Identity & Access Management
"CISOs brauchen Unterstützung"
Florian Maier beschäftigt sich mit diversen Themen rund um Technologie und Management.
Das Thema IT SecuritySecurity ist nicht erst seit gestern allgegenwärtig. Das Management von Benutzern und deren Zugriffsberechtigungen nimmt dabei in jeder ganzheitlich ausgerichteten IT-Security-Strategie eine tragende Rolle ein. Zumindest sollte es das. Alles zu Security auf CIO.de
Doch tut es das auch? Wie viel Raum kann, beziehungsweise wird einem vermeintlichen Nischenthema wie Identity- und Access-Management (IAM) bei der einnehmenden Diskussion um das "große Ganze" und dem sich stets verdichtenden Buzzword-Dschungel überhaupt noch zugestanden? Welche Entwicklungen und Technologien beschäftigen den Markt derzeit und mit Blick auf die Zukunft? Und wie ist das eigentlich mit der Awareness - gerade auf dem C-Level in den Unternehmen?
Diesen und anderen Fragestellungen widmeten sich die Teilnehmer des COMPUTERWOCHE-Roundtables "Identity & Access Management" im Rahmen einer lebhaften und teils kontrovers geführten Diskussion. Die vom stellvertretenden CW-Chefredakteur Martin Bayer geleitete Runde im Überblick:
Dr. Amir Alsbih, COO, KeyIdentity
Carsten Hufnagel, Head of IAG Strategy, Timetoact
Ruedi Hugelshofer, Airlock Sales Lead, Ergon Informatik
Fabian Guter, Business Development Manager EMEA, SecurEnvoy
Roland Markowski, Country Manager DACH, Gigya
Christian Nern, Head of Security Software DACH, IBM
"Die Verteilung von Rollen ist auch ein Politikum"
Bei der Frage nach der Daseinsberechtigung von IAM zeigte sich zwar schnell, dass alle Roundtable-Diskutanten von der Wichtigkeit des Themas überzeugt sind. Als es aber um den Status Quo der Technologie und ihrer Bedeutung für die Gesamt-Sicherheitsstrategie eines Unternehmens ging, drifteten die Meinungen schon etwas auseinander. Carsten Hufnagel etwa zeigte sich überzeugt davon, dass IAM im Zeitalter von Cloud, Industrie 4.0 und Internet of Things zu einer zentralen Komponente geworden ist: "All das funktioniert heute nicht mehr ohne Kontrolle über die Identitäten, das ist der wesentliche Unterschied zu früher."
Dr. Amir Alsbih stimmte hier nur insoweit zu, als dass Identity- und Access-Management ein wichtiger Baustein derSecurity-Strategie sei: "IAM ist wie jede Technologie wichtig, aber sie ist nicht das Zentrale. Erst durch die heutige Vollvernetzung aller Unternehmensbereiche wird es spannend. Es gibt kaum noch ein Unternehmen, das alles selber macht und jeden seiner Partner kennt - an dieser Stelle ist Identity- und Access-Management eine wahnsinnig wichtige Komponente."
Einig waren sich die Teilnehmer hingegen darin, dass eine IT-Security-Komponente alleine kein ausreichendes Schutzniveau gewährleisten kann, wie Christian Nern es auf den Punkt brachte: "Alles wie eine Burg abzuriegeln, wird nicht funktionieren. Das Thema IAM muss in die Gesamtstrategie eingebettet werden. Dabei kommt es auch auf Fragen an wie: ‚Wie arbeitet das System mit meinem SIEM zusammen?‘ oder ‚Wo kann ich Automatismen schaffen?‘"
- In zehn Schritten zum IAM
Softwarelösungen für das Berechtigungs-Management, so genannte Identity-Access-Management-Systeme (IAM), haben sich von ihrem früheren reinen IT-Fokus gelöst. Zwar werden über Single-Point-of-Administration, HR-gestütztes Provisioning und rollenbasierte Zugriffskontrolle nach wie vor Kostensenkung und effizientes Benutzermanagement realisiert. Bei den heutigen IAM-Systemen handelt es sich aber vor allem um Business-Collaboration-Plattformen, die auf eine umfassendere Beteiligung der Fachabteilungen an der Zugriffsverwaltung setzen. <br /> Sie eröffnen erweiterte Möglichkeiten für die Umsetzung von Regularien, Gesetzesvorgaben und des Risikomanagements. IAM wird damit zur tragenden Säule im Rahmen der Governance-, Risk- & Compliance-Strategie (GRC) eines Unternehmens. Der folgende 10-Punkte-Plan gibt einen Überblick, worauf bei der Einführung eines IAM-Systems zu achten ist. - Gemischte Projektteams aus IT und Business
IAM ist längst kein reines IT-Thema mehr. Meist können nur Personen außerhalb der IT, die über umfassende Kenntnisse der internen Geschäftsprozesse und der Organisation verfügen, die erforderlichen Informationen zu wesentlichen Aspekten beisteuern: Rollenkonzepte, Genehmigungsstrukturen, Erwartungen an die Nutzeroberflächen oder auch was Barrieren zwischen einzelnen Abteilungen angeht. <br />Projektteams zum Aufbau eines IAM-Systems sollten deshalb stets aus Kompetenzträgern sowohl aus der IT als auch aus dem Business bestehen. - Ziele definieren
Klar definierte Ziele und Dienstleistungen sowie ein eng gesteckter Rahmen zu deren Planung und Überwachung sind Erfolgsfaktoren eines jeden IAM-Projektes. Dies wiederum erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen erfahrenen Mitarbeitern sowohl beim Anwender als auch dem implementierenden IAM-Hersteller. <br />Es ist daher sicherzustellen, dass alle Daten und Ziele miteinander vereinbart und von jedem am Projekt Beteiligten verstanden werden, bevor die Einführung beginnt. Jede spätere Anpassung verlängert das Projekt unnötig, sowohl zeitlich als auch hinsichtlich des Budgets. - Vor Start des Projektes: Aufräumen!
