E-Mails checken

Mitarbeiter immer häufiger im Urlaub erreichbar

05.07.2023
Von wegen Abschalten: 37 Prozent der deutschen Büroarbeiter sind einer aktuellen Umfrage zufolge auch im Sommerurlaub für den Job erreichbar. Nicht immer ist daran der Chef schuld.
Den Kindern zuschauen oder kurz dem Chef aushelfen? Für die meisten deutschen Büroangestellten ist die Antwort eindeutig und der Chef hat Vorrang.
Den Kindern zuschauen oder kurz dem Chef aushelfen? Für die meisten deutschen Büroangestellten ist die Antwort eindeutig und der Chef hat Vorrang.
Foto: ARIMAG - shutterstock.com

Sonne, Strand, die Kinder spielen im Wasser, das in den Urlaub mitgebrachte Buch ist angemessen leicht und trotzdem spannend. Tief durchatmen, die dringend benötigte Erholung setzt endlich ein. Gerade jetzt klingelt das Handy: Der Chef ist dran. Wo denn eigentlich die Kostenprognose für das laufende Projekt sei?

Was nach unerfreulichem Klischee klingt, ist für mehr als ein Drittel der Büroarbeiter in Deutschland ein realistisches Szenario: 37 Prozent der Büroangestellten, die einen Sommerurlaub machen, sagten in einer Umfrage von Yougov im Auftrag des Technologie-Unternehmens Slack, dass sie auch in dieser Zeit für den Arbeitgeber erreichbar seien. Das sind sechs Prozentpunkte mehr als bei einer vergleichbaren Umfrage vor einem Jahr.

73 Prozent checken täglich E-Mails

Der am häufigsten genannte Grund für die Erreichbarkeit ist allerdings nicht die Erwartungshaltung des Chefs oder der Chefin, sondern eigener Antrieb. Ihn nannten 80 Prozent der Erreichbaren in der Befragung als einen Grund für ihr Verhalten. Dahinter folgten wichtige Aufgaben und Projekte mit 76 Prozent und erst dann die Erwartungshaltung des Arbeitgebers.

Dabei sind 28 Prozent der Erreichbaren an jedem Tag des Urlaubs für die Chefetage und Kollegen zu sprechen. Weitere 12 Prozent an mehr als sieben Tagen. Die eigenen Mails checken die Erreichbaren sogar noch öfter: 73 Prozent tun dies mindestens täglich. Und selbst von jenen, die sagen, dass sie nicht erreichbar seien, schalten nicht alle komplett ab: So checken 16 Prozent noch mindestens täglich die dienstlichen E-MailsE-Mails. Alles zu Mail auf CIO.de

Was der Arbeitsrechtler sagt

Dabei müssen die Arbeitnehmer dies nicht, wie der Fachanwalt für Arbeitsrecht, Alexander Bredereck, sagt: "Eigentlich ist die Sache von der rechtlichen Seite her sehr einfach und klar: Urlaub ist arbeitsfrei", sagt er. "Ich bin nicht verpflichtet, im Urlaub irgendwelche Tätigkeiten zu verrichten, eine Telefonnummer zu hinterlassen, unter der ich erreichbar bin, oder meine Mails zu checken." Dies gelte auch für FührungskräfteFührungskräfte. Alles zu Personalführung auf CIO.de

Selbst wenn man freiwillig seine Telefonnummer hinterlasse und dann angerufen werde, sei man rechtlich nicht verpflichtet, im Urlaub zu arbeiten, erklärt der Anwalt. Wenn es allerdings um etwas gehe, das sich leicht machen lasse - beispielsweise die Weitergabe eines Passwortes - rät er dies zu tun, schon um Ärger zu vermeiden. Den Ratschlag sollte der Anwalt allerdings noch enmal überdenken: IT-Securiy-Spezialisten halten unkontrolliert weitergegebene und von mehreren Personen genutzte Passwörter für ein erhebliches Problem und raten zu Produkten, die auch bei gemeinsam genutzten Ressourcen jedem Nutzer ein eigenes Passwort zuteilen.

Einen Ausgleich für die Erreichbarkeit im Urlaub - sei es finanziell oder als Überstunden - sehe das Gesetz bei alldem nicht vor, sagt Bredereck. "Dann wäre es nämlich rein rechtlich kein Urlaub mehr."

Ein aktuelles Urteil bestätigt das. Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hatte im Herbst 2022 entschieden (Az.: 1 Sa 39 öD/22), dass während der Freizet keine dienstlichen SMS gelesen werden müssen. In dem Fall ging es um einen Notfallsanitäter, dessen Chef ihn über kurzfristige Dienstplanänderung für den Folgetag informieren wollte. Das LAG erklärte, der Arbeitgeber müsse damit rechnen, dass der Arbeitnehmer eine ihm geschickte SMS erst mit Beginn seines Dienstes zur Kenntnis nimmt. Denn dann beginne seine Arbeitszeit und sei er verpflichtet, die während seiner Freizeit bei ihm eingegangenen dienstlichen Nachrichten des Arbeitgebers zu lesen.

Beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) steht man der dauernden Erreichbarkeit ebenfalls kritisch gegenüber. "Menschen sind keine Maschinen, alle brauchen Ruhezeiten", betont Vorstandsmitglied Anja Piel. Beschäftigte, die ihre Auszeiten zur Erholung nutzten, seien gesünder und leistungsfähiger. Ständige Erreichbarkeit mache dagegen krank: Die Folgen könnten Erschöpfung, Schlafstörungen und im schlimmsten Fall sogar Herz-Kreislauferkrankungen sein, sagt sie.

Druck der ungeschriebenen Regeln

Dennoch gebe es in vielen Betrieben ungeschriebene Regeln für die Erreichbarkeit während Auszeiten. "Manche Beschäftigte geben dem Druck nach, im Urlaub und in der Freizeit zu arbeiten", beklagt Piel und betont: "Besser als ungeregelter Druck sind Betriebsvereinbarungen, die Erreichbarkeit in der Freizeit klar und unmissverständlich für alle regeln."

Leichter abschotten lässt sich offenbar, wenn viele andere auch frei haben. Eine ebenfalls von Slack bei YouGov in Auftraggegeben Umfrage zeigte 2021, dass über die Weihnachtsfeiertage und zwischen den Jahren 31 Prozent der Beschäftigten mit Bürotätigkeiten für Chef und Kollegen erreichbar sind.

Die jetzt von Slack präsenterten Zahlen liegen noch einmal über denen früherer Umfragen zum Thema. Im Jahr 2017 hatte zum Beispiel der Bitkom nach der Erreichbarkeit im Urlaub gefragt. Damals lasen in den Ferien nur vier von zehn Beschäftigten (38 Prozent) ihre beruflichen E-Mails und 58 beziehungsweise 59 Prozent waren per Telefon oder über Messenger-Dienste erreichbar. Der Grad der Erreichbarkeit war mit 75 Prozent bei den 30- bis 49-Jährigen am höchsten. (dpa/rs/pma)

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