Strategien


Schwerpunkt Desktop: Desktop-Outsourcing bei Daimler-Chrysler

Riesen-Transfer mit großem Risiko

Heinrich Seeger arbeitet als IT-Fachjournalist und Medienberater in Hamburg. Er hat über 30 Jahre IT-journalistische Erfahrung, unter anderem als Gründungs-Chefredakteur des CIO Magazins. Er entwickelt und moderiert neben seiner journalistischen Arbeit Programme für Konferenzen und Kongresse in den Themenbereichen Enterprise IT und Mobile Development, darunter IT-Strategietage, Open Source Meets Business, droidcon und VDZ Tech Summit. Zudem gehört er als beratendes Mitglied dem IT Executive Club an, einer Community von IT-Entscheidern in der Metropolregion Hamburg.
Der Desktop ist eine Domäne der Outsourcer: Von der Beschaffung bis zum Asset-Management geht es um millionenfach geübte und daher unkritische Dienste - das klassische Massengeschäft, reine Commodity, ganz einfach. Das kann sich indes als Trugschluss erweisen.

Daimler-Chryslers IT-Mannschaft um CIO Sue Unger ist im Begriff, das wohl größte Desktop-Outsourcing-Projekt aller Zeiten anzugehen. 130 000 bis 150 000 PC-Arbeitsplätze in 153 Werken und mehr als 10 000 Niederlassungen des 150-Milliarden-Euro-Konzernssollen standardisiert, die Beschaffung von Hard- und Software sowie Netzinfrastruktur, Asset-Management, Packaging und Softwaredistribution an HPHP übertragen werden. Nome de guerre des Projekts: PC Global. Alles zu HP auf CIO.de

Einzige Ausnahme vom Auftrag: Lediglich der Benutzerservice soll wahlfrei angeboten werden. Wenn also ein regionaler Dienstleister nach Ansicht der dortigen Niederlassung besser oder kostengünstiger arbeitet als HP, bleibt er im Geschäft. Der Handlungsbedarf, sowohl bei den Hard- und Softwareressourcen als auch bei den Prozessen, ist angesichts der Schilderung eines Beteiligten an dem Projekt auf Daimler-Chrysler-Seite in Deutschland, der nicht genannt werden möchte, offenkundig: Hard- und Softwarestandards sind nicht etabliert, eine Bestandsübersicht auf Unternehmensebene existiert nicht, weshalb auch die Schätzung der PC-Anzahl im Konzern eher grob ausfällt; die Differenz zwischen konservativen und offensiven Schätzungen beträgt immerhin 20 000. Und der Zustand verschlimmert sich mit jeder der immer schneller aufeinander folgenden Produktgenerationen. Das führt wiederum zu uneinheitlichen Service-Levels - sofern überhaupt welche existieren - für Fehlerbehebungen und Geräteaufrüstungen. Die Bedarfsplanung ist ebenfalls intransparent, ein konzernweites Desktop-Qualitätsmanagement findet nicht statt. So alarmierend wie die Situationsbeschreibung des Daimler-Chrysler-Mitarbeiters, so ernüchternd fällt seine Analyse der Folgen aus: Hohe Komplexität und hohe Kosten führen danach zu niedriger Qualität und reduzierter Flexibilität.

Auslöser für das Projekt war jedoch die Finanzierungslücke, die bisher turnusmäßig jedes Mal dann entstand, wenn ein neues Betriebssystem eingeführt wurde. 2001 war das letztmals der Fall, und für 2005 steht die nächste Migration auf dem Plan. Daimler-Chrysler verfolgt aber gleich einen ganzen Katalog von Zielen mit dem Outsourcing-Projekt, das die Vielzahl von PC-relevanten Dienstleistern in eine verantwortliche Generalunternehmerschaft von HP kanalisieren soll: Applikationen sollen einfacher und schneller ausgerollt sowie einheitliche Prozesse und Standards für Hardware und Service geschaffen werden. Eine monatliche Pauschale für die Berechnung der Desktop-Kosten seitens HP soll Transparenz schaffen und - durch verringerte Stückkosten - die Ausgaben für Hardware und Service senken. Die Einsparungen, darauf ist die Hoffnung der Verantwortlichen gerichtet, sollen sowohl der Konzern-IT als auch den Geschäftsbereichen zugute kommen und in Infrastrukturmaßnahmen investiert werden.

Stau im Distributionskanal

Seine ungewöhnliche Dimension, für die es keine Erfahrungswerte gibt, macht das Projekt offenbar zur echten Herausforderung, selbst für den nicht gerade kleinen Dienstleister. Aus Daimler-Kreisen in Sindelfingen verlautet, der Roll-out eines Pilotprojekts in Deutschland habe wochenlang gehakt, weil HP die automatische Softwaredistribution nicht auf die Reihe bekam. Das ist besonders kritisch, weil in dem Riesenkonzern neben den Standardanwendungen für fast jeden Arbeitsplatz - Office, E-Mail - mehr als 3000 Spezialapplikationen, darunter viele sehr komplexe Produkte für diverse Ingenieurstätigkeiten, benötigt werden. Und die sollen künftig allesamt von HP verwaltet, paketiert und auf die PCs der Daimler-Chrysler-Mitarbeiter gespielt werden. Dieser Punkt ist aus offenkundigen Gründen besonders kritisch: Damit die IT wie geplant zur "Commodity" für die Kunden im Konzern werden kann - hoch standardisiert, kostengünstig, sofort verfügbar und zuverlässig -, kann man sich im Distributionskanal keinen Stau leisten.

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