3G/UMTS-Abschaltung - Der Countdown läuft
Gestern Hightech, morgen Schrott
5G5G, das Mobilfunknetz der Zukunft, ist in aller Munde. Doch ein anderer Punkt, auf den Tarik Erdemir, Vice President Router & VPN Gateways bei Lancom Systems, aufmerksam macht, sollte Verbrauchern und Unternehmen wichtiger sein: "Wie geht es mit den 3G/UMTS- und 4G/LTE-Mobilfunknetzen weiter?" Alles zu 5G auf CIO.de
Schrittweise 3G-Abschaltung ab 2020
UMTS wird es nicht mehr lange geben. Nach rund 15 Jahren werden die Netzbetreiber 3G abschalten. Und das wird Konsequenzen haben: Viele Geräte, in denen UMTS-Modems verbaut sind, werden dann nicht mehr funktionieren - und zwar nicht irgendwann, sondern schon Ende 2020. Die Liste der Geräte ist lang, sie reicht von der vernetzten Kaffeemaschine über intelligente, steuerbare Schilder, digitale Messgeräte, Kartenterminals am Point of Sales und Routern mit Mobilfunkunterstützung bis hin zu den Telematik-Services in FahrzeugenFahrzeugen, die nicht älter als zwei oder drei Jahre sind. Auf Unternehmen und Kunden kommen damit ähnlich große Umwälzungen zu wie bei der Umstellung von ISDN auf IP-Netze. Alles zu Connected Car auf CIO.de
Das Aus für UMTS hat einen einfachen Grund: das sogenannte Spectrum Refarming. Die derzeit von 3G belegten Frequenzen werden dringend für den Ausbau der 4G/LTE- und 5G-Netze benötigt. "Will Deutschland im Wettlauf um die beste digitale Infrastruktur mithalten, ist dieser Schritt der großen Netzbetreiber nur konsequent", erklärt der Lancom-Manager.
Andere Länder schalten noch schneller ab
Damit folgt Deutschland dem Beispiel seiner europäischen Nachbarn. So haben etwa in den Niederlanden oder der Schweiz die Netzbetreiber schon konkrete Termine für die 3G-Abschaltung bekanntgegeben. Hierzulande hat die TelekomTelekom zumindest indirekt ein Datum angekündigt: In den AGBs wird den Kunden nur noch bis zum 31. Dezember 2020 die UMTS-Nutzung zugesichert. Bei VodafoneVodafone soll 2020 oder 2021 Schluss mit 3G sein. Nur bei TelefónicaTelefónica, respektive O2, wird es wohl etwas länger dauern. Hier heißt es, dass eine 3G-Abschaltung bis spätestens 2022 angepeilt werde. Nach der Abschaltung wollen die großen Mobilfunkanbieter in Deutschland ihre UMTS-Frequenzen freigeben. Top-500-Firmenprofil für Telefónica Deutschland Holding AG Top-500-Firmenprofil für Telekom Top-500-Firmenprofil für Vodafone
Die Abschaltung wird für viele nicht ohne Folgen bleiben, denn UMTS ist nach wie vor weit verbreitet. Viele Privatanwender und Handy-Nutzer sind betroffen, sie können ihre 3G-Handys künftig nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr nutzen. Auch zahlreiche Unternehmen haben derzeit noch Modems und Router im Einsatz, die als höchsten Standard 3G unterstützen.