Hohe Datenqualität ist der Schlüssel für erfolgreiches Identity Access Management. Diese Ausgangssituation ist aber keineswegs selbstverständlich, wenn ein entsprechendes Projekt aufgesetzt wird. Viele Unternehmen pflegen die Zugangsberechtigungen für ihre Beschäftigten oft mehr schlecht als recht; nicht selten herrscht beim Thema Rechteverwaltung ein großes Durcheinander. Die Folgen sind fehlende Verbindungen zwischen Konten und den Nutzern, verwaiste Konten, Rechtschreibfehler, etc. <br />Jedes IAM-Projekt beginnt daher mit einer Konsolidierung der User-IDs, bei der die Benutzerkonten ihren Besitzern zugewiesen werden. So spürt man im ersten Schritt sehr schnell verwaiste Konten auf. - Umsetzung in Phasen
Eine IAM-Lösung sollte sowohl alle unternehmensweiten IT-Systeme integrieren können als auch ausreichend skalierbar hinsichtlich der Anzahl der einzubindenden Nutzer sein. Doch muss dies alles nicht auf einmal umgesetzt werden; sinnvoller ist es, das Projekt in erreichbare Zwischenziele aufzuteilen und diese Schritt für Schritt abzuarbeiten.<br /> In der ersten Phase wird dabei nur eine begrenzte Anzahl von Zielsystemen angebunden – idealerweise die wichtigsten; die Anwender nutzen zunächst nur Standardfunktionalitäten. Erste Erfolge sind dadurch schneller sichtbar, was letztlich zum schnelleren Erreichen der vollständigen Projektziele führt. - Anschluss des HR-Systems
Probleme im Bereich der Rechteverwaltung resultieren oft aus unzureichender Koordinierung zwischen Human Resources und IT-Abteilung. Meldet das HR-Team Änderungen in der Personalstruktur oder bei den Stellenbezeichnungen der IT zu spät oder sogar gar nicht, kann dies schwerwiegende Folgen haben: Personen erlangen Zugang zu Konten, obwohl sie aufgrund ihrer neuen Rolle gar kein Recht mehr dazu hätten – oder weil sie das Unternehmen sogar ganz verlassen haben. <br />Eine manuelle, nicht automatisierte Informationspolitik und dezentrales Arbeiten tragen noch dazu bei, dass sich Fehler in den Berechtigungsstrukturen schnell und unkontrolliert ausbreiten. Das HR-System sollte deshalb als erstes mit dem IAM-System verbunden werden, um hier zu einer Automatisierung zu gelangen und damit Sicherheit und Kontrolle zu gewährleisten. - Customizing auf ein Minimum reduzieren
Führende IAM-Anbieter verkaufen nicht bloß ein Toolkit. Basierend auf der Erfahrung aus vielen realisierten Projekten, sind vorkonfigurierte Standardsysteme vielmehr nach dem Best-of-Breed-Ansatz konzipiert. Auf Standardszenarien verzichten, um ein System möglichst individuell an die Gegebenheiten eines Unternehmens anzupassen, sollte deshalb die Ausnahme bleiben. <br />In einem Standardprodukt spiegelt sich bereits das langjährig erworbene Wissen eines Herstellers um die verschiedensten Herausforderungen im IAM-Umfeld und die jeweils beste Lösung wider. Der Einsatz von Standardkomponenten reduziert zudem auch Implementierung und Wartungskosten auf ein Minimum. <br />Kunden sollten sorgfältig prüfen, ob es statt aufwändigem Customizing nicht sinnvoller wäre, die vorgeschlagene Vorgehensweise eines Standardproduktes zu übernehmen und die eigenen Strukturen hinsichtlich der Prozesse, Terminologie und Verantwortung anzupassen. - Rollen implementieren
Das Bündeln von Zugriffsrechten in so genannten "Rollen" reduziert den Administrationsaufwand erheblich und stellt die Grundlage für eine Automatisierung im Bereich der Rechtevergabe dar. Eine Rolle ist die Sammlung einzelner Zugangsrechte, die für eine bestimmte Funktion oder Aufgabe im Unternehmen erforderlich sind.<br /> Role-Mining-Tools bieten Hilfe bei der Definition von Rollen und deren Optimierung über einen kontinuierlichen Prozess hinweg. Hier ist jedoch Vorsicht geboten: Die Einführung von Rollen erfordert mehr als eine einmalige Definition von "Zugriffsrecht-Clustern". - Rollenverantwortliche festlegen
