IT-Tops und -Flops 2023

Das prognostiziert die Redaktion

Karen Funk ist freie IT-Fachjournalistin und Autorin. Bis Mai 2024 war sie Redakteurin beim CIO-Magazin und der COMPUTERWOCHE (von Foundry/IDG). Zudem leitete sie 17 Jahre lang den renommierten IT-Wettbewerb CIO des Jahres. Funk setzt sich seit vielen Jahren für mehr Frauen in der IT und für digitale Bildung ein. 2024 erschien ihr Buch "Hack the world a better place: So gestalten Unternehmen die Zukunft", das sie mit Julia Freudenberg, Geschäftsführerin der Hacker School, zum Thema Corporate Volunteering geschrieben hat.
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.

Top: KI und andere Tools im Recruiting

Hans Königes, Ressortleiter KarriereKarriere (COMPUTERWOCHE), ist sich sicher, dass im nächsten Jahr KI einen viel wichtigeren Beitrag im Personalbereich leisten wird: "KI kann schon im Vorfeld helfen zu ermitteln, ob Bewerbende und Arbeitgeber zusammenpassen. Im gesamten Einstellungsverfahren (Onboarding) lässt sich für neue Beschäftigte - weitgehend automatisiert - vieles von dem vorbereiten, was den ersten Tag im neuen Job zu einem Freudentag machen kann (und nicht zu einem Tag der Enttäuschung, was leider oft passiert). Alles zu Karriere auf CIO.de

Und schließlich helfen Tools beim Fördern, Entwickeln und Binden von Mitarbeitenden - angefangen mit einer detaillierten Profildatenbank, die sämtliche Qualifikationen und Präferenzen enthält, bis hin zu IT-gestützten regelmäßigen Befragungen, die die Stimmung im Unternehmen wiedergeben.

Aber: All das funktioniert nur in einer innovativen Kultur, die auf allen Ebenen Mitarbeiterbeteiligung vorsieht und in der Produkte so vorangetrieben werden, dass die Beteiligten den Sinn (neudeutsch: Purpose) erkennen. Zum Schluss noch eine Kennzahl - viele Führungskräfte verlassen sich ja in erster Linie auf zahlen heute: Es ist ein guter Wert, wenn 70 bis 80 Prozent der Belegschaften ihren Arbeitgeber weiterempfehlen. Ich kenne genügend HR-Verantwortliche, die unter der Hand zugeben, dass bei ihnen die Zahl unter 50 Prozent liegt)."

Flop: Eine isolierte HR-Abteilung

Königes ist der Meinung, dass im kommenden Jahr Personal- und IT-Abteilungen viel enger zusammenarbeiten müssen, wenn es mit dem Recruiting und der Mitarbeiterbindung klappen soll:

"In wohl kaum einem anderen Bereich wie dem der HR könnte Technologie so gut helfen, die aktuellen Herausforderungen zu meistern - die da zum Beispiel wären: der dramatische demografische Wandel (ein paar Millionen Baby Boomer verabschieden sich in den nächsten Jahren in den Ruhestand), der FachkräftemangelFachkräftemangel oder auch das veränderte Verständnis von Arbeit in den Augen der Generation Z. Es wird darauf ankommen, dass sich die Personaler öffnen und den Technologieeinsatz in ihren Bereichen deutlich intensivieren." Alles zu Fachkräftemangel auf CIO.de

Hans Königes, Redaktion COMPUTERWOCHE: "HR und IT müssen noch mehr zusammenwachsen."
Hans Königes, Redaktion COMPUTERWOCHE: "HR und IT müssen noch mehr zusammenwachsen."
Foto: IDG / Tobias Tschepe

Top: Vulnerability Management

Mit den IT-Sicherheitstrends beschäftigt sich Melanie Staudacher, Redakteurin bei CSO Online. Sie ist überzeugt: "Aus der Security-Sicht wird im nächsten Jahr das Schwachstellen-Management noch einmal einen gewaltigen Schub erleben. Mit Vulnerability-Management-Lösungen, die die kritischsten Schwachstellen aufzeigen und Anweisungen für deren Behebung geben, können die Verantwortlichen das Sicherheitsniveau deutlich anheben. Wichtig ist jedoch, dass die Scans regelmäßig über das gesamte Unternehmen hinweg gemacht werden."

