Public IT


Bundesagentur für Arbeit

BA macht Druck in Sachen Cloud-Nutzung

03.05.2023
Karen Funk ist freie IT-Fachjournalistin und Autorin. Bis Mai 2024 war sie Redakteurin beim CIO-Magazin und der COMPUTERWOCHE (von Foundry/IDG). Zudem leitete sie 17 Jahre lang den renommierten IT-Wettbewerb CIO des Jahres. Funk setzt sich seit vielen Jahren für mehr Frauen in der IT und für digitale Bildung ein. 2024 erschien ihr Buch "Hack the world a better place: So gestalten Unternehmen die Zukunft", das sie mit Julia Freudenberg, Geschäftsführerin der Hacker School, zum Thema Corporate Volunteering geschrieben hat.
Droht uns ohne Cloud Computing eine IT aus dem Technikmuseum? BA-Chefin Andrea Nahles und CIO Markus Schmitz diskutierten mit Vertretern aus Politik und Wirtschaft in Berlin.
Andrea Nahles (links), Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, lud zur Diskussionsrunde "Let's get cloud" Ende April 2023 nach Berlin.
Andrea Nahles (links), Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, lud zur Diskussionsrunde "Let's get cloud" Ende April 2023 nach Berlin.

"BA auch am Wochenende erreichbar" oder "Kundinnen und Kunden der BA total überrascht: Aufträge werden schnell bearbeitet!" sind die Schlagzeilen, die Andrea Nahles, Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit (BA), gerne lesen würde. Das verriet sie zum Auftakt der Diskussionsrunde "Let's get cloudcloud!" Ende April im Telefonica-Basecamp in Berlin, zu der sie zusammen mit ihrem CIO Markus Schmitz Vertreter aus öffentlicher Verwaltung und Wirtschaft geladen hatte. Alles zu Cloud Computing auf CIO.de

Bis derartige Schlagzeilen in den Medien erscheinen, wird allerdings noch viel Zeit vergehen. Denn die IT der öffentlichen Verwaltung hänge der technischen Entwicklung und der Erwartung der Bürgerinnen und Bürger massiv hinterher, bedauert Nahles. "Menschen erleben Staat ganz konkret", so die BA-Chefin. Sie seien an Fortschritt gewöhnt, und dass sich Aufgaben per Klick erledigen lassen: "Und dann kommen wir als Papiertiger!"

Bei bei der Diskussionsrunde ging es ihr und ihrem Team vor allem darum, Druck auf das Thema Cloud-Nutzung im Public SectorPublic Sector zu machen. Der IT-Markt entwickle sich immer weiter hin zur Nutzung von externen Cloud-Diensten. Bestimmte IT-Anwendungen würden heute und auch in Zukunft nur noch in der Cloud angeboten. Ohne diese Services werde der Staat die Herausforderungen der Zukunft nicht bewältigen - nämlich eine moderne, digitalisierte und sichere Verwaltung zu gewährleisten. Alles zu Public IT auf CIO.de

"Die Technik ist da. Die Zeit ist reif. Aber wir dürfen nicht", bringt Nahles die Problematik auf den Punkt. Denn es fehlten die gesetzlichen Rahmenbedingungen. Der öffentlichen Verwaltung müsse es möglich sein, externe Cloud-Services zu nutzen, und zwar schnell. Andernfalls drohe "eine IT aus dem Technikmuseum" - so auch der Untertitel der Veranstaltung. Die BA-Chefin glaubt, dass die Dringlichkeit der Regulatorik nicht bekannt sei: "Deshalb treffen wir uns heute!"

Die IT-Hersteller müssen mithelfen

Gleichzeitig appellierte sie auch an die IndustrieIndustrie, an der Zusammenarbeit mit der öffentlichen Verwaltung dranzubleiben und in Entwicklungen für den Public Sector zu investieren. Auf dem Podium diskutierten daher neben Schmitz, dem Bundes-CIO Markus Richter und Stephan Fasshauer, Direktor der Deutschen Rentenversicherung, auch Marianne Janik, CEO von Microsoft Deutschland, sowie Christian MüllerChristian Müller, CIO der Schwarz-GruppeSchwarz-Gruppe und Geschäftsführer von Stack IT. Top-500-Firmenprofil für Schwarz-Gruppe Profil von Christian Müller im CIO-Netzwerk Top-Firmen der Branche Industrie

Auf der "Let's get cloud"-Veranstaltung diskutierten (von links): Markus Schmitz (CIO der Bundesagentur für Arbeit), Christian Müller (CIO der Schwarz-Gruppe), Marianne Janik (CEO von Microsoft Deutschland), Markus Richter (Bundes-CIO) und Stephan Fasshauer (Direktor der Deutschen Rentenversicherung).
Auf der "Let's get cloud"-Veranstaltung diskutierten (von links): Markus Schmitz (CIO der Bundesagentur für Arbeit), Christian Müller (CIO der Schwarz-Gruppe), Marianne Janik (CEO von Microsoft Deutschland), Markus Richter (Bundes-CIO) und Stephan Fasshauer (Direktor der Deutschen Rentenversicherung).

BA-CIO Schmitz und Fasshauer von der Rentenversicherung machten ebenfalls auf die Dringlichkeit der Situation aufmerksam. So müsse man etwa für Softwareprodukte, die von den Anbietern demnächst komplett in die Cloud umgezogen werden und für die die Wartung auslaufe, schnellstmöglich Lösungen finden. Als Beispiel nannte Schmitz unter anderem "Skype for Business": Da es der Arbeitsagentur vom Gesetzgeber untersagt sei, das modernere "Microsoft Teams" zu verwenden, sei man auf die Nutzung dieser veralteten Technologie angewiesen, die noch dazu in Kürze von Microsoft abgeschaltet werde.

