Hamburger IT-Strategietage


IT-Strategietage 2018

Das Ende der Planbarkeit bei der Lufthansa



Christoph Lixenfeld, seit 25 Jahren Journalist und Autor, vorher hat er Publizistik, Romanistik, Politikwissenschaft und Geschichte studiert.

1994 gründete er mit drei Kollegen das Journalistenbüro druckreif in Hamburg, schrieb seitdem für die Süddeutsche Zeitung, den Spiegel, Focus, den Tagesspiegel, das Handelsblatt, die Wirtschaftswoche und viele andere.

Außerdem macht er Hörfunk, vor allem für DeutschlandRadio, und produziert TV-Beiträge, zum Beispiel für die ARD-Magazine Panorama und PlusMinus.

Inhaltlich geht es in seiner Arbeit häufig um die Themen Wirtschaft und IT, aber nicht nur. So beschäftigt er sich seit mehr als 15 Jahren auch mit unseren Sozialsystemen. 2008 erschien im Econ-Verlag sein Buch "Niemand muss ins Heim".

Christoph Lixenfeld schreibt aber nicht nur, sondern er setzt auch journalistische Produkte ganzheitlich um. Im Rahmen einer Kooperation zwischen Süddeutscher Zeitung und Computerwoche produzierte er so komplette Zeitungsbeilagen zu den Themen Internet und Web Economy inklusive Konzept, Themenplan, Autorenbriefing und Redaktion.
Der Trend zur Individualisierung lässt in der Transportbranche keinen Stein auf dem anderen. Das betrifft auch die Lufthansa - auf gleich mehreren Gebieten.
  • Flugzeugtriebwerke melden heute individuell, wann sie den nächsten Service brauchen.
  • Für die Branche, die bisher extrem auf langfristige Planung setzt, ist das eine Revolution.
  • Auch die Kunden der Airlines wollen mehr denn je individuell bedient werden und spontan agieren können.
Christian Langer, Vice President Digital Strategy, Innovation and Transformation bei der Lufthansa Group und zugleich Vice President Digital Fleet Solutions bei Lufthansa Technik sprach auf den Hamburger IT-Strategietagen.
Christian Langer, Vice President Digital Strategy, Innovation and Transformation bei der Lufthansa Group und zugleich Vice President Digital Fleet Solutions bei Lufthansa Technik sprach auf den Hamburger IT-Strategietagen.
Foto: Foto Vogt

Wie extrem Internet und DigitalisierungDigitalisierung die Luftfahrt und die gesamte TransportbrancheTransportbranche gerade durcheinanderwirbeln, das verdeutlicht Christian LangerChristian Langer schon ganz zu Beginn seines Vortrags: Ryanair verzeichne - über seine unterschiedlichen Zugangspunkte - 46 Millionen User Interactions im Monat. Bei einer chinesischen Travelplattform, Tochter von Alibaba, seien es bereits 130 Millionen. Profil von Christian Langer im CIO-Netzwerk Alles zu Digitalisierung auf CIO.de Top-Firmen der Branche Transport

Noch eine Zahl: 2017 flossen 22 Milliarden Euro Wagniskapital in Startups, die - was auch immer - mit Mobility zu tun hatten. Der bei weitem größte Teil wurde in Asien und Nordamerika ausgegeben und nur relativ wenig in Europa. Einziges bedeutsames Transportation-Startup des alten Kontinents ist der französische Mitfahrdienst Blablacar.

Und die Branche ändert sich noch an einer anderen Stelle nachhaltig, nämlich dadurch, dass Unternehmen wie die LufthansaLufthansa durch hohe Rechenkapazität in Verbindung mit steil ansteigenden Datenvolumina gezwungen sind, in der Kapazitäts- und Wartungsplanung völlig umzudenken. Top-500-Firmenprofil für Lufthansa

Triebwerke melden, wie es ihnen geht

Oder man könnte auch sagen, sich darauf einzustellen, dass es diese Planung bald nicht mehr gibt. Christian Langer nennt ein Beispiel: Jede Boing 747 produziert und versendet 1,5 Terrabyte Daten pro Tag. Ein nicht unerheblicher Teil dieser Daten stammt aus den Triebwerken. Deren Hersteller GE hat die Düsen in den zurückliegenden Jahren so sehr mit Sensorik vollgestopft, dass sie jetzt sozusagen in jeder Betriebsminute melden können, "wie es ihnen gerade geht".

Eine Folge davon ist, dass nicht mehr wie bisher bestimmte Chargen von Triebwerken in zuvor festgelegten Intervallen gewartet werden, sondern jedes Triebwerk dann seinen Service bekommt, wenn es - bildlich gesprochen - danach ruft.

