Agilitäts-Hype? Cool bleiben!
Agile ist nicht immer eine Lösung
Daniela Kudernatsch ist Inhaberin der Unternehmensberatung Kudernatsch Consulting & Solutions. Sie ist Autorin des Buchs "Hoshin Kanri - Unternehmensweite Strategieumsetzung mit Lean-Management-Tools".
- Die wichtigsten agilen Prinzipien sind nicht neu, sie finden sich in Ansätzen wie KVP, TQM, Six Sigma, Lean Management oder Kaizen wieder
- Agile Evangelisten behandeln erfahrene Team- und Projektmitarbeiter oft wie Deppen - das ist kontraproduktiv
- Bei der agilen Skaierung ist es wichtig, differenziert vorzugehen und sich alle Bereiche genau anzusehen
In der Management- und Beraterszene wird unter dem Stichwort "agileagile Skalierung" lebhaft darüber diskutiert, inwieweit sich agile Arbeitsweisen und -methoden aus der Softwareentwicklung auf andere Tätigkeitsfelder oder ganze Unternehmen übertragen lassen. Die Betriebe versprechen sich davon, schneller auf Marktveränderungen reagieren zu können. Schließlich agieren sie in einer VUKA-Welt (VUKA = Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität), in der unvorhersehbare Ereignisse wie der Brexit, der Handelskrieg zwischen den USA und China oder das Aufkommen neuer Kryptowährungen wie "Libra" von Facebook alle Planungen schnell zunichtemachen können. Alles zu Agile auf CIO.de
Auch die Beraterbranche ist an flächendeckender Agilität interessiert, weil sie sich davon Geschäfte verspricht. Immer wieder betonen die Evangelisten einer Agile-Skalierung, dass ein radikaler Wandel der Kultur in den Unternehmen und ein neuer Geist unter den Mitarbeitern Voraussetzung für Fortschritte in der Fläche sei. Eine unternehmensweite Einführung ist also ein gewaltiges Change- beziehungsweise Transformationsprojekt.
Die wichtigsten Agile-Prinzipien
Dennoch muss die Frage gestellt werden, ob das Übertragen agiler Methoden und Arbeitsweisen auf die ganze oder auf weite Teile der Organisation überhaupt möglich und sinnvoll ist. Um diese Frage zu beantworten, sollten wir uns vor Augen führen, was die zentralen Elemente beziehungsweise Prinzipien der agilen Methoden sind:
eine konsequente Ausrichtung der Projekt- und Alltagsarbeit auf die Bedürfnisse der Kunden;
die weitgehende Übertragung der Entscheidungsbefugnisse auf Mitarbeiter beziehungsweise interdisziplinäre Teams, so dass diese eigenverantwortlich handeln können. Entsprechend muss die Führung organisiert sein;
eine bereichs- und funktionsübergreifende Zusammenarbeit in Scrum- oder Entwicklerteams, in denen alle nötigen Kompetenzen und Bereiche vertreten sind, um das übergeordnete Ziel zu erreichen;
eine inkrementelle Arbeitsweise, bei der größere und komplexere Vorhaben, geleitet von einer Vision, nicht vorab im Detail, sondern schrittweise in Sprints geplant werden. An den Kunden werden dabei im Projektverlauf regelmäßig sogenannte Inkremente, also (Teil-)Lösungen, ausgeliefert. Er kann sie nutzen und ein Feedback dazu geben;
ein iteratives Vorgehen, bei dem in den Gesamtprozess immer wieder Reflexionsschleifen eingebaut sind, um aus den gewonnenen Erfahrungen sowie aus neuen Informationen Schlüsse für das weitere Vorgehen zu ziehen.
Agile Methoden - in neuen Schläuchen
Sind diese Prinzipien der agilen Arbeitsweise beziehungsweise des agilen Projektmanagements wirklich neu? Nein. Beispielsweise wird die konsequente Ausrichtung der Projekt- und Alltagsarbeit auf die Bedürfnisse der Kunden in allen Managementsystemen propagiert, die in den letzten Jahrzehnten en vogue waren - unabhängig davon, ob diese Kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP), Total Quality Management (TQM), Kaizen, Six Sigma oder Lean Management hießen. Ob der Anspruch dann im Betriebsalltag eingelöst wurde, ist allerdings eine andere Frage.
Ähnlich verhält es sich mit der Übertragung der relevanten Entscheidungsbefugnisse auf Mitarbeiter und Teams, so dass diese im Arbeitsalltag selbstbestimmt und eigenverantwortlich handeln können. Auch das verlangen alle vorgenannten Managementsysteme ausdrücklich. Dasselbe gilt für die Forderung, die Führung müsse sich ändern, Verantwortliche müssten sich als Coaches oder Enabler verstehen. Viele Unternehmen haben hier schon vor Jahren umfangreiche Initiativen ergriffen - auch wenn diese sicher nicht immer Früchte trugen.
