AIX, HP-UX, Solaris, IRIX
Das lange Sterben der kommerziellen Unix-Varianten
- Das Schicksal von AIX, HP-UX und Solaris ähnelt dem des Mainframe: In den Nische dürften die Systeme noch lange existieren
- IBM gibt 34 Milliarden Dollar für den Linux-Pionier Red Hat aus - was heißt das für AIX?
- Harte Partitionierung der Unix-Systeme kann Kostenvorteile bei Softwarelizenzen (Oracle!) zur Folge haben
In den 90er Jahren, teilweise auch noch im neuen Jahrtausend war Unix gesetzt, wenn Unternehmen geschäftskritische Anwendungen ausfallsicher und performant betreiben, aber keinen Mainframe nutzen wollten. IBM, Hewlett-Packard und Sun Microsystems waren die wichtigsten Anbieter, SGI spielte am Rande eine Rolle. Jeder dieser Anbieter hatte seine eigene Unix-Variante und seine eigene RISC-Prozessorarchitektur. x86-Server wurden bestenfalls als File- und Print-Server oder für einfache Abteilungsaufgaben verwendet.
Inzwischen haben sich Intel-Server unter Linux durchgesetzt, auch Windows-Server spielen eine wichtige Rolle. Praktisch jeder Supercomputer auf der Liste der Top 500 läuft mit einer Linux-Variante und x86-Prozessoren. SGI ist vom Markt verschwunden, Sun kam unter dem Dach von Oracle nicht mehr auf die Beine. HP Enterprise liefert nur noch wenige Unix-Server pro Jahr aus, vor allem als Upgrade für Kunden mit alten Installationen. Nur IBM ist noch im Spiel und liefert neue Systeme auf Basis eines ständig weiterentwickelten AIX.
"Der Unix-Markt geht unaufhaltsam zurück", beobachtet Daniel Bowers, der bei Gartner für IT-Infrastruktur und -Betrieb verantwortlich ist. "Nur einer von 85 Servern, die derzeit in Betrieb genommen werden, verwendet noch eines der Unix-Derivate Solaris, HP-UX oder AIX. Die meisten Unix-Anwendungen, die einfach auf Linux oder Windows zu portieren waren, sind diesen Weg längst gegangen."
Einige Branchen haben ältere Unix-Systeme im Einsatz
Das meiste, was heute noch auf Unix-Systemen läuft, sind individuell angepasste, geschäftskritische Workloads in Branchen wie Finanzdienstleistungen, dem Gesundheitswesen und einigen Industriekonzernen. Es sei zu teuer und riskant, diese Applikationen zu migrieren, meint Bowers. Auch in 20 Jahren werde es wohl noch Unix-Programme geben.
Gartner erhebt nicht die installierte Basis, sondern nur neue Umsätze, und hier ist der Trend eindeutig rückläufig. Im ersten Quartal 2014 belief sich der Umsatz mit Unix-Lizenzen auf 1,6 Milliarden Dollar, im ersten Quartal 2018 lag er bei nur noch 593 Millionen Dollar. Unix-Verkäufe finden fast nur noch im Segment der High-End-Server statt. Die Hersteller sind auffallend wortkarg, wenn es um ihre Unix-Zahlen geht. IBMs Red-Hat-Übernahme zeigt, wohin der Trend geht. "Ich sehe IBM 34 Milliarden Dollar in Red Hat investieren, aber ich sehe sie nicht 34 Milliarden Dollar für AIX ausgeben", unkt Bowers.
Steve Sibley, bei IBM als Vice President für Cognitive Systems zuständig, erkennt das Offensichtliche an, sagt aber auch, dass IBM auch in zehn Jahren noch eine beträchtliche Anzahl von AIX-Kunden haben werde. Die Mehrheit davon zähle zu den 500 größten Unternehmen der Welt. Sibley glaubt auch, dass etliche Mittelständler dem IBM-Unix treu bleiben werden, "weil sie das Geld nicht ausgeben wollen, um von AIX wegzukommen".
