Top 10 - Urs Widmer, ABB
Das Organisationstalent
Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
Immer mehr CIOs von Großunternehmen befassen sich neben konkreten technischen Projekten intensiv mit der idealen Aufstellung der IT. Ein Beispiel für diesen Trend ist Urs Widmer, CIO von ABB Deutschland, der nicht ganz zufällig auch einen Abschluss als Executive MBA an der einschlägig bekannten Hochschule St. Gallen besitzt. Der sympathische Schweizer ist davon überzeugt, dass es nicht ausreicht, dass die IT grundsätzlich ihren Dienst tue. Um überlebensfähig zu sein, müsse sie einen nachhaltigen Mehrwert für das Business bieten und die Differenzierung von den Mitbewerbern ermöglichen.
Um das Potenzial der IT bei ABB Deutschland im Verbund mit dem Konzern voll zu erschließen, rief Widmer 2008 das Change-Projekt connectIT ins Leben. In dessen Rahmen sollten alle relevanten und auf die Zukunft ausgerichteten organisatorischen Bestandteile des Business und der IT anhand von gemeinsam abgestimmten Prozessen miteinander verbunden werden. Damit sollte die Voraussetzung geschaffen werden, um nachweisbar über die IT einen Mehrwert zu schaffen.
Als Resultat des Projekts sieht Widmer ABB in Deutschland nun besonders innovativ aufgestellt, wenn es darum geht, sich entsprechend zu organisieren und die auf dem Markt vorhandenen Möglichkeiten des IT-Managements zu nutzen. Innovation in Organisation, Prozessen und Kultur lasse sich einfach weniger kopieren wie Technologie-Innovation, und die Differenzierung gegenüber Wettbewerbern sei nachhaltiger.
Eine funktionierende Prozessorganisation mit kompetenten und motivierten Mitarbeitenden, ausgerichtet am Geschäft, sieht Widmer als wesentliche Voraussetzung, um Erfolg zu haben: "Ein Stuhl steht am stabilsten auf drei Beinen. Im Unternehmen wären das Organisation und Prozesse, Mensch und Kultur sowie Technologie und Systeme. Veränderungen sind erfolgreich, wenn diese drei Komponenten in dieser Reihenfolge berücksichtigt werden," erklärt der 49-Jährige.
Seine strategische Position beschreibt der studierte Maschinenbauer als relativ nah am Daily Business - wenn auch immer mit einem Auge in die Ferne gerichtet. In den vergangenen zwei Jahren standen bei dem Country-CIO von ABB Deutschland auch einige technische IT-Projekte auf der Agenda, darunter eine - inzwischen fast abgeschlossene - ERP-Konsolidierung mit einheitlichen Personalwirtschafts- und Finanzbuchhaltungs-Prozessen.
Skeptisch ist der CIO gegenüber IT-Hypes. So hat sich Widmer etwa seine eigene Meinung zum viel gepriesenen Konstrukt Service-oriented Architecture (SOA) gebildet: "SOA ist ein großes Wort." Es sei zwar prinzipiell gut, den prozessunterstützenden Services eine flexible Struktur zu geben, um die Agilität zu erhöhen. Wer jedoch solle dabei den Überblick behalten? Um SOA effektiv und effizient betreiben zu können, fehlten momentan oft die organisatorischen Voraussetzungen. Als Ideal denkt Widmer dabei an eine "mittlere Kraft" aus Prozess-Ownern und Architekten, welche die Fachbereiche und IT zusammenhält und das Business in einem iterativen Prozess gemeinsam weiterentwickelt.
Auch Cloud Computing findet der CIO von ABB Deutschland grundsätzlich spannend. Aber dahinter stecke tatsächlich etwas Wolkiges, scherzt er. Man müsse aufpassen, dass man mit dem Auslagern in die Cloud nicht vieles unter den Teppich wische.
Anstatt solche Themen mit hochzukochen, bewahre er lieber einen kühlen Kopf, so Widmer. "Selbstverständlich müssen wir die Technologieentwicklungen aufmerksam verfolgen und rechtzeitig fürs Business nutzen." Jedoch sei es mindestens ebenso wichtig, die Hausaufgaben in der notwendigen Tiefe und nachhaltig zu erledigen.
Im Gegensatz zu seinem durchorganisierten Arbeitsalltag zeichnet sich das Privatleben von Widmer eher durch Freiheit von Zeitplänen aus. Als Ausgleich schwingt er sich gerne auf Rennrad.
Urs Widmer, ABB
Position: Country CIO.
Branche: Energie- und Automationstechnik.
Ein CIO ist dann erfolgreich ... wenn er dem Business-Management in dessen Sprache die Geschäftspotenziale durch den Einsatz von IT aufzeigt und dafür sorgt, dass diese nachhaltig zum Erreichen der Geschäftsziele beitragen.
Er liest gerade ... "Information Orientation - The Link to Business Performance" von Donald Marchand, William Kettinger und John Rollins.
Er ärgert sich über ... Ineffizienzen in allen Bereichen und wenn mir externe Dienstleister ein X für ein U verkaufen wollen.
Ein Leben ohne Blackberry ist für mich … über einen bestimmten Zeitraum kein Problem, was eine reine Frage der Organisation und des Verhaltens meines Umfelds ist (Erziehungssache).
Wichtigstes Projekt: connectIT
Beschreibung: Der Name ist Programm. Es geht darum, alle relevanten und auf die Zukunft ausgerichteten organisatorischen Bestandteile des Business und der IT anhand von gemeinsam abgestimmten Prozessen miteinander zu verbinden - "IT thinks Business und Business thinks IT". connectIT schafft die Basis für den weiteren Aufbau einer nachhaltig wertorientierten IT.
Kernprodukte: SAP, iXOS, Lotus Notes, Microsoft
Herausforderungen: Durch die frühe Einbindung aller Stakeholder und insbesondere der Mitarbeitenden sowie durch die offene Kommunikationen gab es keinen Widerstand. Es stand eher die Frage im Raum, ob wir das, was wir uns vornehmen, auch tatsächlich umsetzen könnten. Die größte Herausforderung war der kulturelle Wechsel von einer ausführenden in eine treibende Organisation sowie das Leben eines habitualisierten Dienstleistungsverhaltens.
IT-Umgebung: Wir fahren einen föderalistischen, am Business ausgerichteten Ansatz mit einer starken, zentralen IT-Abteilung und Multiplikatoren in den Geschäftseinheiten.
Zeitrahmen: 15 Monate
Projektmitarbeiter: 110 (IT-Mitarbeiter insgesamt: 110)
Projektbudget: 0,5 Millionen Euro (IT-Budget allg: 75 Millionen Euro)