Praxisbeispiele für Strategische IT-Innovation
CIOs dürfen die Krise nicht aussitzen
- IT-Innovationsprojekte aufrechterhalten
- Business-Werte hinterfragen
- IT-Prozesse zukunftsfähig gestalten
"Das Jahr 2020 ist für die IT gelaufen." Diese Ansicht ist aktuell in mittelständischen deutschen Unternehmen oft zu hören, ob offen ausgesprochen oder nur unterschwellig so wahrgenommen. Tatsächlich ist es verständlich, dass IT-Leiter unzufrieden damit sind, ihre Roadmap und wichtige Projekte nicht in der ursprünglich geplanten Geschwindigkeit umsetzen zu können - jenseits aller Einschränkungen, die die Pandemie ohnehin mit sich bringt. "Keep the lights on" und die Sicherstellung des laufenden IT-Betriebs haben Prio 1. Darüber hinaus aber frieren Unternehmen angesichts ungewisser Umsatzerwartungen Gelder für Innovationsprojekte ein, die keinen schnellen Wertbeitrag oder erlebbaren Kundennutzen bringen.
Gleichzeitig zeigt gerade die Pandemiekrise überdeutlich: Oft rächt es sich, Digitalisierung und IT-Innovation auf die lange Bank zu schieben. Unternehmen, die ihre Digitalisierungsaufgaben schon 2019 konsequent angegangen sind, können sich jetzt auf die Vorbereitung neuer Innovations- und Effizienzprojekte konzentrieren. Ein Beispiel dafür ist die Migration auf S/4HANA: Wer diese Quasi-Pflichtaufgabe zurückgestellt hat, muss die Umsetzung innovativer Ideen auf der neuen Cloud-Infrastruktur immer weiter in die Zukunft verlagern. Das hat direkten Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit des Gesamtunternehmens.
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Der Weg aus diesem Dilemma kann nur lauten: Die Strategie anpassen und jetzt aktiv die Zeit nach der Krise vorbereiten. Jetzt nicht fatalistisch die Füße hochzulegen, sondern die Chance der besonderen Situation zu nutzen, kann unterm Strich sogar Wettbewerbsvorteile schaffen.
Innovationsprozesse fokussiert aufrechterhalten
Auch wenn die Wirtschaft spürbar herunterfährt: Die Innovationsprozesse in der IT müssen weiterlaufen. Das ist genauso trivial wie problematisch angesichts knapper werdender Budgets.
Dazu muss die IT die aktuelle Situation nutzen und sich auf Projekte konzentrieren, die mit internen Ressourcen realisiert werden können. Jetzt ist die Zeit, sich von Themen mit zweifelhaftem Nutzen und von der Beschäftigung mit noch nicht reifen Projekten zu verabschieden. Konkret heißt das:
Fokus auf Initiativen, die schon 2021 einen werthaltigen Effizienzbeitrag schaffen und mit minimalem externen Aufwand auskommen;
Fokus auf Digitalisierungsinitiativen, die als Produkte am Markt platziert werden können;
Fokus der internen Ressourcen auf die Projekte, die schon am weitesten fortgeschritten und reif zur Umsetzung sind;
Fokus auf die Projekte, für die die Basis schon gelegt wurde - etwa die Entwicklung neuer Services auf einer bestehenden Cloud-Infrastruktur oder die Einführung neuer S/4 Funktionalitäten, wenn S/4HANA bereits vorhanden ist.
Ohne Scheuklappen analysieren
Ein (Teil-)Lockdown ist die Zeit für Analysen. Das Ziel muss sein, den Business-Wert von IT-Innovationsprojekten rücksichtslos zu hinterfragen - um sie angesichts von begrenzten Budgets zu priorisieren und zu dimensionieren.
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Im Fall meines Arbeitgebers EagleBurgmann haben wir zwei wesentliche Felder identifiziert, die im zweiten Halbjahr 2020 prioritär weitergetrieben werden und die das Kerngeschäft in seinem derzeitigen und zukünftigen Modus direkt unterstützen.:
1. Digitalisierung und das Industrial Internet of Things (IIoT)
Hier liegt der Schwerpunkt auf dem Ausbau unseres Portfolios an digitalen Services für den Endkunden. Dafür nutzen wir unsere Digitalisierungsplattform, die wir im März 2020 eingeführt haben. Die letzten Monate war Zeit, um den operativen Einsatz vorzubereiten. Jetzt sind wir damit startbereit.
Ein Beispiel ist die Entwicklung neuer IoT-Funktionalitäten, die auf Basis der MS Azure-Cloud laufen. Die Einführung der Microsoft-Cloud war dafür die Grundlage. 2020 haben wir dafür ein klares Architekturkonzept ausgearbeitet. Deshalb können wir jetzt einen konkreten Fahrplan für die Umsetzung aufstellen.
