Klimagas-Quote THG
E-Auto-Fahrer bekommen 350 Euro pro Jahr
Das Versprechen klingt fast zu gut, um wahr zu sein: "Geld verdienen mit dem Elektro-Auto". Wer in diesen Tagen im Netz nach dem Wortungetüm "Treibhausgasminderungsquote" oder "THG-Quote" sucht, stößt auf unzählige Anzeigen, die Besitzern eines Elektrofahrzeuges eine Prämie von über 300 Euro im Jahr versprechen. Schnell und unbürokratisch soll das Geld fließen, ohne dafür arbeiten zu müssen. Man muss nur ein Auto mit reinem Batterieantrieb oder einen größeren Elektroroller besitzen und einen Fahrzeugschein vorlegen können. Das Programm kommt so gut an, dass sich beim Umweltbundesamt ein Stau von Prämienanträgen gebildet hat.
Im Gegensatz zu den staatlichen Kaufprämien für E-Autos, die derzeit die Bundesregierung überprüft, stammen die THG-Prämien nicht aus Steuermitteln, sondern von der Mineralölwirtschaft. Die THG-Quote verpflichtet diese nämlich dazu, ihren CO2-Ausstoß von Jahr zu Jahr zu senken. Wenn sie das nicht aus eigener Kraft schaffen, müssen sie zahlen.
Ausgangspunkt für die CO2-Berechnungen sind die Werte aus dem Jahr 2010. In diesem Jahr muss der Ausstoß um sieben Prozent darunter liegen. 2030 müssen es 25 Prozent weniger sein. Um die Quote zu erfüllen, haben die Konzerne bislang vor allem Biokraftstoff dem herkömmlichen Sprit beigemischt - beim Benzin bis zu zehn Prozent (E10), beim Diesel bis zu sieben Prozent (B7).
Verschmutzungsrechte handeln
Doch mit jährlich steigenden Minderungsquoten fällt es Konzernen wie AralAral oder ShellShell immer schwerer, nur mit dem Biosprit um Strafzahlungen herumzukommen. Ein Ausweg: Sie können Verschmutzungsrechte von sauberen Akteuren einkaufen, um die gesetzlichen Vorgaben zumindest auf dem Papier zu erfüllen. Die reichen die Kosten weiter: Bezahlen müssen am Ende diejenigen, die mit einem Verbrennungsmotor unterwegs sind. Top-500-Firmenprofil für BP Europa SE Top-500-Firmenprofil für Shell
Der Handel mit CO2-Zertifikaten war bislang Unternehmen vorbehalten. In Deutschland profitierten vor allem Energieversorger von den Ausgleichszahlungen. Mit einem vergleichsweise hohen Anteil von erneuerbaren Energien im Strommix bleiben sie deutlich unter den erlaubten Verschmutzungsgrenzen und können eingespartes CO2 als Emissionszertifikat an die Mineralölkonzerne verkaufen.
Seit Jahresbeginn dürfen in Deutschland auch Privatleute bei diesem Geschäft mitmischen. Damit sich das Umweltbundesamt nicht mit unzähligen Einzelanträgen herumschlagen muss, kommen Zwischenhändler ins Spiel, die die Formulare zur CO2-Minderung bündeln und diese dann im Paket prüfen lassen, um sie auf dem Markt anbieten. Trotzdem gibt es bei der Behörde einen Antragsstau, so dass sich die Halter der Fahrzeuge gedulden müssen. Neben den klassischen Stromversorgern und Mobilitätsanbietern sammeln rund 40 Start-up-Unternehmen wie Emobia, Klima-Quote.de oder Fairnergy die THG-Quoten ein und überweisen an die Halter eines E-Autos jeweils bis zu 350 Euro im Jahr pro Fahrzeug.