Und weil es für die konventionelle Wartung vergleichsweise große personelle Ressourcen braucht, für den neuen On-Demand-Service dagegen nicht, hat Lufthansa TechnikLufthansa Technik in jüngster Zeit 700 Arbeitsplätze abgebaut. Top-500-Firmenprofil für Lufthansa Technik

"Diese neuen Bedingungen", sagt Langer, "werfen bei uns alles über den Haufen." Und mit "alles" meint er, dass sich der Wandel auch an anderen Stellen auf Planungsprozesse auswirkt, beispielsweise bei den Transportkapazitäten. "Den Sommerflugplan für 2019 kennen wir bereits 18 Monate vorher und planen auch entsprechend, in der Personalplanung haben wir einen Vorlauf von fünf Monaten."

Kaufentscheidungen werden spontaner

Grundlage dieser Disposition ist das Denken in Kundensegmenten, also beispielsweise die Annahme, dass Familien in den Sommermonaten in bestimmte - bekannte - Länder reisen wollen.

Mögen zwar Menschen mit schulpflichtigen Kindern weiterhin gezwungen sein, in den Ferienmonaten zu reisen, bei anderen Kundengruppen - und beim Reisen insgesamt - fallen die Kaufentscheidungen heute weitaus spontaner als noch vor fünf Jahren.

Ähnlich wie bei den Triebwerken geht es also immer weniger darum, Segmente zu bedienen, sondern einzelne Kunden mit ihren individuellen Wünschen glücklich zu machen. "Online-Plattformen können das sehr gut", sagt Christian Langer. Weil sie schnell sind und weil sie ihre Daten perfekt im Griff haben.

Und der Megatrend zur Individualisierung setzt sich bei den Assets fort, erzählt der Lufthansa-Stratege. So plane die Leasingfirma Amedeo, gebrauchte A 380 zu kaufen und damit in Zusammenarbeit mit Online-Reisevermitteln gezielt und spontan Kapazitäten anzubieten. Wenn also - zum Beispiel - 20 Airbnb-Kunden von Los Angeles nach Berlin wollen, dann offeriert man ihnen kurzfristig die Flugtickets dazu.

Und getreu dem Mottto ‚If you can´t beat them, join them‘ möchte natürlich auch die Lufthansa selbst vom Trend zur Individualität und Spontanität profitieren. Deshalb arbeitet das Unternehmen mit Kiwi.com zusammen, einer Plattform, über die sich Flüge unterschiedlicher Airlines miteinander verbinden lassen. Ein Ziel dabei: Dem Kunden sofort eine Alternative anbieten, sollte der gebuchte Flug auf einer Teilstrecke ausfallen oder sich massiv verspäten.

Das gesamte Geschäft neu denken

Mitmischen will die Lufthansa zukünftig auch bei der "Urban Air Mobility", also bei fliegenden Taxis, ein Thema, in das zum Beispiel der Stadtstaat Singapur massiv investiert. Ideen und die Technik dazu kommen auch aus Deutschland. Die Firma Volocopter aus Bruchsal baut Minihubschrauber, Lilium aus München einen elektrischen Mini-Jet, der senkrecht startet und landet und bis zu fünf Personen 300 Kilometer weit transportieren kann - mit ebenfalls 300 km/h.

Solche Entwicklungen führten dazu, sagt Langer, das Lufthansa ihr gesamtes Geschäft neu denken muss. Und man sei natürlich auch schon dabei.

Wie? Erstens frage man sich ständig, wie sich im traditionellen Business mit Hilfe der Digitalisierung Dinge verbessern, sich dieses Geschäft noch erfolgreicher gestalten lasse. Antworten sucht man zum Beispiel dadurch, dass Mitarbeiter der Lufthansa kontinuierlich den gesamten Online-Reise-Startup-Markt screenen, immer auf der Suche nach Antworten auf die Frage: Wer kriegt Geld wofür?

Außerdem durchforstet man auch unzählige Artikel und Publikationen, die sich mit dem Reisemarkt beschäftigen. Erkenntnisse dieser beiden Aktivitäten werden dann zu so genannten Fokusfeldern verdichtet, also zu Themen, um die sich Lufthansa künftig - in welcher Form auch immer - kümmern will.

Ein Ergebnis davon ist Smile, Lufthansas Programm zur Individualisierung und Personalisierung des eigenen Angebots. Und das kombiniert mit Services. So hat die Airline 15.000 Flugbegleiter mit iPads ausgestattet, damit diese an Bord nachsehen können, wo die Vegetarier sitzen und wo die Vielflieger.

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