Flop: Secure Access Service Edge (SASE)

"Als absoluter Flop hat sich für mich SASE erwiesen. Mit Secure Access Service Edge hat Gartner eher einen neuen Modebegriff geschaffen als ein praxistaugliches Konzept. Der Gedanke hinter SASE, Netzwerk- und Sicherheitsfunktionen zu vereinen, ist gut, aber nicht neu. So hat der Begriff eher für Verunsicherung gesorgt."

Im neuen Jahr werden Unternehmen das Schwachstellen-Management ernster nehmen, sagt CSO-Redakteurin Melanie Staudacher.
Im neuen Jahr werden Unternehmen das Schwachstellen-Management ernster nehmen, sagt CSO-Redakteurin Melanie Staudacher.
Foto: Robin Sedlmeir

Top: Angriffsmuster mit Machine Learning erkennen

Julia Mutzbauer, ebenfalls Redakteurin bei CSO Online, glaubt an den Einsatz von künstlicher Intelliigenz und Machine Learning (ML) im Bereich Cybersicherheit. "Unternehmen können Schwachstellen in Netzwerken sehr viel schneller und verlässlicher aufspüren", so Mutzbauer. Automatisierung halte im Bereich der IT-Sicherheit Einzug, was zu viel schnelleren Reaktionszeiten führe. Angreifern mache diese Entwicklung das Leben schwerer.

Flop: Die Sicherheit der Multifaktor-Authentifizierung

Mutzbauer warnt indes davor, dass die Zahl der Angriffe durch Umgehung der Multifaktor-Authentifizierung (MFA) 2023 weiter zunehmen werde: "Cyberkriminelle sind gut darin, menschliche Verhaltensweisen zu beobachten und auszunutzen. Mit Hilfe von Social Engineering finden sie immer neue Wege, um an Anmeldedaten zu gelangen. Sicherheitsexperten haben bereits vor zwei Jahren Schwachstellen in Microsoft 365 entdeckt, die die Umgehung der MFA ermöglichen."

Julia Mutzbauer, Redaktion CSO Online, rechnet damit, dass der Einsatz von ML und KI in der IT-Security dazu beitragen wird, Angriffsmuster frühzeitig zu erkennen.
Julia Mutzbauer, Redaktion CSO Online, rechnet damit, dass der Einsatz von ML und KI in der IT-Security dazu beitragen wird, Angriffsmuster frühzeitig zu erkennen.

Top: Process Mining, Orchestration, Automation

Martin Bayer, Deputy Editorial Director der COMPUTERWOCHE, ist überzeugt: "Rezession, Inflation, hohe Energiepreise und unterbrochene Lieferketten - auch das Jahr 2023 dürfte für die meisten Unternehmen wirtschaftlich eine Herausforderung werden. Umso wichtiger, dass die Prozesse effizient funktionieren. Das reicht von den internen Abläufen bis hin zu den Beziehungen mit Lieferanten, Partnern und Kunden. Sand im Prozessgetriebe mit den damit verbundenen Reibungsverlusten kann sich keiner leisten.

Vor diesem Hintergrund werden 2023 Tools für das Analysieren, Optimieren und Automatisieren von Prozessen stark gefragt sein. Verschiedene Disziplinen kommen an dieser Stelle ins Spiel: Das reicht vom Process Mining über die Orchestrierung von Datenflüssen sowie die Automatisierung von Abläufen mittels Robotic Process Automation (RPA) bis hin zu Low-Code/No-Code-Werkzeugen, mit deren Hilfe sich Anwender in den Fachabteilungen ihren Workplace selbst einrichten können.

