem Respekt für Silizium…"
Zweiter Unterschied: Beim LSZ-Kongress sprechen Grenzgänger. Schon der erste Fachreferent Niyazi Serdar Sariciftci bringt das Publikum an seine Grenzen. Der Professor vom Linz Institute for Organic Solar Cells taucht tief in die Halbleiter-Physik ab: "From Organic to Bio-Organic Semiconductor Devices" lautet sein Beitrag. Auch darin wieder eine Aufforderung zum Umdenken: "Bei allem Respekt für Silizium…", sagt der Halbleiter Physiker über das von allen geschätzte Material: "Silizium bricht."
Serdar Sariciftci arbeitet lieber mit flexiblen Materialien. Schon vor 20 Jahren hat er Folien mit organischen Solarzellen beschichtet. Jetzt erforscht er die Leiteigenschaften von wasserlöslichen Molekülen und deren Einsatz in der IT - für Physiker ein eher ungewöhnlicher Ansatz. Betakarotin, Glucose oder Koffeine kamen in der IT bisher nicht direkt auf dem Chip zum Einsatz. Serdar Sariciftci hält sie aber für viel besser geeignet als Silizium, etwa bei der Verknüpfung von IT mit der menschlichen Retina.
Die Versuche, herkömmliche Chips im Auge einzusetzen, seien zu oft daran gescheitert, dass der Körper die Fremdkörper wieder abstößt. Mit organischen Halbleitern lasse sich das Problem vielleicht lösen, sagt der Professor, der selbst unter Retina-Ablösung leidet, eine Krankheit, die blind macht, wenn nicht rechtzeitig neue Schnittstellen zu den Sehnerven gefunden werden, siehe www.BioEl.at
Wer keine Inspiration findet, sollte einen Spaziergang machen
Dritter Unterschied: Beim LSZ-Kongress sprechen die Füße. Veranstalter Alexander Loisel ermuntert die Teilnehmer, ihre Füße reden zu lassen. Wer in einem der neun Arbeitskreise keine Inspiration mehr finde, dem rät Loisel zu einem Spaziergang durch die Felder von Loipersdorf. Loisel: "Es gilt das Gesetz der zwei Füße: Wo immer sie die Füße hintragen - es ist richtig." Und weiter zitiert Loisel aus dem Buch "The Second Machine Age" von Erik Brynjolfsson und Andrew McAfee: "Wir müssen die Dinge anders machen, nicht einfach besser."
Microsofts Gründe
Microsoft unterstützt die Veranstaltung nach vielen Jahren der Teilnahme übrigens nicht mehr, laut Loisel "weil Microsoft die CIOs ja schon alle kenne und lieber auf die Fachbereiche zugeht." Er kommentiert diese Entscheidung nicht weiter. Ob es schlau ist, die Kernzielgruppe mit hohen Lizenzgebühren und Software-Audits zu gängeln und ihr dann auch noch die Aufmerksam zu entziehen, sei dahingestellt.