TV-Dokumentation
"Geheimnisse der digitalen Revolution" - nicht nur im Silicon Valley
Als Smartphone stecken heute ausgewachsene Computer in den Taschen unzähliger Menschen. Die Allgegenwart von digitalen Rechnern und Alltagshelfern ist so selbstverständlich, dass man sich kaum noch die Zeit vorstellen Zeit kann, als Computer für Normalsterbliche unerreichbare Großrechenanlagen waren.
ZDFinfo unternimmt in einer sechsteiligen Dokumentationsserie von diesem Sonntag (20.15 Uhr) an den Versuch zu erklären, "was da in den letzten Jahrzehnten Großartiges und Erschreckendes geschehen ist", erläutert der verantwortliche Redakteur Michael Gries. Die Serie solle auch "den Skeptikern verdeutlichen, wie sehr sich Computer von Werkzeugen der Macht zum politischen und Wissens-Instrument gewandelt haben und um die "digital natives" einmal an die Ursprünge und Motive der Schöpfer ihrer schönen App-Welt zu erinnern."
Es sind in der Vergangenheit schon etliche Versuche unternommen worden, die Geschichte des Computers in einer TV-Doku zu erzählen. Besonders viel Aufmerksamkeit erregte 1996 der Film "Triumph of the Nerds" des US-Senders PBS, weil es damals dem Silicon-Valley-Reporter Robert Cringley gelang, die wesentlichen Macher vor die Kamera zu bekommen - von Bill Gates bis hin zu Steve Jobs. Insbesondere der Apple-Mitbegründer, der damals noch nicht zu Apple zurückgekehrt war, nahm damals kein Blatt vor den Mund.
Die Serie von ZDFinfo muss ohne solche Superstars aus der ersten Reihe auskommen - aber das erweist sich nicht als Nachteil. So kommt beispielsweise ausführlich der amerikanische Technikhistoriker George Dyson zu Wort, der als Nerd der ersten Stunde nicht nur theoretisch über die Geschichte der Computer fachsimpeln, sondern auch spannende Storys aus der Pionierzeit der Digital-Ära erzählen kann. Gefragt wird auch Lee Felsenstein, einer der Anführer des studentischen Homebrew Computer Clubs im Silicon Valley, zu dessen Mitgliedern in den 70er Jahren unter anderem Apple-Gründer Steve Wozniak zählte.
Die Autoren wagen in ihrer Dokumentation immer wieder einen Perspektiv-Wechsel, um beispielsweise auch die Beiträge aus Deutschland bei der Entwicklung des Computers zu würdigen. So berichtet Horst Zuse über die Arbeit seines Vaters Konrad Zuse. Der deutsche Pionier hat den modernen Binärcomputers, der mit seinen Nullen und Einsen noch heute die Grundlage eines jeden Computers ist, erfunden. Horst Zuse kümmert sich heute in Berlin um den Nachlass seines Vaters.
Die Autoren beschäftigen sich dabei auch mit der Frage, warum in der Informationstechnik entscheidende Beiträge aus Deutschland so selten geworden sind. "Die US-Amerikaner sehen in Deutschland immer noch einen fruchtbaren Hort für brillante Ingenieursleistungen und sind umso verwunderter darüber, warum aus Deutschland in Sachen IT so wenig Output kommt", sagt Ko-Autor Memo Jeftic. Es gebe zwar einzelne Leistungen wie die Erfindung der des Kompressionsverfahrens MP3 oder die Datenbankverwaltung SAP, die der Stoff von Erfolgslegenden seien. "Aber der große Wurf gelingt Deutschland nicht. Das liegt sicherlich auch daran, dass die Computerindustrie ein Risikogeschäft ist und Investoren in Deutschland lieber auf Nummer sicher gehen." Zudem seien die Gründe auch in der Tatsache zu suchen, dass junge Talente in den USA schon sehr früh bereits im Studium rekrutiert würden.
Über den Tellerrand des Silicon Valleys hinaus blickt die Serie auch bei der Frage, welche gesellschaftlichen und politischen Auswirkungen die "Digitale Revolution" bereits hat und künftig noch haben wird. So kommt Steffen Wernéry zu Wort, der einst den deutschen Chaos Computer Club mitbegründete und schon 1984 zusammen mit Wau Holland in einem spektakulären Hack eine Sicherheitslücke im Bildschirmtext-System (BTX) offenlegte. Weiterhin treten in der Serie der ehemalige Wikileaks-Mitarbeiter Daniel Domscheit-Berg und Netzaktivist Markus Beckedahl von netzpolitik.org als Kronzeugen auf.
Bei der Frage, was ihn bei der Arbeit zum der TV-Doku am meisten beeindruckt hat, blickt Ko-Autor Sebastian Nuß allerdings wieder über den Atlantik: "Am meisten beeindruckt hat mich die Zeit im Silicon Valley. Und das nicht nur positiv: Dieser Landstrich zieht mittlerweile die besten Ingenieure der Welt an. Der Konkurrenzdruck ist gewaltig, die Mieten mittlerweile unbezahlbar." Man habe die Möglichkeit den Durchbruch zu landen oder in der Masse unterzugehen. "Und die, die in diesem Brutkasten der digitalen Zukunft leben, haben uns oft davon berichtet, dass es neben ihrem Job, ihrem Startup oder ihrer Geschäftsidee nur wenig Raum für Anderes gibt. Aber vielleicht hat der Silicon Valley das ja auch mit Hollywood, der Wall Street oder dem Broadway gemeinsam." (dpa/ib)