Healthcare IT


Wissensmanagement

Bionorica teilt das Wissen der IT-Abteilung mit jedem Mitarbeiter

Michael Schweizer ist freier Autor in München.
Anzeige  Beim Arzneimittelhersteller Bionorica hat IT-Chef Christian Kunzelmann ein Wissensmanagement eingeführt. Das System bewährt sich so gut, dass es auch im Rohstoffeinkauf und in der Personalabteilung ausgerollt werden soll.

Gleich zu Beginn ihrer Arbeit sah sich die neue Kollegin in der Bionorica-IT einer diffizilen IT-Aufgabe gegenüber. Ihr Vorgesetzter fragte sich, ob er ihr das schon zumuten könne. "Ich weiß gar nicht, wo das Problem ist", entgegnete die Neue, sie habe doch alles Nötige längst im Wissensmanagementsystem gefunden.

So ungefähr hatte es sich IT-Chef Christian Kunzelmann vorgestellt, als er vor zwei Jahren anfing, das Wissen der gesamten IT-Abteilung jedem einzelnen ihrer Mitarbeiter zugänglich zu machen. Dem Projekt gingen "schmerzhafte Hürden" voraus, erinnert er sich. Weil zum Beispiel im SAP-Team der Bionorica-IT zwei freie Stellen nicht extern besetzt werden konnten, wechselten zwei Kollegen aus dem Infrastrukturteam dorthin. Wenig später fielen zwei weitere Infrastrukturspezialisten für längere Zeit aus, so dass dieses Team auf die Hälfte geschrumpft war. Mit den Kollegen fehlten wichtige Teile ihres Wissens.

Damals lernte Kunzelmann auf einem Innovation Day Christian Graubner kennen, den Geschäftsführer von 3 Perspektiven. Dieses Eisenacher Unternehmen hat sich auf Wissensmanagement konzentriert, und Bionorica wurde zum Pilotanwender. 3 Perspektiven interviewte die IT-Mitarbeiter von Bionorica einzeln und in Gruppen über 1146 wiederkehrende IT-Tätigkeiten.

Die Gespräche wurden mit der Software MindManager digitalisiert und per Videorecorder aufgezeichnet. Alle 1146 Tätigkeiten dokumentierte 3 Perspektiven nach einem Schema, das fünf Hauptrubriken wie "Responsible Person/Verantwortlicher Mitarbeiter", "Überblick" und "Fehlerlösung bei unbekannten Fehlern" enthält. Zur Feingliederung gibt es Unterrubriken wie "Workflows", "Kurzbeschreibung" und "Ansprechpartner".

Auf das Wissen von Kollegen zugreifen

Kunzelmann und andere IT-Leute von Bionorica überprüften die Dokumentationen. Danach wurden sie freigeschaltet: Über eine Suchfunktion, die im Moment verfeinert wird, konnten zunächst die 18 IT-Mitarbeiter im Stammsitz in Neumarkt/Oberpfalz auf das im SharePoint-Wiki gespeicherte Wissen ihrer Kollegen zugreifen. Mittlerweile nutzen auch die IT-Mitarbeiter in Russland, Polen, der Ukraine und Österreich das System.

Jeder IT-Mitarbeiter soll wiederkehrende Tätigkeiten, die ihm noch nicht vertraut sind, im SharePoint-Wiki finden und sich selbst beibringen beziehungsweise vom spezialisierten Kollegen beibringen lassen können - dieses Hauptziel des Projekts sieht Kunzelmann voll erreicht: "In der Einarbeitung sind wir extrem weitergekommen." Viel ehemaliges Expertenwissen ist Allgemeingut geworden.

Zum Beleg nennt der Head of IT eine aktuelle Wochenzahl: Der Helpdesk hat elf Anfragen an den Second- und Third-Level-Support weitergegeben. Vor einem Jahr waren es in der Regel um die 50. Was dazwischen liegt, löst der Helpdesk nun selbst. 85 dokumentierte Fehlerbehebungstätigkeiten konnten im Wissensmanagementsystem als "obsolet" klassifiziert werden, weil der Fehler dauerhaft behoben wurde, teils mit Hilfe von Lernvideos.

Über die Kachelnavigation gelangt der Nutzer in die einzelnen Themenschwerpunkte.
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Foto: Bionorica

Regelmäßige Aktualisierung ist Pflicht

Was das Schwierigste an dem Projekt war? Kunzelmann muss nicht überlegen: "Die Mitarbeiter zu überzeugen, dass Risiko und Nutzen in äußerst gutem Verhältnis stehen." Dass Mitarbeiter Wissen teilen, ist alles andere als selbstverständlich: Jeder hält es für günstig, wenn er etwas kann, was sonst keiner kann. Kunzelmann zieht aber ein sehr gutes Fazit seiner Überzeugungsarbeit: Die Nutzung des Wissensmanagementsystems sei "in Fleisch und Blut übergegangen". Die Qualität des Systems hängt davon ab, dass es laufend aktualisiert wird. Diese Pflicht wurde in die Zielvereinbarungen der IT-Mitarbeiter aufgenommen.

Bionorica hat in Europa, Amerika, Afrika und Asien zusammen etwa 1500 Mitarbeiter, die alle auch IT-Anwender sind. Sicher war es klug, mit dem IT-gestützten Wissensmanagement in der per definitionem IT-affinsten Abteilung zu beginnen. Das System eignet sich aber für wiederkehrende Tätigkeiten jeder Art. Hier kommt bei Bionorica Bernd Andörfer ins Spiel: Er arbeitet daran, das System auch im Rohstoffeinkauf einzuführen, benutzen werden es dann die Mitarbeiter der Einkaufs- und Beschaffungsabteilung. Die betreiben ein sensibles Geschäft, denn die Heilpflanzen, aus denen Bionorica-Arzneimittel wie Sinupret und Bronchipret bestehen, müssen teilweise fünf Jahre im Voraus gekauft werden. Als Nächstes könnte das IT-gestützte Wissensmanagement in der Personalabteilung ankommen. Und ginge das auch in der Forschung, ohne die die internationale Expansion Bionoricas nicht möglich gewesen wäre? Andörfer: "Ja, davon bin ich überzeugt."

Projektsteckbrief

Name des Projekts: Aufbau und Implementierung eines internationalen IT-Wissensmanagementsystems.

Projektart: Dokumentation und Bereitstellung wiederkehrender Tätigkeiten.

Branche: Pharma.

Zeitrahmen: Juli 2014 bis März 2015.

Umfang: 18 IT-Mitarbeiter in Deutschland.

Stand heute: Läuft produktiv, ausgedehnt auf vier weitere Länder.

Aufwand: 35 Projektmitarbeiter.

Produkte: Mindjet MindManager, Microsoft SharePoint 2013 und

Dienstleister: 3 Perspektiven.

Ergebnis: 1146 IT-Tätigkeiten dokumentiert und auffindbar gemacht, Helpdesk, kontinuierliche Verbesserung.

Herausforderung: Überzeugung der Mitarbeiter.

Nächster Schritt: IT-gestütztes Wissensmanagement im Rohstoffeinkauf.

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