Gartner CIO Agenda
CIOs in Deutschland und ihre Prioritäten
Hanns Köhler-Krüner ist Research VP bei Gartner im Bereich Digitaler Arbeitsplatz und beschäftigt sich im Besonderen mit Enterprise Content Management (ECM). Er verfügt über fundiertes Wissen über ECM-Systeme und -Anbieter, Content Analytics, Enterprise Search und Taxonomien/Metadaten sowie in der Ausarbeitung von entsprechenden Strategien zum sinnvollen Einsatz der Technologien.
- Steigende IT-Budgets
- Erneuerung der Infrastruktur
- Cloud- und Mobilitätslösungen
- Interesse an Startups
Viele Unternehmen werden 2017 einen neuen Reifegrad der Digitalisierung erreichen. Damit erhalten digitale Ökosysteme wachsende Bedeutung. Zahlreiche Unternehmen werden Teil solcher Systeme werden, in denen Wettbewerber, Kunden, Regulatoren und Andere Informationen austauschen und auf Basis standardisierter digitaler Plattformen zusammenarbeiten. Die Gartner CIO Agenda 2017 zeigt deutlich, dass die Teilnahme an solchen Ökosystemen und die Zahl digitaler Partner für Unternehmen immer wichtiger wird - vor allem in Deutschland.
Hier gaben 60 Prozent der Befragten an, dass ihr Unternehmen an einem digitalen Ökosystem beteiligt ist, weltweit waren es nur 49 Prozent. Ein möglicher Grund dafür ist eine auf das Thema Industrie 4.0 konzentrierte Sicht auf solche Ökosysteme, die in vielen Unternehmen in Deutschland vorherrscht. Auffällig ist auch, dass Unternehmen in Deutschland durchschnittlich mehr Partner für relevant halten als der weltweite Durchschnitt. Die Herausforderung für die Zukunft liegt darin, die Möglichkeiten der Ökosysteme voll zu nutzen und die aktuellen Systeme der Zusammenarbeit im Rahmen von Industrie 4.0 weiter auszubauen.
Risikoscheue Planung der IT-Budgets
Was die IT-Budgets für das Jahr 2017 angeht, so geht die Studie von steigenden Ausgaben aus - vor allem im asiatisch-pazifischen Raum, aber auch in Amerika und Europa. Weltweit werden die IT-Budgets um 2,2 Prozent steigen. Deutschland liegt mit prognostizierten 1,3 Prozent Wachstum der IT-Budgets im Rahmen des europäischen Wachstums. Setzt man das IT-Budget allerdings in Relation zum erwarteten Umsatzwachstum der Unternehmen (jeweils 4 Prozent weltweit), so liegt Deutschland deutlich niedriger als der weltweite Durchschnitt. Das weist darauf hin, dass Unternehmen in Deutschland sehr vorsichtig oder sogar risikoscheu an die IT-Ausgaben herangehen.
Für die digitale Transformation planen CIOs in Deutschland allerdings, ähnlich wie der weltweite Trend, einen wachsenden Anteil ihres IT-Budgets ein. Weltweit haben Unternehmen vor, etwas mehr als ein Viertel (28 Prozent) ihres IT-Budgets in die digitale Transformation zu investieren. In Deutschland liegt dieser Anteil derzeit bei 20 Prozent. Im kommenden Jahr 2018 sollen es allerdings schon 34 Prozent sein - eine Tendenz, die angesichts des starken Fokus auf Industrie 4.0 in Deutschland nicht überrascht.
