Die wöchentliche CIO-Kolumne
Ehrlich währt noch immer
So eine Ausnahme, die beinahe ein wenig das Herz erwärmt, ist ein uns bekanntes deutsches Fertigungsunternehmen. Die Geschichte: Schon als Mitte der 90er Jahre ein Wechsel von SAPSAP R/2 auf R/3 anstand, konnte der CIO nicht genügend Personal in der Systemprogrammierung aufbieten. Außerdem reichte die Hardware vorne und hinten nicht; die von SAP empfohlene Verdoppelung hätte einen viele Millionen Mark teuren Rechenzentrumsneubau erfordert. Auch in der Anwendungsentwicklung wurde der Rock schnell zu eng; weder standen genügend Entwickler mit passender Qualifikation zur Verfügung noch gab es ausreichend Zeit für Schulungen. Die wenigen High-Potentials drehten belastungsmäßig im roten Bereich und näherten sich unaufhaltsam der von allen Vorgesetzten gefürchteten inneren Kündigung. Alles zu SAP auf CIO.de
Was der IT-Chef der Firma brauchte, waren Ressourcen für den künftigen Betrieb aller R/3-Systeme, der IP- und VPN-Netze, umfangreicher Serverfarmen und neuer SAP-Anwendungen auf der Basis der Enterprise-Edition sowie natürlich für die Anwendungsentwicklung. Dazu, das wusste er, würden seine Bordmittel niemals ausreichen. Er entschied sich deshalb für eine Radikallösung, überzeugte seinen Vorstand von den Segnungen des OutsourcingOutsourcing und übergab den ganzen IT-Laden - in mehreren Schritten - einem Dienstleister. Alles zu Outsourcing auf CIO.de
Den ganzen Laden. Das war der Fehler, der sich gut und gern als entscheidend hätte herausstellen können. Der Vorstand hatte ihm freie Hand gelassen und niemand im Unternehmen Bedenken geäußert, als er auch die Verantwortung für ProjekteProjekte abgab, dazu die Anwendungsberatung, -dokumentation und -schulung, das technologische Change Management, den User Help Desk für die Anwendungen sowie die R/3-Basisanwendungen. Dann stand er plötzlich allein da mit seiner Einsicht: "Das Prozesswissen muss im Unternehmen bleiben". Da war es aber nicht mehr. Alles zu Projekte auf CIO.de
So mancher hätte sich unter den selbstgeschaffenen Bedingungen durchgetrickst in der Hoffnung, dass der Fehler durch viel Glück und wenig Durchblick im Vorstand schon nicht auffallen würde. Irgendwann wäre dann vielleicht zwar doch alles rausgekommen, aber für eine Abfindung hätte es schon noch gereicht, zumal es bei der Bewertung von Managementfehlern ja ohnehin immer mehr als eine Meinung gibt. Dem CIO fehlte jedoch das Zutrauen in diesen Weg; er trat "den Gang nachCanossa" an, so seine eigenen Worte, und beichtete dem Vorstand.
Hier nimmt die Geschichte nun einen ungewöhnlichen Verlauf. Statt den CIO zu feuern oder ihn auf einen Frühstücksposten abzuschieben, räumte der Vorstand dem bewährten Mitarbeiter die Mittel ein, wieder genügend Leute einzustellen, um die erforderliche Kompetenz intern abbilden zu können. Das war vor drei Jahren, und der IT-Laden läuft immer noch - mit demselben CIO an der Spitze. Das darf man wohl, ganz ohne hämische Zwischentöne, eine ruhige Hand nennen. Bei dem Unternehmen in dieser Geschichte handelt es sich übrigens um eine börsennotierte Gesellschaft mit mehreren tausend Mitarbeitern. Der jüngst berichtete Jahresertrag lag, obschon etwas geringer als 2002, in einem komfortablen dreistelligen Millionenbereich.