Rollen sind lebende, wandelbare Strukturen, die einem ständigen Überwachungs- und Anpassungsprozess unterliegen sollten. Deshalb benötigen sie einen zugewiesenen Besitzer, der die Verantwortung für ihre saubere Ausgestaltung übernimmt. Er muss die Rollen regelmäßig dahingehend überprüfen, ob aufgrund von Veränderungen in der Organisation oder der IT-Systeme Anpassungen notwendig sind. <br />Was für die IAM-Einführung im Großen gilt, hat deshalb auch für das Thema Rollen Relevanz: Aufteilen eines Rollenprojektes in kleine Teilziele, Einbeziehung von sowohl Business- wie IT-Verantwortlichen. - Top-down-Vorgehen
Ein Risikobewertungssystem ist ein leistungsfähiges Werkzeug, um die einzelnen Objekte im Access Management – Benutzer, Rollen und Konten – in eine sinnvolle Rangfolge abhängig von ihrer Relevanz zu bringen. Ein solches System jedoch für die gesamte Struktur der Zugriffsrechte zu implementieren, kann zu einem zeitaufwändigen und ressourcenintensiven Projekt führen. <br />Es empfiehlt sich ein Top-down-Ansatz, bei dem die Aufmerksamkeit zunächst auf wichtige Aspekte in einem frühen Stadium des IAM-Betriebs gerichtet wird. Zu einer vollständigen Risikobewertung kann das Unternehmen dann im Laufe der Zeit aufschließen. - Schnellere Erfolge auf Fachabteilungsebene
Treiber eines IAM-Projektes sind in der Praxis oft Wirtschaftsprüfer oder IT-Manager. Um eine Akzeptanz über alle Unternehmensbereiche hinweg zu erreichen, sollte ein Anwenderunternehmen im frühen Projektstadium bereits solche Funktionen evaluieren, die sich an den Wünschen und Bedürfnissen des einzelnen Anwenders orientieren. <br />Warum nicht die verfügbaren vorkonfigurierten Workflows für Anfrage oder Passwort-Reset schon einmal anbieten, anstatt damit zu warten, bis die Lösung bei Projektende zu 100 Prozent implementiert ist? Mit diesem Ansatz wird der Nutzen eines IAM-Systems schnell im praktischen Arbeitsalltag für alle – vom Anwender bis zum Management – spürbar, was ein wichtiger Baustein für den Gesamterfolg des IAM-Projektes ist. - Realistisch bleiben
Der 10-Punkte-Plan verdeutlicht es: Moderne IAM-Systeme binden Fachabteilungen ein und verschaffen eine am Geschäftsprozess ausgerichtete und verständliche Sicht auf Identitäten und deren Rechte.<br /> Die Bäume wachsen auch beim Thema Identity Access Management nicht in den Himmel. Erfolgreich sind solche Projekte, bei denen sich die Beteiligten realistische Zwischenziele setzen und Stück für Stück zu einem unternehmensweiten IAM-System vorarbeiten. <br />Dieses erfüllt dann seinen eigentlichen Zweck: die Umsetzung der GRC-Strategie des Unternehmens.
Alles dreht sich um den Anwender
Fabian Guter betonte die Unterschiede beim Einsatz von IAM im Vergleich mit anderen Sicherheitstechnologien: "Wenn wir heute mit großen Unternehmen sprechen, steht der Anwender im Mittelpunkt. Hier nimmt IAM eine andere Position ein als beispielsweise die Firewall. Letztlich benutzt ein Anwender Authentifizierungs-Komponenten und Identitätsmanagement-Tools in verschiedener Form in seinem Alltag, sie dürfen ihn also nicht ausbremsen oder kompliziert zu bedienen sein.
Und der Mitarbeiter sollte diese Systeme auch gerne benutzen. Das ist ein Punkt, der sich gegenüber der Vergangenheit wesentlich verändert hat: Früher wurden solche Systeme oktroyiert und waren alternativlos, heute hat die User Experience des Mitarbeiters einen ganz anderen Stellenwert - man soll sich bei seiner Arbeit wohlfühlen."
Roland Markowski sah einen weiteren Paradigmenwechsel beim Thema Identity- und Access-Management in der zunehmenden Bedeutung datengetriebener Personalisierung begründet: "Bei externen oder Konsumenten-Identitäten ist die Nutzung von IAM-Daten zum Zwecke der Customer Experience ebenfalls etwas Neues, das man in dieser Hinsicht nicht außer Acht lassen sollte."
Für Ruedi Hugelshofer ist beim Thema IAM ein weiterer Punkt ganz entscheidend: "Wichtig ist, dass das Business vom Management verstanden wird. In vielen Unternehmen weiß man nämlich gar nicht genau, welche Systeme überhaupt noch vorhanden sind. Darüber hinaus ist die Verteilung von Rollen in vielen Firmen nicht nur eine technologische, sondern auch ein politische Entscheidung."