Klimawandel, na und?
Das Geschäft mit dem Weltraum-Tourismus
Wer als Urlauber schon immer mal in die Geschichtsbücher eingehen wollte, hätte dazu wohl im nächsten oder übernächsten Jahr Gelegenheit. Zu buchen gibt es einen Flug zur Internationalen Raumstation (ISS) samt Spaziergang im Weltall. "Das hat noch nie eine Privatperson zuvor gemacht", sagt Tom Shelley. Als Chef des auf Weltraum-Tourismus spezialisieren US-Unternehmens Space Adventures verkauft er den Trip gemeinsam mit Russland.
Der Ausflug ist nur etwas für Schwerreiche. "Der Preis ist doch sehr hoch, deshalb gibt es nicht sehr viele, die sich das leisten können", räumt Shelley in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur in Moskau ein. Ein Flug zur ISS mit der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos kostet nach seinen Angaben umgerechnet bis zu 50 Millionen Euro. Die für 2023 oder 2024 geplante Tour mit dem Weltraumspaziergang dürfte noch teurer werden.
Weltraum-Tourismus
Der Weltraum-Tourismus hat 2021 viel Aufmerksamkeit erlebt - auch wegen des Wettrennens zweier Milliardäre. Im Sommer testeten erst der britische Milliardär Richard Branson und kurz darauf Amazon-Gründer Jeff Bezos ihre Raketen. Bezos schickte in den Monaten darauf noch zwei weitere Flüge mit insgesamt zehn Passagieren in den Weltraum - darunter der Schauspieler William Shatner, bekannt als Captain Kirk aus "Raumschiff Enterprise".
Für 2022 hat Bezos weitere Kurz-Trips ins All angekündigt, die Nachfrage nach Tickets sei sehr hoch. Auch Branson will Flüge anbieten.
Mit Elon Musk schickte noch ein weiterer Milliardär mit eigener Raumfahrtfirma 2021 Touristen ins All. Seine vier Passagiere - keiner von ihnen ausgebildeter Astronaut - verbrachten mehrere Tage im All und umkreisten an Bord eines "Crew Dragon" etliche Male die Erde.
2022 will das Unternehmen Axiom Space in einer ersten solchen Kooperation mit der US-Raumfahrtbehörde Nasa Touristen zur ISS bringen. Roskosmos flog gerade erst den japanischen Milliardär Yusaku Maezawa und seinen Assistenten Yozo Hirano zur ISS.
Der Weltraum-Tourismus hat deutlich angezogen, von einem Boom kann aber noch keine Rede sein - dafür sind nicht nur die Preise viel zu hoch, sondern auch die Raumschiffe und die ISS schlicht zu klein. Seit 2001 haben es gerade einmal neun Privatleute zur ISS geschafft. Nachdem die US-Raumfahrtbehörde Nasa ihre bemannten Flüge zur ISS eingestellt hatte, flogen von 2011 bis 2020 nur noch russische Sojus-Raketen. Seit anderthalb Jahren sind private Raumschiffe im Auftrag der Nasa unterwegs - damit kann der Tourismus wieder angekurbelt werden.
Trainingsprogramm für Touristen
Russland wiederum hat seine Raumschiffe so umgebaut, dass sie von nur noch einem ausgebildeten Kosmonauten gesteuert werden können. Damit haben nun zwei Touristen Platz in der Sojus. Im Herbst testete Russland zudem ein extrakurzes Trainingsprogramm für Touristen. Dennoch müssen die Reisenden viel Zeit mitbringen: Für Ausbildung und Flug müsse man drei bis vier Monate veranschlagen, sagt Shelley. "Viele haben Verpflichtungen im Leben, da ist es schwierig, einen freien Zeitraum zu finden."
Die andere Sache ist die Gesundheit. "Wir haben im Laufe der Jahre daran gearbeitet, die Anforderungen für Privatpersonen zu senken", sagt der Chef von Space Adventures. "Man muss nicht perfekt sein. Es ist in Ordnung, ein paar kleine gesundheitliche Probleme zu haben. Solange wir die Risiken kennen, können wir sie managen." Bislang gibt es kaum Erfahrungswerte, wie zum Beispiel der Körper älterer Menschen mit der Schwerelosigkeit zurechtkommt - für Flüge etwa zum Mars könnten solche Daten durchaus interessant werden.
Von vielen Seiten kommt scharfe Kritik am Weltraum-Tourismus, etwa von Umweltschützern, Politikern und Prominenten: Es sei ein Geschäft von Reichen und für Reiche, das weitgehend ohne wissenschaftliche, dem Wohl der Menschheit dienende Forschungsinteressen und ohne Rücksicht auf das Klima vorangetrieben werde, heißt es. Bei den Raketenstarts werden Unmengen an Treibstoff benötigt, auch der Material- und Logistikbedarf ist immens, die Pro-Kopf-Klima-Bilanz für All-Touristen entsprechend verheerend.
Bei Astronauten und Kosmonauten nationaler Raumfahrtbehörden kam Kritik auf, weil sich Weltraum-Touristen gerne mal als Astronaut bezeichnen, selbst wenn sie nur einige Minuten staunend im All verbrachten. Die US-Luftfahrtbehörde FAA beendete aufgrund der Zunahme der Zahl an Weltraum-Touristen zum Jahresende ein Programm, bei dem jeder, der im All war, eine begehrte Flügel-Brosche bekam. "Das 2004 ins Leben gerufene Astronauten-Flügel-Programm hat seinen ursprünglichen Zweck erfüllt, dieser Herausforderung mehr Aufmerksamkeit zu bringen", sagt FAA-Chef Wayne Monteith. Anstelle dessen würden ins All geflogene Menschen nun nur noch im Internet aufgelistet. (dpa/rs)