Viele Netzwerk-Devices betroffen
Diese Geräte übernehmen oft fundamentale Vernetzungsaufgaben. Sie werden für VPN-Verbindungen zum Firmennetz oder zu Partnerunternehmen genutzt, als Backup-Lösung für den leitungsbasierten Internet-Zugang oder für den mobilen Einsatz. Ein klassisches Beispiel, wie Netzspezialist Erdemir erklärt, ist der HandelHandel. Dort wird häufig mithilfe von Mobilfunk der elektronische Zahlungsverkehr abgesichert. Ein solches Fallback-Szenario wird über einen Router mit integriertem Mobilfunk-Modem und eine entsprechende SIM-Karte gelöst. Wer hier noch mit 3G-Technologie unterwegs ist, sollte, so der Ratschlag des Lancom-Managers, schnell handeln. Top-Firmen der Branche Handel
Datentransfer im Schneckentempo
Nach dem absehbaren Ende von 3G sieht es für etliche Anwender und Unternehmen düster aus: Privatanwender, die Tarife im 3G-Netz nutzen, werden auf das deutlich weniger leistungsfähige 2G-Netz zurückfallen. Die mobile Internet-Nutzung ist dann nicht mehr möglich. Auch bei den meisten Modems und Routern mit UMTS gibt es eine automatische Fallback-Option auf 2G. Mit maximal 220 kbit/s ist an eine vernünftige Datenübertragung dann nicht mehr zu denken.
Unternehmen sollten deshalb ihre Technik auf den Prüfstand stellen: Unterstützt der Router bereits den 4G-Standard? Oder handelt es sich um ein älteres Modell, das jahrelang seinen Dienst geleistet hat und jetzt an seine Grenzen stößt? Rein rechnerisch, so heißt es bei Lancom, lohnt sich die Aufrüstung älterer 3G-fähiger Router nicht, selbst wenn das Funkmodem nur gesteckt ist. In der Regel sei die dahinterliegende Hard- und Software für die neuen Mobilfunkgenerationen nicht leistungsfähig genug.
Anders sieht es wiederum bei 4G-fähigen Routern aus. Zum einen können dort die verbauten LTE-Modems in der Regel per Software-Update in Sachen Performance optimiert werden. Zum anderen ist bei den 4G-Geräten theoretisch ein Update auf 5G denkbar. Allerdings erscheint der Gedanke, dass etwa bei einem großen Filialisten die Techniker in alle Niederlassungen fahren, um vor Ort die Geräte aufzuschrauben und die Funkmodems auszutauschen, unter Kostenpunkten eher bizarr. Hier dürfte der Austausch durch ein 5G-Gerät kaum teurer kommen.
Erste 5G-Router in Sicht
Mit ersten 5G-fähigen Geräten ist wohl gegen Ende des ersten Halbjahrs 2020 zu rechnen. Ein Datum, das man auch bei Lancom anpeilt. Die Geräte, die der deutsche Netzwerkhersteller dann auf den Markt bringt, werden das 5G-Release 15 unterstützen. Devices, die das gerade im industriellen Umfeld interessante 5G-Release 16 beherrschen, dürften noch auf sich warten lassen. In der Branche geht man davon aus, dass Release 16 erst gegen Ende des ersten Halbjahrs 2020 verabschiedet wird. Und dann benötigen die Chipsatzhersteller noch Zeit, um die entsprechenden Modemchips zu produzieren.
Dennoch sollten gerade 3G-Anwender den notwendigen Router-Tausch nicht zu lange hinauszögern. Für die meisten Anwendungsfälle gibt es eine große Auswahl an VoIP- und VPN-Routern, die über ein LTE-Modem verfügen und so eine Ausfall- und Zukunftssicherheit gewährleisten. Allerdings sind auch diese Geräte nicht vor Ungemach gefeit.
Auch LTE-fähige Geräte betroffen
Von der 3G-Abschaltung sind nicht nur die "reinen" UMTS-Nutzer betroffen, wie Lancom-Manager Erdemir erklärt: "Wer LTE-fähige SmartphonesSmartphones oder Router im Einsatz hat, könnte mit dem Wegfall von UMTS in manchen Gebieten zumindest kurzzeitig keinen Internet-Zugang mehr haben." Die Fallback-Strategie der 4G-Geräte sieht meist so aus, dass, wenn kein LTE verfügbar ist, der Datenverkehr in das weniger leistungsstarke UMTS-Netz umgeleitet wird. Fällt dies weg, bleibt nur noch die Nutzung der 2G-Frequenzen - was mehr Kunden betrifft, als viele denken. Alles zu Smartphones auf CIO.de
Laut einer Studie von Opensignal bietet selbst die Telekom als größter Netzbetreiber in Deutschland derzeit "nur" eine 4G-Verfügbarkeit von etwas mehr als 85 Prozent. Von einer flächendeckenden Versorgung sind wir also noch ein gutes Stück entfernt. Das bedeutet für die Netzbetreiber, dass sie sich beim 4G/LTE- und auch 5G-Ausbau beeilen müssen, um zeitnah alle weißen Flecken auf der Landkarte zu schließen.
