Strategien


Dienste aus dem Netz

Alte Werkzeuge für neue Geschäfte

Während Marktforscher für Web-Services große Zukunftschancen sehen, halten sich die Praktiker in den Unternehmen noch zurück. Viele investieren zwar in hausinterne Lösungen, doch oft fehlen noch geeignete Geschäftsmodelle.

Die Alte Leipziger Versicherung ist etwas Besonderes: Nicht eigene Berater, sondern freie Makler gewinnen vier von fünf Neukunden im Auftrag des Versicherers aus Oberursel - weit mehr als beim Marktführer Allianz oder bei Axa. Doch der Versicherer steckt in einem Dilemma: Hohe Provisionen sind das wichtigste Argument dafür, dass die freien Makler mit der Alten Leipziger zusammenarbeiten; ansonsten unterscheidet sich das Unternehmen nicht sehr von den Wettbewerbern. Aus diesem Grund möchte Arno Schott, Zentralbereichsleiter Anwendungsservices, der Konkurrenz jetzt mit einem neuen Geschäftsprozessmodell enteilen und seine Versicherung für die Makler noch attraktiver machen.

Arno Schott, Zentralbereichsleiter Alte Leipziger Versicherung: "Wichtigster technischer Standard ist XML als einheitliche Sprache für die Datenbeschreibung."

Hubert Österle, Institut für Informationsmanagement, Universität Sankt Gallen: "Die Integration von Web-Service-Funktionalitäten setzt ausführliche Tests voraus."

Die Hoffnung ruht auf Web-Services - Diensten also, die über das Internet eine einfache Integration von Anwendungen und Systemen ermöglichen sollen. Makler und Generalagenten, so der Wirtschaftsmathematiker, würden bereits heute in den elektronischen Akten ihrer Kunden stöbern. Ab Anfang kommenden Jahres sollen dann auch Daten für Neuabschlüsse aus der maklereigenen Software direkt ins System der Alten Leipziger einfließen können.

Das reicht allerdings noch nicht an das heran, was die Evangelisten der Web-Service-Technologie versprechen: Während Software-Komponenten in der Regel individuell angepasst und eingesetzt werden, sollen Web-Services ohne Aufwand recycelbar sein. Wie Lego-Steine in einem Baukasten, so die Idee, werden sie im Internet liegen und für die eigenen Zwecke in die IT-Architektur eingebaut werden können. Unternehmensgrenzen würden dabei keine Rolle mehr spielen. Es gäbe eine zentrale Verwaltung im Internet, einheitliche Schnittstellen und Übertragungsprotokolle. Anpassungen an die jeweilige IT-Architektur wären unnötig; das würden Standards und Protokolle regeln, auf die sich Web-Service-Anbieter wie Bea, IBMIBM, MicrosoftMicrosoft und Sun einigen müssten. Der Dienst ließe sich dann wie ein Computerspiel aus dem Netz laden und nutzen - per Plug and Play. Alles zu IBM auf CIO.de Alles zu Microsoft auf CIO.de

Konkrete Bedürfnisse wichtiger als Technik

Von dieser Vision ist in den Unternehmen bisher kaum etwas zu erkennen: "Viele Anwender hatten zu hohe Erwartungen an Web-Services", so Wolfgang Beinhauer aus dem Competence Center Software-Technik des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation. Sein Rat: "Sie sollten sich zunächst fragen, welches Ihre konkreten Bedürfnisse sind, und nicht, was technisch möglich ist."

Denn gerade auf der Technikseite gibt es noch viel zu tun. Von Plug and Play etwa dürfe man erst sprechen, wenn ohne größeren Entwicklungs- und Abstimmungsaufwand komplexe Anwendungen aus Applikationen zusammengestellt werden können, meint auch Hubert Österle, Direktor des Instituts für Informationsmanagement der Schweizer Universität Sankt Gallen. "Die Nutzung und Integration dieser Web-Service-Funktionalitäten setzt ausführliche Tests voraus; Schnittstellenbeschreibungen allein helfen da nicht", so der Gründer des IT-Beratungsunternehmens Information Management Group (IMG).

Technologisch sind Web-Services nichts Neues: "Sie stehen in der Tradition heterogener, verteilter Systeme", sagt Volker Gruhn, Inhaber des Lehrstuhls für Angewandte Telematik/E-Business an der Universität Leipzig. "Interface Definition Languages gab es schon in der Vergangenheit." Architekturmodelle wie Corba (Common Object Request Broker Architecture), Microsofts DCOM (Distributed Component Object Model) und die Java-Komponenten EJB (Enterprise Java Beans) hätten bereits als Basis für Objekte oder Programme dienen können, in denen Informationen unabhängig von der Programmiersprache nutzbar sind.

Milind Govekar, Analyst beim US-amerikanischen Marktforschungsinstitut Gartner, ist in Sachen WebServices ebenfalls skeptisch. Egal, ob die neuen Dienste auf der Grundlage von Microsofts ".net"-Technologie oder - etwa mit dem Weblogic-Server von Bea Systems oder IBMs Websphere - auf Java-Basis aufgesetzt würden: "Für jeden Web-Service müssen derzeit noch mehr als 100 Verknüpfungspunkte geschaffen werden", so Govekar. "Plug and Play heißt derzeit eher noch Plug and Pray."

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