Kein Geld für Plug-in-Hybride
Nur Plug-in-Hybride sind ausgeschlossen, weil sie auch mit fossilem Kraftstoff betankt werden können. Aber selbst elektrisch betriebene Leichtkrafträder und E-Motorräder, die ein großes Nummernschild haben und schneller als 45 Stundenkilometer fahren, dürfen die Quote in voller Höhe in Anspruch nehmen.
Der ADAC begrüßt diese Regelung: "Aus Verbrauchersicht ist es positiv zu bewerten, dass mit der zusätzlichen Anrechenbarkeit von elektrischem Strom der Wettbewerb um kosteneffiziente Treibhausgasminderungen für Energie im Verkehrssektor gefördert wird", erklärt der Automobilclub, der selbst als THG-Dienstleister aktiv ist.
Differenzierter sieht man die THG-Quote für Elektroautos bei Umweltverbänden. "Sie ist nicht schädlich, aber bringt den Klimaschutz leider viel zu wenig voran", sagt Tobias Austrup, Experte für Mobilität bei Greenpeace. "Rund 300 Euro sind ein zu mickriger Anreiz, um auf Elektromobilität umzusteigen." Die staatliche Kaufprämie sei allein 20-mal so groß. "Ich müsste dieses E-Auto also 20 Jahre lang fahren, um eine vergleichbare Förderung zu erhalten. Das bringt also nicht wahnsinnig viel."
Für einen schnellen Umbau der Mobilität fordert Greenpeace andere Instrumente. "Eine Neuzulassungssteuer für Autos mit hohem Spritverbrauch würde einen deutlichen Fortschritt bringen. Das zeigen etwa Erfahrungen aus den Niederlanden, wo gleich beim Kauf oder bei der Erstanmeldung eines besonders klimaschädlichen Verbrenners auch mal 20.000 Euro oder mehr fällig werden." Das habe die Autoflotte klimafreundlicher gemacht.
Mit der Regelung sollten eigentlich die Ölkonzerne motiviert werden, sich zu wandeln, sagt Austrup. "Mit der THG-Quote müssen sie aber ihr Geschäftsmodell nicht grundsätzlich ändern. Dabei sollten sie sich heute mit der Frage auseinandersetzen, womit sie ihr Geld verdienen wollen, wenn ein Verkauf von Mineralölprodukten aus Klimagründen nicht mehr stattfinden kann. Die THG-Quote erzeugt diesen Transformationsdruck nicht. Es handelt sich eher um ein klassisches Freikaufen."
THG-Skeptiker
Diese Argumente verfangen auch bei manchen Befürwortern der Elektromobilität, die selbst vom Zertifikatehandel profitieren könnten. Stellvertretend für die THG-Skeptiker steht der Youtuber Oliver Krüger, der in seiner Firma drei Elektroautos einsetzt. Krüger ist der Überzeugung, dass die THG-Prämie für einen Elektroauto-Besitzer keinen Effekt in Sachen Klimawandel hat. "Wer sich ein E-Auto kauft, macht das nicht wegen 300 Euro oder etwas mehr, die man hier kurzfristig kassieren kann", sagt der Geschäftsführer des Hamburger Unternehmens 163 Grad, das Lösungen rund um die Umstellung auf klimaneutrale Energie anbietet.
Letztlich diene das System nur, die Ölindustrie in einem grünen Gewand erscheinen zu lassen, meint Krüger. "Die Konzerne können rein rechnerisch ihren CO2-Fußabdruck verringern, ohne tatsächlich was für den Stopp des Klimawandels unternommen zu haben." Er will deshalb auf die Einreichung seiner THG-Quoten und das damit verbundene Geld verzichten.
Greenpeace-Experte Austrup hingegen rät trotz aller Bedenken jedem Elektroautofahrer, diese Prämie mitzunehmen. "Die Quote fällt sonst an den Staat zurück. Und der wird sie dann irgendwann versteigern. Die Mineralölkonzerne kommen also so oder so an diese Quote." (dpa/rs)