CIO des Jahres 2016 - Mittelstand – Top 10
Die glorreichen 7 Sieger aus dem Mittelstand
Bis voriges Jahr mussten sich CIOs aus Unternehmen mit mehr als 2000 Mitarbeitern in der CIO-des-Jahres-Kategorie Großunternehmen bewerben. Dieses Jahr konnten sie auch bei den Mittelständlern antreten, wenn andere Kenndaten wie die Zahl der IT-Mitarbeiter, das IT-Budget oder der Jahresumsatz insgesamt dafür sprachen. Wer typische Mittelstandsprobleme mit typischen Mittelstandsmitteln löst, soll sich mit Kollegen vergleichen können, die unter ähnlichen Umständen arbeiten.
Sparen für die Musiker
In einem sechsjährigen Projekt, das Ende 2018 abgeschlossen sein soll, verwirklicht CIO Markus Grimm bei der Musikverwertungsorganisation Gema eine neue "IT Architektur Roadmap". Vor allem jüngere Menschen hören Musik online. Das setzt die Gema von zwei Seiten unter Druck: Sie muss gewaltige Mengen von Online-Daten handhaben, und sie nimmt etwa für CDs und Schallplatten weniger Gebühren ein, die sie an ihre musikschaffenden Mitglieder weitergeben kann. Deshalb braucht sie eine möglichst kostengünstige, das heißt standardisierte und industrialisierte IT. Das bedeutet Traditionsbrüche, denn entlang den Musiksparten hatten sich viele Individuallösungen mit redundanten Prozessen und Schnittstellen herausgebildet. Mit derzeit 105 internen und 90 externen Projektmitarbeitern muss Grimm "den kompletten Umbau der bestehenden IT-Landschaft im laufenden Betrieb stemmen".
Im Juli 2014 wurde die Gema-IT als IT for Intellectual Property Management (IT4IPM) ausgegliedert, mit Grimm als Geschäftsführer. So konnte sie eigenständiger agieren. Trotzdem gab es reichlich Widerstand gegen die Ablösung gewohnter Abläufe und Techniken. Das Change-Management bewertet Grimm als gelungen.
Synergien nutzen
Ulrich Reidel ist CIO und Prokurist der zwei größten Töchter der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW): Die SüdLeasing (SL) betreibt Leasingfinanzierung für Kunden etwa aus dem verarbeitenden Gewerbe, der Bau-, Entsorgungs- und Recyclingbranche, die SüdFactoring (SF) kauft Forderungen auf, die Unternehmen an andere Unternehmen haben.
Als Reidel im November 2013 bei den zwei LBBW-Töchtern einstieg, befand sich deren IT in keinem guten Zustand. Der neue CIO reagierte mit drei Projekten, für die er jeweils 30 oder etwas mehr Mitarbeiter einsetzen konnte. Unter dem Begriff "transformIT!" erneuerte er die IT-Aufbau- und Ablauforganisation der SüdLeasing. Der "SF IT Austausch" in der SüdFactoring ergab leistungsfähigere Anwendungen. Die "Synergien SL/SF" sollten Kosten sparen. Die Häuser kaufen nun gemeinsam ein, nutzen Hard- und Software gemeinsam und haben Redundanzen in der Infrastruktur behoben. Die IT-Organisationen sind zusammengewachsen, Basisinfrastruktur und Middleware sind modernisiert, eine neue Vertriebsanwendung wurde schnell entwickelt. Die IT erfüllt jetzt zweifelsfrei die aufsichtsrechtlichen und regulatorischen Vorgaben. Dass sich das Neugeschäft gut entwickelt hat, wird zum Teil ebenfalls auf die verbesserte IT zurückgeführt.
Vom Dienstleister zum Strategen
Die itecPlus ist eine hundertprozentige Tochter des Nürnberger Energiekonzerns N-Ergie und sein zentraler IT-Bereich. Im Oktober 2015 stieg Robin Mager als Geschäftsführer bei itecPlus ein und bekam vom N-Ergie-Vorstand gleich einen Auftrag: Er sollte sondieren, was Digitalisierung dem Konzern auf lange Sicht bringen könne, und erste Maßnahmen treffen. Das war neu, denn bis dahin hatte itecPlus als reiner Dienstleister der Fachabteilungen keine strategische Initiative entwickelt.
Mager rief das Projekt "Erneuerung der Funktionalstrategie IT" ins Leben. Mit 15 Projektmitarbeitern analysierte er Digitalisierungschancen in Bezug auf Mitarbeiter, Kunden, Dienstleister, Marktpartner und Gesetzgeber. Dann schlug er 61 datierte Maßnahmen vor: zum Beispiel sollten intelligente Messsysteme eingeführt, die Privatkundenseiten im Internet überarbeitet und die Informationssicherheit verbessert werden. Abgeschlossen wurde der Aufbau eines virtuellen Kraftwerks, mit dem N-Ergie dezentral erzeugten Strom aus erneuerbaren Energien an der Strombörse und am Regelenergiemarkt handeln kann. Die Digitalisierung fand ihren Platz in der Gesamtstrategie, itecPlus hat sich als strategische Kraft etabliert. Das Projekt kam ohne externe Unterstützung aus, dafür lobt Mager seine Mitarbeiter.