Eine 80-20-Regel glaubt Rob McNelly aufstellen zu können. Der Senior AIX Solution Architect beim IT-Dienstleister Meridian IT stellt fest, dass 80 Prozent der Kunden keine neuen Anwendungen auf AIX entwickeln, aber 20 Prozent dem System nicht nur treu bleiben, sondern auf dieser Plattform sogar expandieren. Bei diesen 20 Prozent handele es sich um große, für IBM strategisch wichtige Konzernkunden. Sie würden dafür sorgen, dass AIX weiter einen Footprint im Markt haben werde. Der Gesundheitssektor etwa brauche stabile Produktionsumgebungen und wisse die Stabilität und Sicherheit von AIX zu schätzen. Auch würden manche langjährig eingeführte ERP-Umgebungen am einfachsten und sichersten weiter auf dem System betrieben.
Neue Anwendungen indes laufen laut McNelly auf Linux, was eine gewisse Migration aus der AIX-Welt nach sich ziehe. Statische Umgebungen, die nur selten geändert werden, könnten aber auch gleich auf der AIX-Plattform bleiben. Wenn Unternehmen die Stabilität ihrer Unix-Umgebung analysierten und den zu erwartenden Migrationsaufwand berechneten, gebe es kaum Sinn, eine gut funktionierende Welt zu verlassen, für die es zudem immer noch eine überzeugende Roadmap gebe.
Tatsächlich betreffen die Beschwerden, die Gartner-Analyst Bowers über Linux hört, nicht das Betriebssystem selbst, sondern die Hardware, auf der es läuft. Viele Unix-Systeme bieten eine sogenannte harte Partitionierung an, also physisch getrennte Partitionen auf dem Rechner. Das habe einige Sicherheits- und Compliance-Vorteile. Außerdem bestraften Anbieter wie Oracle mit ihrer Lizenzpolitik Soft-Partitioning und belohnten im Gegenzug Kunden, wenn sie Unix-Systeme mit harter Partitionierung einsetzen.
Obwohl Unix zweifellos im Niedergang begriffen ist, müssen sich die Anwender wohl keine allzu großen Sorgen machen. Oracle hat die Entwicklung des Sun-Systems Solaris zwar weitgehend eingestellt, sich aber immerhin verpflichtet, diese Unix-Variante bis 2034 zu unterstützen. Bei HP Enterprise heißt es, dass die verschiedenen HP-UX-Server noch bis zu fünf Jahre nach ihrem Auslaufdatum unterstützt werden sollen. IRIX von SGI ist allerdings schon seit 2006 nicht mehr auf dem Markt und wird auch nicht mehr supported.
Fehlende Skills könnten AIX zusetzen
Sibley glaubt nicht, dass sich IBM so bald von AIX verabschieden wird. Der Hersteller denke eher darüber nach, wie das System ausgebaut und wie den Kunden Migrationspfade eröffnet werden könnten. Die heute noch vorhandenen User würden eher mehr als weniger mit AIX tun. Der einzige Grund, warum sie ihre Meinung irgendwann ändern könnten, sei ein Mangel an qualifizierten Mitarbeitern, die AIX beherrschen. Solange das nicht der Fall sei und IBM immer wieder neue Releases herausbringe, hätten die Kunden keinen Grund, in Panik zu verfallen.
Auch Joshua Greenbaum, Principal Analyst bei Enterprise Applications Consulting, sieht eine stabile Zukunft für Unix, wenn auch in einer sich stetig verkleinernden Marktlücke. "Unix wird genauso wenig sterben wie Mainframe-Systeme, die ja immer noch im Einsatz sind. Aber dieses Zeug verschwindet mehr und mehr aus dem Blickfeld, weil es an strategischem Wert verliert."
Gartner-Analyst Bower prophezeit: "Bis 2020 wird Unix nur noch drei Prozent der gesamten Serverumsätze ausmachen, gegenüber acht Prozent heute. Die Anwender werden sich langsam verabschieden, Unix wird nach und nach verblassen."
Tatsächlich wird Unix am Ende wohl nicht für Enterprise-Server, sondern für den Consumer-Markt erfolgreich bleiben. Die Apple-Betriebssysteme MacOS und iOS sind beide von FreeBSD abgeleitet, einem Open-Source-Unix-Derivat. Und diese installierte Basis dürfte so schnell nicht vom Markt verschwinden.