Bundesnachrichtendienst
BND-Chef Schindler: "No risk, no fun."
Gerhard Schindler hatte einiges zu erklären, als sich die Türen zu dem abhörsicheren Raum im Keller des Berliner Jakob-Kaiser-Hauses schlossen. In der Datenaffäre rund um den US-Geheimdienst National SecuritySecurity Agency (NSA) waren in den vergangenen Tagen mehr und mehr Fragen zur Rolle des Bundesnachrichtendienstes (BND) und seines Präsidenten aufgetaucht. Alles zu Security auf CIO.de
Im Mittelpunkt stand zwar einmal mehr der für die Geheimdienstkoordination zuständige Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU). Von ihm erwarteten die Mitglieder des Bundestagsgremiums zur Geheimdienstkontrolle Antworten auf ihren 18 Seiten starken Fragenkatalog.
Doch die Abgeordneten dürfte auch interessiert haben, welchen Kurs der seit gut eineinhalb Jahren amtierende BND-Chef Schindler mit seiner Behörde fährt. Schon war zu lesen, intern werde ihm eine zu große Nähe zu den amerikanischen Partnerdiensten nachgesagt.
Am Montag überraschte die SPD zunächst mit dem Vorschlag, den früheren Kanzleramtschef und jetzigen SPD-Fraktionsvorsitzenden Frank-Walter Steinmeier vor dem Gremium direkt auf Pofalla antworten zu lassen. Allerdings lehnten die Koalitionsvertreter eine sofortige Aussage ab.
Steinmeier war in der vergangenen Woche in die Kritik geraten, weil er 2002 für die damalige rot-grüne Bundesregierung eine Grundsatzentscheidung zur Zusammenarbeit von BND und NSA getroffen haben soll. Die SPD hatte dies als Ablenkungsmanöver abgetan. Erkennbar ist ihr aber daran gelegen, die Vorwürfe im Wahlkampf so schnell wie möglich vom Tisch zu bekommen.
Pofalla seinerseits wollte im Parlamentarischen Kontrollgremium die Vorwürfe der Opposition entkräften, die Bundesregierung habe zu wenig gegen die Schnüffelei der Amerikaner in Deutschland getan. Dass die SPD, Grüne und Linke mit den Erklärungen Pofallas zufrieden sein würden, war kaum zu erwarten. Dabei hatte der BND in den vergangenen Tagen Details seiner Arbeit etwa mit dem von der NSA zur Verfügung gestellten Spähprogramm XKeyscore veröffentlicht und immer wieder betont, er halte sich strikt an Recht und Gesetz.
Erst am Wochenende waren neue Vorwürfe laut geworden: Hilft der BND mit der Weitergabe von Handynummern bei der gezielten Tötung von Terrorverdächtigen durch US-Drohnenangriffe? Zwar betonte der BND sofort, seit rund zehn Jahren gebe er solche Nummern ganz legal weiter, für Drohnenangriffe seien sie aber zu ungenau und damit untauglich. Doch dem "Spiegel" erklärten die Geheimen auch: "Die Hilfe bei der Orientierung für militärische Operationen kann nicht ausgeschlossen werden."
Die "Süddeutsche Zeitung" berichtete am Wochenende ausführlich unter Berufung auf nicht genannte BND-Mitarbeiter über interne Unzufriedenheit mit dem Kurs Schindlers. Der drahtige 60 Jahre alte Ex-Fallschirmjäger hatte kurz nach seiner Amtsübernahme Anfang 2012 mit den Worten "No risk, no fun" ("Ohne Risiko kein Spaß") für Schlagzeilen gesorgt. Dazu zählte auch die Forderung, seine Agenten müssten in Krisengebieten "die Ersten sein, die reingehen, und als Letzte wieder raus".
Zwar meinte Schindler später einmal, der "No-risk-no-fun"-Spruch sei etwas flapsig dahingesagt gewesen. Doch am Ziel, den Dienst nach Jahren der Lähmung durch verschiedenen Affären wieder schlagkräftiger zu machen, hielt er fest. Etwas risikoreicher dürften seine Leute schon arbeiten - klug, aber nicht wie Desperados - ist sein Credo.
Der BND-Präsident hielt seinen Dienst für überorganisiert. Er holzte im Dienstvorschriftenwald und machte beispielsweise Dienstreisen einfacher - so müssen BND-Agenten in Afghanistan mittlerweile kein Fahrtenbuch mehr führen.
Das Kanzleramt, dem der BND direkt unterstellt ist, hat sich in den vergangenen gut eineinhalb Jahren seit Amtsantritt Schindlers immer hinter den Anti-Terrorexperten an der Spitze der rund 6000 Auslandsagenten gestellt. Auch noch vergangene Woche galt in hohen Sicherheitskreisen die Einschätzung, Schindlers Stuhl wackele nicht. Im Kanzleramt dürfte man darauf vertrauen, dass Schindler sich als Jurist des Spagats zwischen Risiko und Rechtsauslegung bewusst ist. (dpa/rs)