- Daniel Hartert, Bayer
Daniel Hartert, CIO bei Bayer, macht es kurz: "First: IT must be seen as a catalyst for innovation – otherwise there is no seat at the table. Second: Extensive collaboration with external partners and startups becomes mandatory and third: Cloud is inevitable." - Heiko Packwitz, Lufthansa Industry Solutions
Heiko Packwitz, Chief Marketing & Communications Officer bei Lufthansa Industry Solutions, sagt: "CIOs müssen das Geschäft und die Prozesse ihres Unternehmens und ihrer Branche vollständig verstehen, um als Transformierer und Innovator gehört und ernst genommen zu werden. Sie müssen zweitens Netzwerker sein. Drittens: Bei der Digitalisierung steht trotzdem immer noch der Mensch im Mittelpunkt." - Andreas Klein, Deloitte
Der Director Technology Advisory bei Deloitte, Andreas Klein, sagt: "Seien Sie anpassungsfähig - der Erfolg von CIOs hängt weniger von persönlichen Charaktereigenschaften oder Arbeitsstil ab. Definieren Sie ,Digital‘ neu. Investieren Sie in ein schlagkräftiges Team und IT-Kompetenzen." - Burkhard Kaufmann, Bitmarck
Bitmarck-Geschäftsführer Burkhard Kaufmann erklärt: "Erstens: die digitale Transformation macht die Veränderung der Prozesse, der Denkweisen, der Geschäftsmodelle und der Governance notwendig. Zweitens: die Anforderungen an die Sicherheit für Dienstleister, Kunde und Partner werden durch die hohe Komplexität der Anwendungen und die vielen Schnittstellen enorm hoch. Drittens: die Zeiten der Abschottung und Abgrenzung der eigenen Produkte und die Produktionstiefe der eigenen Services sind vor dem Hintergrund der hybriden IT-Modelle und APIs endgültig zu Ende." - Matthias Spott, Kaskilo
Matthias Spott ist CEO von Kaskilo. Seine drei Botschaften lauten: "Der Bedarf an Konnektivität wird in der Industrie 4.0 Welt exponentiell steigen. 5G wird nicht das Allheilmittel für die Konnektivitäts-Lösungen der Zukunft sein, da viele Fragen bei dieser Technologie noch ungelöst sind. Satellitengestützte Systeme werden in Zukunft integraler Bestandteil einer globalen Internetversorgung sein." - Thomas Fischer, All for one Steeb
Der Digital Strategist und Managing Directer bei All for one Steeb, Thomas Fischer, sagt: "Es geht erstens nicht um Digitalisierung, sondern um die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit. Zweitens: Speed ist wichtig. Fangen Sie mit Einzelprojekten an. Drittens: Zeigen Sie, dass Sie über die IT hinausdenken. Denn Digitalisierung betrifft viele Handlungsfelder in Ihrem Unternehmen." - Lumir Boureanu, Eurodata
Eurodata-Geschäftsführer Lumir Boureanu nennt diese drei Punkte: "Das Wachstumsmodell von digital Value basiert auf Expertise und Fokus. Treten Sie gleich mehreren Ecosystemen bei. Definieren und setzen Sie Ihren Ecosystemen Grenzen." - Michael Hilzinger, Klöckner
Michael Hilzinger, General Manager bei Klöckner, erklärt: „Digitale Transformation ist erstens keine reine IT Disziplin, es bedarf klarer Priorisierung durch das Top Management, am besten durch den CEO. Zweitens müssen CIOs versuchen, den IT-Betrieb im Sinne von ,Keep the lights on'-Aktivitäten weitgehend zu automatisieren, um Ressourcen für Innovationsprojekte zu schaffen. Drittens: Speed in der Enterprise IT gelingt nur durch radikalen Fokus auf den Kunden-/Anwendernutzen.“ - Ralf Gernhold, Miles & More
Ralf Gernhold, CIO von Miles & More, appelliert: "Gründet Innovation Center innerhalb eurer Unternehmen - und nicht in Kalifornien oder Berlin. Eure IT Abteilung ist Innovationsschmiede, nicht Cost Center. 'Alte Meister + Junge Wilde’ ist die Erfolgsformel für gelebte digitale Transformation im Unternehmen.“ - Martin Wibbe, Atos
Schwungvoll ist die Botschaft von Martin Wibbe, Senior Vice President &COO bei Atos: „Erstens: Seien Sie Mutig und probieren Sie Dinge aus, suchen Sie zum jetzigen Zeitpunkt nicht nach Standards! Zweitens: Schauen Sie sich andere Branchen an und lernen Sie daraus, wie auch Sie sich innovieren können! Drittens: Befreien Sie Ihre Teams und sich selbst von ,IT Standardaufgaben', damit Sie sich auf die Zukunftsthemen konzentrieren können!“ - Oliver Blüher, Dropbox
Oliver Blüher, Country Manager DACH & Nordics bei Dropbox, erklärt: "Flexible Infrastrukturen und Cloud-Services sind die Zukunft. Große IT Investments mit ungewissem ROI wird es zukünftig nicht mehr geben – wer zur Anpassung bereit ist, dem ist auch der ROI sicher. Und: Die digitale Transformation verändert auch die Arbeitswelt - in klassischen Industrie-Unternehmen sind heute schon mehr als 40 Prozent der Arbeitsplätze PC-Arbeitsplätze." - Roger Kehl, Festo
Festo-CIO Roger Kehl erklärt: „Erstens: Breite und Länge des Spielfeldes für den CIO wird neu vermessen - durch Industrie 4.0 stellen sich der IT neuen Herausforderungen in der Produktion. Zweitens: Mut zur Veränderung. Unser Umfeld ist geprägt durch ständige Paradigmenwechsel und Disruption. Drittens: Die Mitarbeiter auf die Reise mitnehmen und nicht vergessen – Arbeitskultur und -Anforderungsprofil ändern sich." - Matthias Frühauf, Veeam
Matthias Frühauf, Regional Presales Manager CEMEA bei Veeam Software, sieht seine Botschaften unter dem Motto 24/7-Verfügbarkeit von Services. Er nennt diese Punkte: "Getestete und dokumentierte Failover-Szenarien, hoher Grad an Automatisierung, Integration von Cloud Services." - Martin Niemer, VMware
Martin Niemer ist Director Advisory Services Central and Eastern Europe bei VMware: "Erstens: Die Zukunft wartet nicht, die Geschwindigkeit entscheidet über den Erfolg im Markt, Organisationen müssen in der Lage sein, das umzusetzen. Zweitens: Digitale Transformation beginnt beim Endnutzer, nur Projekte, die vom User angenommen werden, sind erfolgreich. Drittens: Hochgradige Standardisierung und Automatisierung können helfen, Abläufe zu beschleunigen und Wettbewerbsvorteile zu erzielen."
