Freizeit-Studie
Alle sind im Internet, aber nur die Hälfte hat Spaß
In ihrer Freizeit tummeln sich die Bundesbürger nach einer neuen Umfrage besonders häufig im Internet. Aber längst nicht alle können das genießen. Das Fernsehen sei nach wie vor sehr beliebt, aber das Internet sei das neue Leitmedium, sagte der wissenschaftliche Leiter der Hamburger BAT-Stiftung für Zukunftsfragen, Prof. Ulrich Reinhardt, am Donnerstag bei der Vorstellung des "Freizeit-Monitors 2021". Nach einer repräsentativen Umfrage des Instituts GfK (Gesellschaft für Konsumforschung) im Auftrag der Stiftung nutzen 97 Prozent der Befragten mindestens einmal pro Woche das Internet. Dabei gibt es praktisch keine Unterschiede zwischen den Altersgruppen.
Ganz oben stehen neben dem Fernsehen auch die Computernutzung, das Musikhören sowie das E-Mail-Lesen und -Schreiben. "Die freie Zeit verbringen die Bundesbürger zu Hause", erklärte Reinhardt. Die beliebteste Aktivität außer Haus ist der Umfrage zufolge das Spazierengehen, das mit 55 Prozent aber erst auf Platz 17 von 100 genannten Aktivitäten steht.
"Wenn wir über Freizeitaktivitäten sprechen, stellen wir fest, dass die meisten Freizeitbeschäftigungen mittlerweile Freizeitpassivitäten sind", fasste Reinhardt zusammen. Die Corona-Pandemie habe diesen Trend verstärkt. "Aber es ist sicherlich auch in den Jahren davor schon so gewesen, dass wir uns lange Zeit um das virtuelle Lagerfeuer vor dem Fernseher eingefunden haben."
Die Natur habe für die Deutschen jedoch an Bedeutung gewonnen. Sie gelte als Ausgleich für die fortschreitende Technisierung des Lebens. Zudem werde sie wegen eines stärkeren Bewusstseins für den Klimawandel mehr geschätzt, meinte der Stiftungsleiter. Vor allem Frauen, Landbewohner, Paare und formal höher Gebildete liebten Spaziergänge und seien im Garten aktiv.
Ein Vergleich der aktuellen Umfrageergebnisse mit denen von 2019 macht den Wandel in der Corona-Zeit deutlich: Filme streamen, einen PC oder Laptop nutzen oder Videospiele spielen haben an Beliebtheit um jeweils rund 20 Prozentpunkte zugenommen. In gleicher Größenordnung verloren haben das Telefonieren und das Zeitunglesen.
Den stärksten Rückgang stellte die Stiftung beim Punkt "Sich in Ruhe pflegen" fest, der um 25 Prozentpunkte weniger als Freizeitaktivität genannt wurde. Das sei auf den ersten Blick überraschend, meinte Reinhardt. "Man könnte denken, wir haben mehr Zeit, sind mehr zu Hause, nutzen die Zeit, um uns häufiger in die Badewanne zu legen oder es uns gut gehen zu lassen." Die Forschung zeige jedoch, dass durch Homeoffice und weniger außerhäusliche Angebote der Stresslevel gesunken sei.
Auch die Notwendigkeit, sich zu pflegen, werde nicht mehr so gesehen. "Man muss eben nicht mehr jeden Morgen ausgeschlafen, frisch rasiert, frisch frisiert in den Büros sein, sondern man kann das zu Hause etwas anders gestalten."
Einige Aktivitäten, die vor einem Jahr noch als Corona-typisch galten, sind laut "Freizeit-Monitor" wieder auf dem Rückzug. Dazu gehören die Teilnahme an virtuellen Events, Autokino-Besuche, Heimwerken und alte Hobbys. Zu den Corona-typischen Beschäftigungen, denen nach wie vor auffällig häufiger nachgegangen werde als vor der Pandemie, zählte Reinhardt: "Streamen, Werkeln, bisschen böse ausgedrückt: Wollmäuse jagen, also noch mal zu Hause was tun."
Der Forscher betonte, dass eine häufig betriebene Freizeitbeschäftigung nicht unbedingt Spaß machen müsse. Internet, das Fernsehprogramm sowie die PC- oder Handynutzung seien tatsächlich nur für jeden Zweiten eine Freude. Bei den häufigsten Freizeitbeschäftigungen schneide lediglich das Musikhören gut ab und werde von annähernd zwei Dritteln mit Spaß gleichgesetzt. Am meisten Freude bereiteten den Deutschen die Zeit mit dem Partner, Sex und Aufenthalte in der Natur.
Im langjährigen Vergleich sei der Spaßfaktor bei vielen Aktivitäten deutlich rückläufig. Innerhalb einer Generation sei vielen die Freude am Theaterbesuch (minus 44 Prozentpunkte im Vergleich zu 1986), Tanzengehen (minus 42 ProzentpunktFe) sowie Sporttreiben (minus 40 Prozentpunkte) vergangen. "Eine Vielzahl von Freizeitbeschäftigungen werden aus Gewohnheit, Pflichtgefühl oder Langeweile ausgeübt, wodurch die Freude, der Erlebnischarakter, die Zufriedenheit und das Wohlgefühl verloren gehen", sagte Reinhardt.
Nach Angaben der Stiftung wurden für die Studie über 3.000 Personen im Alter von 18 bis 74 Jahren repräsentativ zu ihrem Freizeitverhalten sowie zu den Sonderthemen "Freizeit in Coronazeiten" und "Was in der Freizeit Spaß macht" befragt. Die Online-Befragung wurde im August 2021 vom Nürnberger Institut GfK (Gesellschaft für Konsumforschung) durchgeführt. Die Frage lautete: Welche Aktivität üben Sie in ihrer Freizeit regelmäßig (mind. einmal pro Woche) aus? -Geben Sie bitte für jede der genannten Aktivitäten an, ob Ihnen diese gar keine/ etwas/ oder viel Freude gemacht hat. (dpa/rw)