2. Hybrid Cloud
Entscheidend ist, dann über die entsprechenden Strukturen zu verfügen, die eigene IT in einem Mix aus Private Cloud, Public Cloud und Platform-as-a-Service zu betreiben bzw. abzurufen. Großkonzerne wie Volkswagen und BMW haben es vorgemacht, dass die Public Cloud auch im Konzernumfeld funktioniert.
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Das Ziel ist, die Infrastruktur flexibel und effizient aufzustellen, um schneller auf die sich ändernden Anforderungen von außen reagieren zu können. Deswegen muss auch der Mittelstand auf die Cloud setzen, weil er nicht über die gleichen Voraussetzungen für die Skalierung verfügt wie ein Großkonzern.
- Thomas Zimmerer, Interim Manager CIO/CDO
Für Zimmerer (derzeit für einen Konzern im Nahen Osten tätig) und sein Team ist insbesondere Microsoft Teams aktuell das Tool, das vor allem für Chat, Videokonferenzen, Shared Sessions am PC, Notebook, iPad und iPhone den ganzen Tag im Einsatz ist. - Thomas Zimmerer, Interim Manager CIO/CDO
Sein Tipp für geplante Tages-Workshops: Spaltet man diese in mehrere kleinere Videokonferenzen von 1-2 Stunden auf, ist dies sogar effektiver, da die Teilnehmer nicht so sehr ermüden und man zwischen den Terminen die Ergebnisse bereits einbauen kann. - Thomas Siekmann, VP IT & Digitalization Senvion Deutschland GmbH
Siekmann bietet den Senvion-Mitarbeitern im Homeoffice einen „doppelten“ Zugang zu den Ressourcen: Genutzt werden VPN-Zugänge und - parallel für viele Nutzer - VDIs auf Basis von VMWare. - Thomas Siekmann im Home Office
Er selbst setzt im Home-Office ebenfalls auf redundante Zugänge: Alle Geräte sind neben dem Wifi-Zugang auch LTE-fähig. - Dirk Altgassen, CIO bei der Etex Group
Neben der Office-365-basierten Arbeitsumgebung und diversen IT-Tools unterstützen Altgassen und sein Team das Business auch bei einem neuen „way of working“, wie zum Beispiel dem Aufsetzen „virtueller Kaffeeküchen“, in denen man sich zwischendurch trifft. - Dirk Altgassen im Home Office
Das Lieblings-Gadget des Etex-CIOs im Home Office ist sein „Jabra“. - Christian Ammer, CIO und Head of Digital Transformation bei der Kanzlei Noerr
Für Ammer hat sich im Homeoffice die Arbeit an zwei Rechnern am besten bewährt: Cloud-Tools und Remote-Apps wie Office 365 (vor allem Microsoft Teams), Dokumentenbearbeitung- und -Sharing (via Nextcloud) und den Großteil der Kommunikation (Audio und Video-Konferenzen) kann er über den eigenen Heim-PC durchführen. Über das Firmen-Notebook (per VPN oder mit Virtual Desktop) läuft nur noch ein Teil der Kommunikation via E-Mail/Outlook. - Christian Ammer im Home-Office
Sein Top-Tipp (neben einer 2-Geräte-Strategie): Audio möglichst nur per Freisprechung. Das macht die Dinge schneller, einfacher und unkomplizierter als mit Headsets und Kopfhörern zu hantieren.
EagleBurgmann hat sich für einen Cloud-First-Ansatz entschieden - aber einen aus Mittelstandssicht machbaren und pragmatischen. Das bedeutet: Betrieb in der Cloud, wo es aus Kosten- und Effizienzgründen Sinn ergibt - in Kombination mit On-Premises-Services, die nach wie vor noch zentral vorgehalten werden müssen. Dem zuvor ging eine Analyse der gesamten Infrastruktur. Die Zeit der Krise haben wir dann konsequent für die Vorbereitung genutzt, um bei Bedarf sofort vom Public-Cloud-Ansatz profitieren zu können.
In der Krise schneller werden
Auch wenn es paradox klingt: Die Corona-Krise wird zeigen, wie wichtig Innovationstempo gerade bei mittelständischen Unternehmen ist. Wer im Aufschwung nach der Krise schnell agieren kann, wird sich Wettbewerbsvorteile erarbeiten. Dass die IT für diese Agilität mitentscheidend ist, liegt auf der Hand. So haben wir kürzlich ein Projekt zur Prozessharmonisierung beendet. Dabei kamen die Komplexitäten unserer Businessprozesse unter die Lupe, und zwar End-to-End. Jetzt können wir Handlungsfelder für Vereinheitlichung und Effizienzsteigerung ableiten. So schaffen wir die Voraussetzung für kommende Umsetzungsprojekte - sowohl im Hinblick auf Prozesse als auch applikationsseitig.
Wer die Krisenzeit nicht für Projektvorbereitungsaufgaben wie diese nutzt, verliert Umsetzungsgeschwindigkeit für 2021. Dann ist mehr als nur 2020 für die IT "gelaufen". Und das kann sich auch der Mittelstand in einem immer dynamischeren IT-Umfeld nicht erlauben. (bw)