Miesmuscheln
Das Schwarze Gold der Niederlande
Möwen schreien im Hafen von Yerseke. Es riecht nach Meer und Fisch. Auf dem Deck des Kutters YE 25 glänzt die Fracht blau-schwarz. Miesmuscheln. "Schwarzes Gold", sagt Muschelzüchter Dennis Verschuure. Im kleinen Hafen des Fischerdorfes Yerseke in der niederländischen Provinz Zeeland herrscht Hochbetrieb. Kutter fahren ein, vollbeladen. Denn jetzt startet in den Restaurants die Muschelsaison.
Ein Mann von der Muschelauktion taucht einen Eimer tief in den Landeraum des Kutters. Die Probe der Ladung wird zur Auktionshalle im Hafen gebracht. Dort trennen Männer schnell Seesterne und Krebse von den Muscheln. Diese werden gemessen und gewogen und dann in eine Güteklasse eingeteilt. Auf einer digitalen Tafel zeigen Ziffern an, was der Kutter geladen hat. Nun können die Großhändler bieten.
Rund 50 Millionen Kilogramm Miesmuscheln werden jährlich in den Niederlanden geerntet, knapp ein Zehntel der gesamten Produktion Europas. Und sie werden sie im kleinen Hafen von Yerseke versteigert.
Alles geht rasend schnell. Denn die Miesmuscheln müssen schnell zurück ins Wasser - schließlich leben sie noch. Nach dem Verkauf fährt der Kutter wieder hinaus auf die Oosterschelde. Der Meeresarm ragt weit in die Provinz Zeelands hinein und ist bekannt für seine köstlichen Meeresfrüchte.
Züchter Verschuure und seine Mannschaft werfen die kostbare Fracht zurück in die See, in ein mit Bojen gekennzeichnetes Becken des Großhändlers. Erst kurz vor dem Transport zu den Kunden werden die Muscheln endgültig aus dem Wasser herausgeholt.
Die meisten niederländischen Muscheln werden nach Belgien und Frankreich verkauft. Aber sie landen auch in Restaurants und Supermärkten in Deutschland. Elf Prozent sind es jetzt, sagt Tilly Sintnicolas, Sprecherin des niederländischen Muschelsektors. "Aber es werden immer mehr."
Restaurants machen jetzt den Kunden mit der Köstlichkeit von der niederländischen Küste den Mund wässrig. Doch für die 88 Züchter in Yerseke hat die Saison bereits im Juli begonnen.
Muscheln werden nicht einfach aufgefischt und dann aufgetischt, sagt Sintnicolaas. Bis das schwarze Gold dampfend auf den Tellern der Feinschmecker landet, vergehen zwei bis drei Jahre. "Eigentlich ist es Landwirtschaft, aber dann im Wasser."
In angewiesenen Gebieten fischen die Muschel-Bauern zunächst im Frühjahr die sogenannte Muschelsaat auf. Statt des traditionellen Auffischens vom Meeresboden geschieht das zunehmend auch mit nachhaltigen "Fanginstallationen". Dabei klammern sich Muschellarven an Netzen und Seilen fest und wachsen zur Muschelsaat heran.
Wenn diese Mini-Muscheln ein bis zwei Zentimeter groß sind, werden sie geerntet und in speziellen Parzellen im Meer ausgesät, bis sie groß genug sind für den Konsum. Sie wachsen entweder auf dem Meeresboden oder in Hängekulturen, an vertikal im Wasser hängenden Seilen. Die Oosterschelde bietet Schutz vor natürlichen Feinden sowie Stürmen und Gezeiten. Doch in dem ruhigen Meeresarm lauern andere Gefahren.
Im Juli war in zwei kleinen Parzellen das natürliche Nervengift Tetrodotoxin entdeckt worden. Diese wurden daraufhin für einige Wochen gesperrt. Eine Vorsorgemaßnahme, doch der Schock sitzt bei Züchtern und Händlern tief. Der Verkauf in Supermärkten ging zurück. "Es ist kein gutes Jahr", sagen die Männer in der Auktionshalle in Yerseke noch immer besorgt. Doch die Entwarnung der Behörden kam rechtzeitig vor dem offiziellen Beginn der Saison. Noch bis April werden die Muschel-Bauern aus Yerseke das schwarze Gold aus der Nordsee holen. (dpa/rs)