Präsenz aufgezwungen
Home Office scheitert am Arbeitgeber
- Heimarbeiter wollen den Tagesablauf selbst gestalten
- Heimarbeiter kommen im Schnitt auf gut vier Wochenarbeitsstunden mehr als der Durchschnitt
- Von 32 europäischen Ländern liegt Deutschland auf Rang 19
Manch ein Arbeitgeber könnte "tatsächlich einen Grund haben, über FachkräftemangelFachkräftemangel zu klagen", sagt Karl Brenke aus dem Vorstand des DIW, Berlin. Dieser Grund wäre dann allerdings selbst verschuldet: Wie Brenke in seiner Studie "Home Office" feststellt, erlauben viele deutsche Unternehmen den Mitarbeitern nicht, von zu Hause aus zu arbeiten. Wem aber Präsenzkultur aufgezwungen wird, ist unzufriedener und wechselbereiter. Brenke sagt zuversichtlich: Der Markt wird "uneinsichtige Arbeitgeber zur Vernunft und zur zeitgemäßen PersonalführungPersonalführung zwingen". Alles zu Fachkräftemangel auf CIO.de Alles zu Personalführung auf CIO.de
Die "Home Office"-Studie berücksichtigt zwei Datenquellen, das sozio-ökonomische Panel (SOEP) von TNS Infratest und den Mikrozensus (die "kleine Volkszählung"). Der Mikroszensus ist Teil der Europäischen Labour Force Survey. Studienleiter Brenke zieht daher EU-Vergleichswerte heran.
Rate der Heimarbeit sogar gesunken
Demnach ist die Rate an Heimarbeitern nicht nur unterdurchschnittlich niedrig in Deutschland, sie ist in den vergangenen Jahren auch noch gesunken. Ganz anders in der gesamten Europäischen Union.
In Zahlen: Lediglich rund zwölf Prozent aller deutschen Arbeitnehmer - hier geht es explizit um abhängig Beschäftigte - arbeiten zumindest gelegentlich von zu Hause aus. Zum Vergleich: in Island sind fast 35 Prozent. Es folgen Schweden, Luxemburg, Dänemark und Großbritannien. Deutschland platziert sich auf dem neunzehnten von insgesamt 32 Rängen.
40 Prozent könnten von zu Hause aus arbeiten
An den Arbeitnehmern liegt es nicht. Laut Selbsteinschätzung der Befragten könnten etwa 40 Prozent von zu Hause aus arbeiten. Hier gilt als Faustregel: je höher der formale Bildungsgrad des Befragten und je qualifizierter die Tätigkeit, desto größer die Home Office-Möglichkeit. Umgekehrt ausgedrückt: Der Dachdecker muss auf der Baustelle sein, die Verkäuferin hinter der Ladentheke.
Zufriedenheit der Mitarbeiter
Insgesamt rund 20 Prozent der Befragten würden ein Home Office gerne nutzen. Dass es nur rund zwölf Prozent der Arbeitnehmer ermöglicht wird, kritisiert Brenke offen. Er stützt sich dabei auf die Frage nach der Zufriedenheit. Mitarbeiter, die den Arbeitsort selbst bestimmen dürfen, schätzen ihre Zufriedenheit auf einer Skala von null ("ganz unzufrieden") bis zehn ("ganz zufrieden") bei knapp 7,5 ein (für die Faktoren Arbeit und Einkommen). Wer dagegen von zu Hause aus tätig sein könnte, das aber nicht darf, sieht seine Zufriedenheit bei etwa 6,8 Zählern. Die Unternehmen verschenken also das Potenzial zufriedener Mitarbeiter.
- Wie wird Arbeiten im Home Office effizient?
Unify gibt einige praktische Tipps, mit denen Mitarbeiter auch ihr Home Office möglichst produktiv gestalten können. - Grenzen setzen - auch zu Hause
Im eigenen Heim lauern zahlreiche Ablenkungen: Nicht abgespültes Geschirr, der Kühlschrank, Radio oder Fernseher üben ungeahnte Anziehungskräfte aus und stören die produktive Arbeit. - Ein festgelegter Arbeitsbereich, ...