Keine Rohrpostsysteme mehr!

Die öffentliche Verwaltung müsse daher Zugriff auf moderne, innovative Services erhalten, sonst könne man bald keine datenschutzkonformen Dienstleistungen mehr anbieten. Technisch sei die BA dazu bereit, denn für viele Szenarien habe man bereits Machbarkeitsstudien durchgeführt. Schmitz: "Wir wollen nicht länger auf dem Trainingsplatz sein" und "ich will auch keine Rohrpostsysteme mehr bestellen".

Fasshauer brachte auch das Thema demografischer Wandel ins Spiel: "Wir haben auch bald einen Personalmangel, daher müssen wir digitalisieren", bekräftigte er. Aber nicht nur, um sinnvoll automatisieren zu können, brauche man die Cloud, sondern: "Wir verlieren an Akzeptanz, wenn wir nicht in die Cloud gehen."

Bundes-CIO sieht keine Show-Stopper

Damit war der Ball bei Markus Richter. Der Bundes-CIO wies darauf hin, dass man bei den nötigen politischen Entscheidungen ja nicht allein sei - sowohl in Deutschland durch die föderalistische Struktur, aber auch innerhalb Europas. Er sei sich der Dringlichkeit, die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, dennoch bewusst: "Wir haben einen großen Druck, denn unsere klassischen Rechenzentrumssysteme sind der Entwicklung nicht gewachsen."

Richter betonte, dass die Verabschiedung der "Deutschen Verwaltungs-Cloud-Strategie" ein Meilenstein sei und er sich freue, dass man hier mit einer Stimme spreche. Was die Umsetzung anbelangt - etwa das Schaffen gemeinsamer Standards, offener Schnittstellen und konkreter Rahmenverträge - sei man in intensiven Verhandlungen. Er sehe derzeit keine Show-Stopper und sei zuversichtlich, dass man bald zum Abschluss kommen werde. Allerdings werde das in diesem Jahr wohl nicht mehr gelingen, dafür aber im kommenden.

Auch die Juristen müssen sich bewegen

Nicht nur die öffentliche Hand hat Schwierigkeiten, mit der technologischen Entwicklung Schritt zu halten. Auch für Unternehmen ist es eine Herausforderung, berichtete Schwarz-CIO Müller: "Hardware kann man tauschen, aber Cloud nicht." Auch Microsoft-Chefin Janik bestätigte, dass ihr Konzern eine gewisse Reise in die Cloud hinter sich habe: "Wir sind ja auch nicht in der Cloud geboren."

Sie hob hervor, dass es bei der Cloud-Thematik nicht nur um technische Aspekte, sondern vor allem auch um operative und juristische gehe. Generell wünscht sie sich mehr Beurteilungs- und damit mehr Entscheidungskompetenz in der öffentlichen Verwaltung. Als Juristin legte sie gerade ihrer Zunft ans Herz, sich mehr Know-how außerhalb des eigenen Fachgebiets anzueignen: "Juristen müssen mehr Technik verstehen, um Risikobewertungen machen zu können. Wir müssen uns besser auskennen, sonst kommen wir gemeinsam nicht weiter." Am Ende könne man den IT-Planungsrat vielleicht auch in IT-Umsetzungsrat umbenennen.

Alles auf einen Blick: Die Ergebnisse des Diskussionsabends fasste die Graphic Recorderin Lorna Schütte kongenial in einem Big Picture zusammen.
Alles auf einen Blick: Die Ergebnisse des Diskussionsabends fasste die Graphic Recorderin Lorna Schütte kongenial in einem Big Picture zusammen.

Der Weg der Schwarz-Gruppe in die Cloud

Vertrauenswürdige und sichere Cloud-Services seien das eine, das andere sei die Souveränität, erklärte Müller. Seit 2018 habe sein Arbeitgeber, der größte europäische Handelskonzern, intensiv nach passenden Cloud-Anbietern in Europa gesucht und keine gefunden. Daher entwickelte die Schwarz-Gruppe - wie einst Amazon - ihre eigene Cloud-Lösung.

"Wir wollen nicht, dass unsere Kassen nicht gehen", erläuterte er die Gründe. 100-prozentige Verfügbarkeit der Systeme sei dem Konzern, zu dem unter anderem Lidl und Kaufland gehören, enorm wichtig. Gerade in Corona-Zeiten habe man schlechte Erfahrungen mit extern gehosteten Anwendungen gemacht. Seit über einem Jahr nutzt die Schwarz-Gruppe jetzt die eigene Cloud-Lösung - die wie die Digitaltochter Stack IT "Stackit" genannt wird - und bietet diese als Public-Cloud-Lösung auch mittelständischen Unternehmen und Startups an.

Mehr Mut und einfach mal machen

Der Ansatz, "einfach machen", habe sich bewährt, sagte Müller, und rät das auch der Politik. Renten-Chef Fasshauer forderte: "Mehr Mut! Das würde ich mir wünschen." Mit Blick auf die Corona-Pandemie, die in Sachen Digitalisierung vielerorts einen Schub gebracht hat, ergänzte BA-CIO Schmitz: "Ich möchte aber auch Probleme lösen, wenn wir keine Krise haben." Der IT-Chef warnte noch einmal eindringlich, dass es sich beim Thema Cloud um einen Marathon handle. Aktuell sei man noch einmal über die erste Meile hinaus.

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