Nach dem Dieselskandal droht das 3G-Gate
Doch nicht nur Handy-Nutzern und Router-Anwendern droht Ungemach. Vielen Autofahrern müssen nach dem Dieselskandal jetzt ein "3G-Gate" befürchten. Bei BMWBMW könnte aus "Connected Drive" ein Offline Car werden, MercedesMercedes Connect Me könnte sich in ein Disconnected Car verwandeln. Auch in den Telematik-Services jüngerer Fahrzeuge (teilweise Baujahr 2015/16) wurde bis vor kurzem häufig noch ein UMTS-Modem verbaut, LTE war bei vielen Herstellern nur in der Aufpreisliste zu finden. Top-500-Firmenprofil für BMW Top-500-Firmenprofil für Daimler AG
Für betroffene Fahrzeugbesitzer könnte das bedeuten, dass Dienste wie Real Time Traffic Information, Online-Suche, Remote-Services, Online Apps wie News, Tankstellen-, Post-, Restaurant- und Parkplatzsuche etc. nicht mehr funktionieren. Zudem muss der Fahrer dann wohl auch in die Werkstatt, wenn eines der Steuergeräte oder etwa das Navi ein Software-Update benötigt. Nach der 3G-Abschaltung dürfte sich dieses OTA (Over The Air) mit 2G nicht mehr realisieren lassen, denn gerade die Navi-Updates sind häufig mehrere GB groß.
Keine Hilfe durch Autohersteller
Auf Hilfe durch die Hersteller dürfen die "Premium"-Kunden, die häufig mehrere tausend Euro Aufpreis für die Telematik-Geräte bezahlt haben, nicht hoffen. Diese haben sich in ihren AGBs mit Passagen wie
"Hersteller XXX behält sich vor, den Leistungsumfang eines Dienstes zu modifizieren, soweit dem Kunden die Modifikation im Hinblick auf den Gesamtumfang der vereinbarten Dienste zumutbar ist. Bei einer weitergehenden Modifikation des Leistungsumfangs eines Dienstes [...] kann der Kunde diesen Dienst innerhalb von sechs Wochen [...] kostenfrei deaktivieren lassen"
rechtlich abgesichert. Entsprechend voll sind die einschlägigen Autoforen im Internet mit verärgerten Beiträgen von Betroffenen.
Bislang hat kein deutscher Hersteller, egal ob BMW, Mercedes oder VolkswagenVolkswagen eine Umrüstungslösung von 3G auf 4G oder 5G angekündigt. Diese wird es wohl auch nicht geben, da die Systeme in der Regel fest in die Fahrzeugelektronik integriert sind. Mit einem einfachen Austausch des Funkmodems ist es deshalb nicht getan - hier müsste die komplette Head Unit getauscht werden. Diesen Aufwand dürften wohl auch hartgesottene Bastler scheuen. Top-500-Firmenprofil für Volkswagen
Ein Workaround für die UMTS-Abschaltung
Ein kleiner Hoffnungsschimmer besteht zumindest für Besitzer von Telematik-Systemen, die sich auch in ein WLANWLAN einbuchen können (nicht zu verwechseln mit der WLAN-Hotspot-Funktion im Auto). In diesem Fall lässt sich die 3G-Abschaltung austricksen, in dem man einen der zahlreichen mobilen LTE-Router per USB-Zigarettenanzünder-Adapter im Auto installiert. Alles zu WLAN auf CIO.de