- Studie von Crisp Research über die Digital Leader
Führungskräfte unterschiedlicher Branchen und Betriebsrößen sind sich nicht einig darüber, was der digitale Wandel für ihr Unternehmen bedeutet. Eine Marktanalyse zeigt, dass nicht nur diese Einschätzungen divergieren, sondern auch die Zuständigkeiten unklar sind. - Stichprobe: Unternehmensdaten
Bei der Untersuchung wurde eine Stichprobe von 503 Business- und IT-Entscheidern ausgewertet. Die untersuchten Unternehmen verteilen sich auf neun Branchen ... - Wie viele Mitarbeiter sind in IhremUnternehmen beschäftigt?
... und vier Größenklassen. - In welchem Land befindet sich der Hauptsitz des Unternehmens?
Die Studie konzentriert sich auf den deutschsprachigen Raum, das heißt Deutschland, Österreich und Schweiz (DACH). - Wie alt ist die Belegschaft Ihres Unternehmens im Durchschnitt?
Zuletzt wurde das durchschnittliche Alter der Mitarbeiter erfragt. - In welchem Unternehmensbereich sind Sieverantwortlich tätig?
Die in der Studie befragten Teilnehmer wurden in die beiden Gruppen IT- sowie Business-Entscheider aufgeteilt. - Profil der befragten Entscheider
- Inwieweit stimmen Sie folgenden Aussagen zu?
- Wie stark ist Ihr Unternehmen von der Digitalen Transformation betroffen?
- Wo hat die Digitale Transformation in Ihrem Unternehmen den stärksten Einfluss?
- Wie schätzen Sie die digitale Kompetenz der Mitarbeiter im Unternehmen ein?
- Welche Projekte bzw. Maßnahmen im Kontext der Digitalen Transformation setzt Ihr Unternehmen derzeit um?
- Welche Initiativen sind notwendig, um Ihr Unternehmen fit für die Digitale Transformation zu machen? Welche wurdenbereits umgesetzt?
- In welche Projekte bzw. Maßnahmen im Kontext der Digitalen Transformation sind Sie in Ihrem Unternehmen eingebunden?
- Welche Funktionen sollte eine gute Führungspersönlichkeit im digitalen Zeitalter erfüllen?
- Welche Eigenschaften zeichnen eine gute Führungspersönlichkeit im digitalen Zeitalter aus? Der Digital Leader…
- Auf welchen Veranstaltungen und Konferenzen treffen sich die “Digital Leader”? Wie ist Ihre Einschätzung:
- Digital Leaders – Leadership im digitalen Zeitalter
Die Auswertung des Reifegradmodells im Kontext Digital Leadership zeigt deutlich, dass die Führungskräfte der großen Unternehmen innerhalb der DACH-Region nur selten das Zeug zur digitalen Führungsrolle haben. - Wie wird die Digitale Transformation die Entwicklung Ihrer Karriere bzw. Ihrer unternehmensinternen Aufgabenbeeinflussen?
- In welchen der folgenden Tätigkeitsbereiche profitierenSie persönlich von der Digitalen Transformation in Ihrem Unternehmen?
- Mit welchen neuen Technologien beschäftigen Sie sich beruflich oder privat?
- In welchen der folgenden Bereiche bauen Sie Ihre eigenen digitalen Skills aus?
- Wie schätzen Sie Ihre eigene digitale Kompetenz ein?
- Welche Stakeholder sind für Sie die wichtigsten Wissens und Sparringspartner, um die Digitale Transformation im eigenen Unternehmen voranzutreiben?
- Wer fördert bzw. bremst die neuen digitalen Skills bzw. “Digital Leaders” im Unternehmen?
- Wo sind die größten digitalen Skills bzw. die meisten Digital Leader vorhanden?
Zerrbilder von Führung wirken kontraproduktiv
Es kann nicht schaden, diese Historie vor Augen zu haben, wenn es um agile Skalierung in größeren, gewachsenen Organisationen geht. Wenn die Evangelisten immer wieder betonen: "Der Mindset muss sich grundsätzlich ändern", dann malen sie oft ein Zerrbild eines Führungsstils an die Wand, das rein auf dem Befehl-Gehorsam-Prinzip basiert. Das birgt die Gefahr, dass die Adressaten denken: "Was soll der Quatsch? Das entspricht überhaupt nicht unserer betrieblichen Realität."
Die Kritik erfolgt zu Recht. Ein solch rigider Führungsstil mag in untergeordneten Bereichen noch vorkommen, aber in den Kernfunktionen der Unternehmen ist das längst nicht mehr der Fall. Ansonsten könnten diese Bereiche, die meist im Team komplexe Problemlösungen für externe oder interne Kunden entwerfen, ihre Leistung niemals erbringen.
Wer immer wieder den vermeintlich falschen Mindset beklagt, diskreditiert auch die Leistung der Mitarbeiter, die oft schon viel Veränderungsfähigkeit und -bereitschaft bewiesen haben. Außerdem entsteht der Eindruck, es liege allein am Methodenbaukasten, weshalb Führungskräfte auf der unteren und mittleren Ebene zuweilen ein autoritäres Verhalten an den Tag legen. Tatsächlich sind diese mittleren Manager meist keine autoritären Charaktere, sie stehen in ihrer Sandwich-Rolle schlicht unter einem (zu) hohen Leistung- und Erfolgszwang durch Druck von oben und unten. Oder sie haben ein Kompetenzdefizit im Bereich Führung.