Big Bang
Peter Buchmüller, Leiter IT und Ablauforganisation der Großmolkerei MeggleMeggle, trat beim CIO des Jahres mit dem Projekt "MEGGLE goes SAP" an. Mit 60 internen und 40 externen Projektmitarbeitern hat Buchmüller in der gesamten Unternehmensgruppe ein neues ERP-System eingeführt. Die sehr autark agierenden Meggle-Gesellschaften hatten sich zuvor mehr als 20 verschiedener ERP-Systeme bedient. Eine gemeinsame ERP-Strategie sollte die IT effizienter machen. Buchmüller und sein Team analysierten alle 107 Geschäftsprozesse und erarbeiteten ein Lastenheft. Ende 2012 fiel die Entscheidung für SAP, die Implementierung dauerte bis November 2015. Der Vorstand entschied sich für eine Big-Bang-Einführung in Gebesee (ein Geschäftsbereich) und dann in Wasserburg (vier Geschäftsbereiche). 95 Prozent aller Mitarbeiter in Wasserburg mussten von einem Tag auf den anderen mit den SAP-Systemen zurechtkommen, im Durchschnitt besuchte dafür jeder vier Schulungen. Am Umstellungswochenende arbeitete die IT-Mannschaft mehr als 1000 Einzelmaßnahmen ab. Top-500-Firmenprofil für Meggle AG
Keine kleine Sache also. Rainer Janßen, Thomas Henkel und Bernd Kuntze, die als ehemalige CIO-des-Jahres-Gewinner eine gemeinsame Jurystimme hatten: "Das umgesetzte SAP-Programm ist für die Größe der IT-Mannschaft sehr umfangreich." Den Routiniers gefiel auch die "saubere Umsetzungsstrategie" und das neue Data Warehouse auf HANA-Basis.
Konzernweite Standards
Auch Thorsten Steiling führte SAP ERP ein. Seit dem Jahr 2011 machte der Photovoltaikhersteller Solarworld große Verluste, entging knapp einer Insolvenz und musste sich restrukturieren. In diesen Zusammenhang rückt der Vice President Global IT sein Projekt "SolarWorld SAPWay": Bisher hatten alle Unternehmensstandorte ihre eigene IT betrieben, mit SAP ERP als konzernweitem Standard sollten sich die ebenfalls zu standardisierenden Geschäftsprozesse besser abbilden lassen. Der Projektname hatte einen Mitarbeiterwettbewerb gewonnen.
SAPWay war das erste Projekt, an dem - insgesamt 225 - Mitarbeiter aus allen drei deutschen und dem amerikanischen Solarworld-Sitz mitwirkten. Technisch anspruchsvoll waren die Einführung neuer Stammdaten, die Datenmigration und der Big-Bang-Start von SAP ERP bei laufendem Produktionsbetrieb. Widerspruch kam von IT-Mitarbeitern, die lieber das alte ERP-System Microsoft Navision weiterentwickelt hätten, und aus Fachabteilungen. Dort fürchteten Mitarbeiter, das SAP-System werde kompliziert zu bedienen sein, andere wollten sich nicht mit Kollegen von anderen Standorten auf einheitliche Abläufe festlegen. Letztlich konnte sich Steiling aber über einen neuen "Spirit" freuen. Dass vom Kick-off bis zum Go-live nur 22 Monate verstrichen, hält er für bemerkenswert. Die Jury auch.
Schnell ans Netz
Die Produkte der Erwin Renz Metallwarenfabrik in Kirchberg an der Murr sind bekannter als das Unternehmen: Mit seinen Brief- und Paketkästen, Aufbewahrungs- und Postverteileranlagen, Apotheken-, Autohauskästen und Abfallbehältern gehört Renz in Deutschland und Europa zu den Marktführern. Stefan Würtemberger, dem Leiter Informationstechnologie, fiel mit sieben Projektmitarbeitern die Aufgabe zu, diese analoge Welt an die digitale anzubinden. Sein Projekt "Renz Steuereinheit Plus" betrifft vor allem Paketanlagen. Mit Hilfe eines Smartphones können Einzelkunden unabhängig vom Logistiker rund um die Uhr ihre Pakete abholen oder Pakete und Retouren zum Versand einstellen. Zusteller werden ihre Lieferungen im ersten Versuch los. Renz hat europaweit mit allen im Paketversand tätigen Logistikern Kooperationsverträge abgeschlossen.
Weil der Vorstand einen Messetermin fest ins Auge gefasst hatte, hatten Würtemberger und sein Team nur fünfeinhalb Monate Zeit, und weil das Produkt in seinem Marktsegment konkurrenzlos ist, auch keine einschlägige Erfahrung. Außer Vernetzung und Steuerung waren Hardwaredesign und Sicherheitskonzept zu klären, dazu kam die Kommunikation mit Herstellern, Entwicklern und Partnern.
Digitalisierung auf Unterfränkisch
Suffel Fördertechnik aus Aschaffenburg ist der größte Vertragshändler des Gabelstapler- und Lagertechnikherstellers Linde. Die Suffel-Servicetechniker warten und reparieren diese Geräte auch. CIO Burkhard Fertig hat dafür mit drei internen und vier externen Mitarbeitern den "Digitalen Service-Prozess" eingeführt. Kernstück ist ein Online-Portal für Kunden, Servicetechniker und die Zentrale. Die Techniker erinnert es an Termine. Ruft ein Kunde bei Suffel an, erkennt das Portal ihn an der Telefonnummer und legt unter seinem Namen einen Auftrag an. Aufträge werden automatisch abgerechnet, außer es besteht Klärungsbedarf, davon erfährt der zuständige Dispatcher dann ebenfalls automatisch. Serviceberichte verlinkt das Portal mit zugehörigen anderen Dokumenten, Prüfberichte für den Kunden gehen zugleich an einen Sachbearbeiter im Innendienst.
Die Arbeitsabläufe haben sich stark verändert. Da die in der Verwaltung gesparte Zeit nicht zum Personalabbau genutzt wurde, sondern in den Kundenkontakt gesteckt wird, wo sie zusätzliche Aufträge einbringt, hielt sich der Widerstand jedoch in Grenzen. Fertig arbeitet seit 40 Jahren bei Suffel.