... der vom übrigen Wohnraum abgetrennt ist, verhilft auch zu klaren Grenzen im Kopf. Die Gefahr der Ablenkung wird geringer. - Einen Fensterplatz buchen
Stress bremst die Produktivität. Ein Blick aus dem Fenster bietet Abwechslung, noch mehr wenn er direkt ins Grüne geht. Außerdem ist es für Bildschirmarbeiter sinnvoll, regelmäßig in die Ferne zu sehen, zumindest einige Meter hinter den Monitor. - Ein Fensterplatz ...
... verringert die Belastung der Augen und damit auch den Arbeitsstress. Tipp für alle, die keinen Platz am Fenster haben: Auch Zimmerpflanzen oder ein Zimmerbrunnen sorgen für entspannte Atmosphäre. - Mit Farben spielen
Farbe ist ein wichtiger Faktor für jeden Büroraum, egal ob in der Firma oder zu Hause. Farben beeinflussen die Stimmung wesentlich. - Neutrale Farben wirken beruhigend, ...
... während manche Orange- und Gelbtöne sogar das Hungergefühl fördern. Besonders zu empfehlen für eine produktive Arbeitsumgebung sind Zitronentöne, Pastellblau oder Cremefarben. - Auf einen ergonomischen Arbeitsplatz achten
Mitarbeiter können nur produktiv sein, wenn sie gesund sind und einen komfortablen Arbeitsplatz haben. - Das Büro zuhause ...
... soll auch nach ergonomischen Vorgaben eingerichtet werden, um gesund und leistungsfähig zu bleiben. Hier sind ebenfalls die Arbeitgeber gefragt: Sie sollten unbedingt dafür sorgen, dass alle ihre Mitarbeiter die nötigen Informationen zur Ergonomie am Arbeitsplatz bekommen. - Für Flexibilität sorgen
Auch wenn das Home Office seinen festen Platz in der Wohnung haben sollte: Stuhl und Schreibtisch festzuschrauben, hilft auch nicht weiter. - Dagegen fördert es die Kreativität ...
... gelegentlich die Position und damit den Blickwinkel auf die aktuelle Arbeit zu wechseln. Es ist ebenfalls hilfreich, Dinge neu sortieren zu können oder die Arbeit anders anzuordnen - dafür sollte auch im Home Office Platz sein.
Ein weiteres Ergebnis der Studie: Heimarbeit hat nichts mit dem Familienstand zu tun. Ebenso wenig mit der Geschlechterfrage. Denn nicht nur der Wunsch nach besserer Vereinbarkeit von Familie und Beruf motiviert die Befragten, sondern ebenso die Forderung nach zeitlicher Autonomie. Die Beschäftigten wollen ihren Tagesablauf selbst gestalten können, das gilt für Singles wie für alleinerziehende Mütter.
Heimarbeiter arbeiten länger
Dieser Tagesablauf sieht offenbar viel Arbeit vor, so der Report weiter. Heimarbeiter kommen im Schnitt auf knapp 41 Wochenstunden, das sind gut vier Stunden mehr als der Durchschnitt. Ein weiterer Grund für das Entkoppeln von Leistung und Anwesenheit, wie Brenke erklärt. Hierin allerdings liegen für den Forscher auch die Gefahren des Home Office. Die Arbeitnehmer sind gefordert, Zeitdisziplin zu wahren und Job einerseits sowie Freizeit andererseits zu trennen.
Besonders groß ist die Diskrepanz zwischen dem Wunsch nach Heimarbeit und der Wirklichkeit bei Banken und Versicherungen sowie in der öffentlichen Verwaltung. Brenke versteht das nicht. "Für die Arbeitgeber entstehen eigentlich keine Nachteile", sagt er.