Netflix, Paypal, Twitter ausgefallen
Das Internet der Dinge schlägt zurück
Das Internet mit seinen vielen Diensten nimmt einen immer zentraleren Platz in unserem Leben ein - doch es bleibt dramatisch verwundbar. Das wurde wieder deutlich, als für Millionen Menschen auf der ganzen Welt am Freitag über Stunden immer wieder populäre Dienste wie TwitterTwitter, Netflix oder Paypal wegen einer Online-Attacke ausfielen. Alles zu Twitter auf CIO.de
Die Methode war dabei an sich brutal einfach: Es war eine dieser sogenannten DDOS-Attacken, bei denen Websites mit einer Flut von Anfragen bombardiert werden, bis sie in die Knie gehen. Eigentlich hat die IT-Sicherheitsbranche Methoden entwickelt, wie sie damit fertig werden kann.
Doch die Attacke von Freitag war besonders wuchtig. Dafür sorgte, dass die unbekannten Angreifer eine Armee aus vernetzten Geräten rekrutieren konnten: IP-Kameras, Drucker, Router, Baby-Monitore, TV-Festplatten-Receiver. Schwachstellen in der Software der Geräte machen es möglich, dass Hacker ihre Rechenleistung kapern und daraus sogenannte Botnets aus Millionen Geräten knüpfen können, die sie zentral steuern.
Bisher wurden so vor allem PCs ohne das Wissen ihrer Besitzer missbraucht, doch mit der Ausbreitung der vernetzen Heimelektronik wachsen auch die Möglichkeiten der Hacker: Milliarden solcher Geräte sind bereits im Alltag aktiv und Dutzende Milliarden werden folgen. Der Trend zum Internet der Dinge ist nicht mehr aufzuhalten. Und obwohl Experten schon lange vor Sicherheitslücken warnen, legen viele Anbieter vor allem günstiger Geräte immer noch keinen Wert auf ausreichende Schutzmaßnahmen. In mancher Technik, die in den Haushalten steht, sei es technisch nicht einmal möglich, die Schwachstellen zu stopfen, mahnen Fachleute.
Die Attacke von Freitag war auch deshalb so verheerend, weil die Angreifer einen neuralgischen Knotenpunkt des Netzes ins Visier nahmen: Das sogenannte Domain-Name-System (DNS), von dem die Webadressen wie twitter.com, die wir in die Internet-Browser eintippen, in die eigentlichen IP-Adressen der Websites übersetzt werden. Legt man also solche Dienste lahm, können auf einen Schlag viele Websites abgeschnitten werden, selbst wenn ihre eigentliche Infrastruktur perfekt funktioniert.
Diesmal traf es den amerikanischen DNS-Dienst Dyn, der die Adressen für verschiedenste Anbieter umsetzt. "Wir werden von Dutzenden Millionen IP-Adressen aus der ganzen Welt angegriffen", beschrieb Dyn-Manager Kyle York das Ausmaß der Attacke.
"Ich bin überzeugt, dass diese Infrastruktur des Internets der Dinge insgesamt sehr gefährlich ist und jeder, der etwas dagegen tun kann, darauf aufmerksam werden sollte", sagte Allison Nixon, Forschungschefin beim IT-Sicherheitsspezialisten Flashpoint dem Fachblog "Krebs on SecuritySecurity". Alles zu Security auf CIO.de
Diese Website des IT-Journalisten und Sicherheitsexperten Brian Krebs war im September zum Ziel eines Probelaufs der neuen DDOS-Superwaffe geworden. Sein Web-Dienstleister Akamai erklärte damals, man habe noch nie eine Attacke in dieser Dimension gesehen - das sei ein schlechtes Vorzeichen für die Zukunft. Obwohl Akamai in der Abwehr von DDOS-Attacken erfahren ist, war das Unternehmen nicht in der Lage, Krebs' Website zu schützen.
Der Angriff am Freitag wird vom FBI und dem US-Heimatschutzministerium untersucht. Schließlich ist die Stimmung vor der in rund zwei Wochen anstehenden Präsidentenwahl und nach den jüngsten Hacker-Angriffen - unter anderem auf den Parteivorstand der Demokraten - ohnehin angespannt.
Nun vermuten einige Experten auch einen politischen Hintergrund für die jüngsten DDOS-Angriffe. Inzwischen wäre es nicht einmal mehr unvorstellbar, dass gezielte Attacken die für US-Bürger im Ausland mögliche Abgabe von Stimmen bei der Präsidentenwahl verhindern und so das Ergebnis beeinflussen.
Der IT-Sicherheitsforscher Bruce Schneier erkannte hinter den aktuellen Attacken das Muster von Belastungstests bei Firmen, die eine wichtige Rolle für die Internet-Infrastruktur spielen. "Diese Versuche nehmen die Form präzise kalibrierter Attacken an, die herausfinden sollen, wie gut diese Unternehmen sich schützen können - und was nötig sein wird, um sie lahmzulegen", schrieb Schneier in einem Blogeintrag. "Wir wissen nicht, wer dahintersteckt, aber es sieht nach einem großen Land aus. Ich würde als erstes auf China oder Russland tippen." (dpa/rs)