Der digitalisierte Transporter
Daimler investiert 2,5 Milliarden in neuen Transporter
Der Daimler-Vertrieb muss künftig wohl so manch dickes Brett bohren. Ein potenzieller Käufer jedenfalls schüttelt den Kopf - noch. "Wir brauchen die neue Technik nicht", sagt der langjährige Mercedes-Kunde Alfons Baumeister mit Blick auf ein neues Sprinter-Modell, das DaimlerDaimler am Dienstag in Duisburg vorgestellt hat und das ab Juni zu kaufen sein soll. Top-500-Firmenprofil für Daimler
Der 60-jährige Holzingenieur ist Chef eines nach seiner Familie benannten Fensterbetriebs mit 120 Mitarbeitern aus Borken (NRW). Er nutzt seit langem Mercedes-Transporter, 20 Sprinter hat er schon im Bestand. Die ältesten Fahrzeuge sind von 2008, die neuesten vom vergangenen Jahr. Bald werden wohl Neuanschaffungen fällig - und sein Sprinter-Händler dürfte das neue Modell anpreisen.
Daimler-Chef Dieter Zetsche war nun bei der Premiere des neuen Sprinters in Duisburg. Die Hochglanz-Werbeshow samt Lichtshow und Akrobatik war in Nordrhein-Westfalen, weil in Düsseldorf das größte Sprinter-Werk mit 6.500 Mitarbeitern liegt.
Vernetzter Sprinter
Eine zentrale Neuerung des Sprinters ist eine bessere Datennutzung: Durch Vernetzungstechnik kann haarklein erfasst werden, wo das Fahrzeug wann steht und was die beste Route wäre, um zum Beispiel möglichst viele Kundenaufträge abzuarbeiten. "Wir machen den neuen Sprinter zur smarten Hardware - zum Knotenpunkt im Internet der Dinge", sagte Volker Mornhinweg, Chef der Daimler-Vansparte.
Die Idee hinter der Technik: Noch immer werden viele Lkw und auch Transporter nicht optimal genutzt. Entweder fahren sie halbleer durch die Gegend, oder sie stehen den halben Tag ungenutzt auf einer Baustelle herum - während ein Fahrzeug eines Kollegen an einer anderen Baustelle parkt. Hätte man einen besseren Überblick und gute Planungsmöglichkeiten über die Einsätze und Routen, könnten die Kosten sinken - etwa weil man sich den einen oder anderen Transporter in einer Flotte sparen könnte, so eine Grundidee.
Gut 200.000 Sprinter setzte Daimler 2017 ab, Konkurrent VW kam mit dem Crafter auf etwa ein Viertel davon. Im neuen Sprinter ist die Datentechnik "Mercedes PRO connect" nun erstmals serienmäßig verbaut. Sie soll den Kunden - neben Handwerkern auch Speditionen oder Online-Händlern - eine bessere Nutzung ermöglichen. "Yes we can", schwärmte Zetsche über den neuen Sprinter. Vertreter von Kunden wie dem Paketdienst Hermes und dem britischen Online-Lebensmittelhändler Ocado traten in Duisburg auf und lobten das Produkt der Schwaben.
Bessere Datennutzung
Beim Thema vernetzte Transporter ist Daimler keineswegs allein auf weiter Flur - die ganze BrancheBranche peilt eine bessere Datennutzung an. So verkauft Volkswagen seit dem vergangenen Jahr die Technik "ConnectedVan" als Online-Dienst für das Fuhrparkmanagement. Auch Handwerker könnten damit ihre Crafter besser einsetzen, sagt ein VW-Sprecher. Wenn ein neuer Auftrag hereinkommt, kann ein Handwerkschef in Echtzeit sehen, welches seiner Fahrzeuge am nächsten ist. Würden zudem Ersatzteile gebraucht, könnte die Route eines nahen Fahrzeugs unkompliziert umgelenkt werden zur Abholung. Top-Firmen der Branche Automobil
Ob von Daimler oder VW, die Systeme sind ähnlich: Wartungen und Reifenwechsel sollen dank der Technik früh erkannt und geplant werden, um zu vermeiden, dass ein Fahrzeug kurzfristig in die Werkstatt muss und dort lange rumsteht. "Standzeiten sind Verlustzeiten - das ist der Treiber des Ganzen", sagt der VW-Sprecher. Wie genau die "ConnectedVan"-Technik angenommen wird? Dazu sagte er nur so viel: "Die Kundennachfrage ist da."
Aus Expertensicht ist klar: Vernetzung wird immens wichtig. Dies gelte für die dank Online-Handel kräftig wachsende Logistik, aber auch für das Handwerk, sagt Peter Fuß von Ernst & Young. "Viele Transporter von Handwerkern stehen viel zu lange herum, ohne dass sie genutzt werden - damit verlieren die Betriebe Geld."
Bei der Entwicklung von Vernetzungstechnik hätten sich die Hersteller lange auf Pkw konzentriert, nun setzten sie auch auf Transporter. Aus seiner Sicht ist solch eine Technik zudem ein Schritt hin zum autonomen Fahren - Datenströme würden erzeugt und ausgewertet, die in einigen Jahren für selbstfahrende Autos genutzt werden könnten.
Stammkunden noch skeptisch
Stefan Bratzel von der Hochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach weist auf ein latentes Problem hin: "Es geht um Transporteffizienz, aber man hat ein Stück weit auch den gläsernen Fahrer." Die Arbeit wird also transparenter. Macht ein Fahrer länger als üblich eine Pause oder nutzt er eine Dienstfahrt für einen privaten Zwischenstopp, könnte das in der Firmenzentrale leichter auffallen. Das Thema Datenschutz gewinne dadurch an Relevanz, meint Bratzel.
Zurück zu Handwerksbetriebschef Baumeister. Seine Auftragsbücher sind voll, die Geschäfte brummen - auch ohne neue Datentechnik samt Ortung. Gehört hat er zwar schon von der Technologie, vom Hocker gerissen hat ihn das aber nicht. "Wir planen gut im Vorfeld, welcher Mitarbeiter wann auf welcher Baustelle ist", sagt er. Komme es zu einer kurzfristigen Änderung, greife er zum Telefon und rufe seine Mitarbeiter an - das dauere nicht lange. (dpa/rs)