CIOs deutscher Unternehmen, die Top-Leistungen in der digitalen Transformation erreichen wollen, sollten allerdings regelmäßig überprüfen, welchen Anteil ihrer IT-Ausgaben sie in die Digitalisierung investieren. Die leistungsfähigsten Unternehmen der Gartner-Umfrage geben bereits jetzt ein Drittel ihres IT-Budgets für die Digitalisierung aus und wollen diesen Anteil in den kommenden zwei Jahren auf 43 Prozent steigern. CIOs in Deutschland sollten diese Entwicklung mitgehen und weitere Möglichkeiten suchen, das IT-Budget noch stärker auf die Digitalisierung auszurichten.
Modernisierung als Top-Priorität
Auch die Ausrichtung des IT-Portfolios in den Unternehmen muss den Fokus auf die Digitalisierung widerspiegeln. Bereits im Jahr 2014 wurde die Modernisierung der Kern-Technologien als eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche digitale Transformation identifiziert.
Trotzdem berichten die Befragten in Deutschland von einem wesentlich älteren Anwendungsportfolio als der weltweite Durchschnitt. So wurden nur 29 Prozent der bestehenden Anwendungen nach dem Jahr 2010 in Betrieb genommen und 18 Prozent des Anwendungsportfolios stammen aus den Jahren 1990 bis 1999. Ganze 4 Prozent der Anwendungen in deutschen Unternehmen sind sogar älter als 1970.
Deutsche Unternehmen laufen Gefahr wegen der zahlreichen Legacy-Anwendungen im Prozess der Digitalisierung zurückzufallen.
Die Notwendigkeit, die Technologien zu modernisieren, spiegelt sich auch in den Investitionsprioritäten der CIOs aus Deutschland wieder. So rangieren Cloud-Services und Mobilitätslösungen aufgrund des Aufholbedarfs höher in der Prioritätsliste deutscher CIOs als im weltweiten Durchschnitt. Sie werden zu 30 Prozent beziehungsweise 21 Prozent als eine der Top-3-Prioritäten genannt. Besorgnis erregt allerdings, dass Sicherheitslösungen (4 Prozent) wesentlich weniger Bedeutung beigemessen wird - der weltweite Durchschnitt liegt hier bei 17 Prozent. Dieser Trend wurde auch schon im vergangenen Jahr festgestellt.
Zugang zu digitalen Technologien
Mit Blick auf disruptive Technologien betrachten CIOs in Deutschland vor allem das Internet der Dinge (IoT), autonome Fahrzeuge sowie smarte Industrieroboter als relevant. Interessanterweise erscheint Blockchain überhaupt nicht auf dem Radar der Befragten in Deutschland, zumindest nicht in den Top-3-Technologien.
Für den Zugang zu digitalen Technologien wählen CIOs in Deutschland häufiger als andere den Weg über Startups: Überdurchschnittlich viele Befragte geben an, dass ihr Unternehmen Interesse daran hat, Startups zu gründen (20 Prozent) oder zu kaufen (27 Prozent).
Um eine starke Basis für die Digitalisierung zu schaffen, sollten CIOs in Deutschland die Modernisierung ihres IT-Portfolios schnell abschließen und den Schwerpunkt ihrer Investitionen in Richtung Cloud, Infrastruktur und Digitalisierung verschieben. Für den Zugang zu digitalem Know-how und den entsprechenden Technologien sollten sie weiter auf die drei Säulen Eigenentwicklung, Partnerschaften und Zukauf setzen. Das gibt ihnen die Grundlage, um ihr Unternehmen proaktiv in die digitale Transformation zu führen.