Martin Bayer, Redaktion COMPUTERWOCHE: "2023 werden Tools für die Analyse, die Optimierung und Automatisierung von Prozessen stark gefragt sein."
Martin Bayer, Redaktion COMPUTERWOCHE: "2023 werden Tools für die Analyse, die Optimierung und Automatisierung von Prozessen stark gefragt sein."
Foto: virtual identity

In diesem Softwareumfeld hat sich in den vergangenen Jahren schon unheimlich viel getan. Die Hersteller werden weiter mit Hochdruck an zusätzlichen Funktionen schrauben. Am Ende dürften regelrechte Process-Suiten herauskommen, die User, Abläufe, Daten und Tools agil und flexibel miteinander verknüpfen - und wer weiß, vielleicht machen diese Prozess-Werkzeugkästen irgendwann einmal die großen Business-Softwaresuiten à la SAP und Oracle obsolet."

Flop: Das Metaverse

Keine gute Prognose gibt Bayer dem vermeintlichem Megatrend Metaverse: "Es bleibt einsam im virtuellen Universum. Facebook-Gründer Mark Zuckerberg hat sich mit seiner Milliarden-Wette aufs Metaversum gründlich verzockt. Eine virtuelle Parallelwelt, die Mann/Frau nutzen sollen wie heute das Internet, braucht keiner. Zumal offenbar nicht einmal die Meta-Mitarbeitenden selbst einen Mehrwert in der Nutzung des eigenen 'Horizon'-Metaversums erkennen können.

Mit VR-Brillen virtuelle Welten zu erkunden, wird bestimmten Einsatzbereichen vorbehalten bleiben. Spieler, Designer, Produktentwickler - sie werden sich auch 2023 in ihren Metaversen tummeln. Doch das werden begrenzte, auf bestimmte Einsatzszenarien hin zugeschnittene virtuelle Räume bleiben. Das gibt auch für Unternehmen Sinn - und nicht überteuerte Grundstücke in einem fast leeren Metaversum zu kaufen, ohne zu wissen, was man dort eigentlich anfangen soll.

Fliegt das Metaverse?
Fliegt das Metaverse?
Foto: Elms Art - shutterstock.com

Der Hype, den Zuckerberg mit vielen Milliarden Dollar zu entfachen versuchte, wird 2023 verpuffen. Die Menschheit hat genügend Probleme in der wirklichen Welt zu lösen. Den Nachweis, wie eine virtuelle Parallelwelt dabei helfen könnte, sind die Verfechter bislang schuldig geblieben - Realverse ist angesagt, nicht Metaverse."

Top: Neue Innovationen bei Smartphones

In Sachen mobile Endgeräte ist Manfred BremmerManfred Bremmer, Senior Editor IoT and Mobile (COMPUTERWOCHE), optimistisch: "Während die Hardwaremöglichkeiten allmählich ausgereizt sind, tut sich in Sachen Software und Services noch einiges. So demonstrieren AppleApple, Google & Co. mit ihren Tools für Bildbearbeitung oder Übersetzung eindrucksvoll, wie Machine Learning (ML) und KI kleinere Schwächen der Hardware und Anwender ausbügeln können. Wenngleich die aktuellen Preise für Top-Smartphones jenseits von Gut und Böse scheinen, sorgen längere Updatezyklen immerhin dafür, dass die Devices nicht so schnell veralten." Profil von Manfred Bremmer im CIO-Netzwerk Alles zu Apple auf CIO.de

Flop: Apple Glass

Bremmer ist indes skeptisch, was Apples erwartete VR-Brille anbelangt: "Bereits seit Jahren in Aussicht gestellt, soll Apples AR/VR-Brille nun 2023 auf den Markt kommen - wenn auch erst in der zweiten Jahreshälfte. Und falls nicht, dann eben 2024. Spielt aber auch keine Rolle, denn ähnlich wie beim ersten iPhoneiPhone wird noch einige Zeit vergehen, bis ausreichend Anwendungen bereitstehen und ein solches Device tatsächlich sein Potenzial entfalten kann." Alles zu iPhone auf CIO.de

Manfred Bremmer, Redaktion COMPUTERWOCHE, glaubt, dass es noch eine Weile dauert bis Apples VR-Brille auf den Markt kommt und ihr volles Potenzial entfalten kann.
Manfred Bremmer, Redaktion COMPUTERWOCHE, glaubt, dass es noch eine Weile dauert bis Apples VR-Brille auf den Markt kommt und ihr volles Potenzial entfalten kann.
Foto: Microsoft
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