Trübe Aussichten
Das China-Geschäft wird härter
Die Stimmung im China-Geschäft kippt. Wer sich zum Jahreswechsel unter deutschen Managern im Reich der Mitte umhört, stößt auf einen pessimistischen Ausblick. Viele kleinere und mittlere Firmen rechnen damit, dass sie die nächsten fünf Jahre in China vielleicht nicht überleben. Große Unternehmen erwarten, stärker in Nischen gedrängt zu werden. Dass jetzt auch noch die Kommunistische Partei im Management deutsch-chinesischer Gemeinschaftsunternehmen mitreden will, zeigt vielen Geschäftsleuten, dass China die Spielregeln in der Wirtschaftskooperation noch weiter verändern will.
Die Deutsche Handelskammer in China (AHK) zeigt sich besorgt über den wachsenden chinesischen Druck auf Unternehmen, Parteizellen größeren Einfluss bei ihren Geschäften in China einzuräumen. In einer ungewöhnlich deutlichen Stellungnahme wurde gewarnt, dass sich deutsche Unternehmen "aus dem chinesischen Markt zurückziehen oder ihre Investitionsentscheidungen überdenken" könnten. Es gebe "keine juristische Grundlage" dafür, Parteivertretern im Vorstand der Joint Ventures jetzt eine Mitsprache einzuräumen. "Freie unternehmerische Entscheidungen sind die Grundlage für Innovation und Wachstum."
Ohnehin haben sich die Bedingungen für deutsche Unternehmen in China verschlechtert. Erstmals will mehr als die Hälfte nicht mehr an neuen Standorten investieren, wie die jüngste Umfrage der Auslandshandelskammer (AHK) ergab. Das Gefühl, in China weniger willkommen zu sein, hat demnach zugenommen. Zwar haben sich die Aussichten für die Entwicklung der zweitgrößten Volkswirtschaft im neuen Jahr wieder verbessert, aber deutschen Unternehmen wird es immer schwerer gemacht, an dem Wachstum auch teilhaben zu können.
Die langsame Geschwindigkeit und die Blockaden des Internets, das Rekrutieren und Halten von Fachkräften, steigende Personalkosten, aber auch wachsender Wettbewerb mit chinesischen Firmen, Markthürden und Protektionismus sind die größten Probleme. Als Gründe für ihre zögerliche Investitionstätigkeit nennen ein Viertel der deutschen Unternehmen die vorherrschende Rechtsunsicherheit und unklare rechtliche Rahmenbedingungen in China. Mehr als 40 Prozent der Firmen rechnen auch damit, dass chinesische Wettbewerber in den nächsten fünf Jahren zu Innovationsführern aufsteigen werden.
Kopfschmerzen bereiten vielen auch die unklaren Auswirkungen des neuen chinesischen Gesetzes zur Cyber-Sicherheit. Es wird befürchtet, dass die geplanten Regelungen zu einer kompletten Offenlegung aller Informationen verpflichten. Dann wären Geschäftsgeheimnisse und geistiges Eigentum "nicht mehr sicher", wird gewarnt. Die Frage ist vor allem, welche Daten auf Servern in China gelagert werden müssen und ob die Verschlüsselung offengelegt werden muss. Problematisch ist auch, dass der grenzüberschreitende Datentransfer streng reglementiert wird.
Wenn die bisher vorliegenden Ausführungsbestimmungen wirklich umgesetzt werden, müssten alle Informationen offengelegt und ein völlig realitätsferner Aufwand betrieben werden, um überhaupt eine Genehmigung für die Übertragung von Daten etwa zum Mutterhaus zu bekommen. Es geht sehr weit gefasst um alle Daten, "die Chinas Politik, Territorium, Militär, Wirtschaft, Kultur, Gesellschaft, Wissenschaft, Technologie, Information, Ökologie, Rohstoffe, Atomeinrichtungen oder nationale Sicherheitsaspekte betreffen oder schädigen", wie es in dem Entwurf der Behörden heißt.
Die deutschen Sorgen verhallen in Peking aber ungehört. Das Kalkül auf chinesischer Seite ist, "dass die deutschen Unternehmen am großen chinesischen Markt schon nicht vorbeikommen", wie geschildert wird. Aber das kann sich ändern. Denn was deutsche Unternehmen von neuen Investitionen in China abhält, sind nicht nur das langsamere Wachstum (42 Prozent der Befragten), sondern auch "strategische Geschäftsüberlegungen des Mutterhauses" (38 Prozent), wie die AHK-Umfrage ergab.
Die Wende hat schon begonnen: Deutsche Direkt-Investitionen in China sind 2016 bereits um 13,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen - aus Europa insgesamt waren es sogar mehr als 20 Prozent weniger. "Ein Grund ist mit Sicherheit, dass das Umfeld nicht leichter geworden ist, sondern schwieriger", sagte der deutsche Botschafter Michael Clauß bei der Vorlage der Umfrage-Ergebnisse. Die Zahl der Unternehmen, die sogar an Abwanderung denken, ist zwar noch klein, aber von zehn auf zwölf Prozent gestiegen. (dpa/ad)