"Notverkäufe" wegen knapper Kassen
Hotelketten schlagen Alarm
Weil Deutschlands Hotelketten in der Coronakrise das Wasser bis zum Hals steht, müssen erste Firmen Teile ihrer Standorte verkaufen. Maritim gab am Donnerstag "Hotel-Notverkäufe" bekannt, um das "Überleben" zu sichern. Entsprechende Verhandlungen laufen noch, Einzelheiten nannte das 5000-Mitarbeiter-Unternehmen aus Bad Salzuflen in Nordrhein-Westfalen nicht. Die Hotelkette Centro, die 2019 noch 60 Hotels mit 1200 Mitarbeitern hatte, hatte bereits im vergangenen Jahr 13 Standorte veräußert, darunter sieben Neubauprojekte. Man habe dies "schweren Herzens" getan, "um das Unternehmen weiter abzusichern", sagte Chefin Homeira Amiri in Köln.
In der Domstadt traten Vertreter von mehreren Hotelketten auf, um gemeinsam ihrer Enttäuschung über die Politik Luft zu machen und um Entschädigungen zu fordern. Unisono betonten sie, dass die bisher vom Staat gezahlten oder zugesagten Hilfen längst nicht ausreichten, zumal man auf viele Zahlungen sehr lange warten müsse. Es gebe kein Infektionsgeschehen in den Hotels und auf den Fahrten in die Hotels, dennoch dürften keine Touristen beherbergt werden - die Firmen erbrächten ein "Sonderopfer" für die Allgemeinheit, sagte Dirk Iserlohe von den Dorint-Hotels. "Wir fordern Entschädigungen."
Zu geringe Hilfen für Hotelketten
Tatsächlich kommen die Hotelketten bei den staatlichen Hilfsgeldern relativ schlecht weg. Dies liegt letztlich an ihrer Größe: Die aktuell laufende Überbrückungshilfe III ist bei den Verbundunternehmen auf drei Millionen Euro pro Monat gedeckelt, insgesamt bekommen sie hierüber nicht mehr als 12 Millionen Euro. Firmen, die üblicherweise einen dreistelligen Millionen-Euro-Jahresumsatz haben, können mit solchen Geldern nur einen Teil ihrer Finanzlöcher stopfen. Zwar ist das Personal in Kurzarbeit, doch Fixkosten wie Mieten laufen weiter.
Zum Vorwurf einer späten Auszahlung von Hilfsgeldern sagte eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums, dass die Abschlagszahlungen, für die der Bund zuständig sei, bei allen Programmen zu mehr als 90 Prozent abgearbeitet seien. "Die vollständigen Auszahlungen liegen jetzt in der Verantwortung der Bundesländer und müssen dort weiter vorangetrieben werden."
Per Videobotschaft meldete sich der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki zu Wort und sprach sich für umfangreiche staatliche Zahlungen aus, schließlich dürften die Firmen ihr Gewerbe nicht ausüben. "Es geht darum, das Überleben einer ganzen Branche zu sichern", sagte er.
"Jetzt stehen wir vor den Trümmern unserer Existenz"
Nacheinander schilderten die Branchenvertreter ihre aktuelle Situation. Die Dormero-Kette (1000 Mitarbeiter, 35 Hotels) plante für 2020 mit 100 Millionen Euro Umsatz, durch die Corona-Einschränkungen wurden es nur 40 Millionen Euro. 2021 werde es wohl noch weniger. "Vor der Krise ging es uns gut", sagte Geschäftsführerin Manuela Halm. "Jetzt stehen wir vor den Trümmern unserer Existenz." Bei den Leonardo Hotels mit ihren 2200 Mitarbeitern sackte der Umsatz von 317 Millionen Euro im Jahr 2019 auf knapp 120 Millionen Euro 2020 ab.
Alexander Fitz von den H-Hotels, die vor der Krise mit 3000 Mitarbeitern 400 Millionen Euro Jahresumsatz verbucht hatten und nun ebenfalls heftige Einbußen hinnehmen müssen, wies auf langfristige Schäden nach der Pandemie hin: Es werde Jahre dauern, bis die aufgenommenen Schulden abgetragen seien. Danach müsse die Branche neue Schulden machen, um überfällige Investitionen zu stemmen.
Bei den Lindner Hotels sackte der Jahresumsatz von 200 auf 45 Millionen Euro ab. Geschäftsführer Otto Lindner, der auch Vizepräsident des Branchenverbandes Dehoga ist, sprach von einer "furchtbaren Lage". Die Eigenkapitalreserven seien aufgebraucht, sagte er mit Blick auf die Hotelketten. "Wir sind nicht der Pandemietreiber, deswegen steht uns Schadenersatz zu."
Am 1. Mai wird es ernst
Dorint-Vertreter Iserlohe betonte die Dringlichkeit: "Kein Unternehmer kann Rückstellungen gebildet haben, um eine solche Krise zu überwinden." Am 1. Mai werde es ernst, wenn die derzeit ausgesetzte Insolvenzantragspflicht wieder greife. "Je größer das Unternehmen, desto größer die Gefahr der Insolvenz." Er forderte den Bund zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes auf, um Entschädigungen zu ermöglichen. Eine Alternative hierzu wäre eine umfangreiche Hilfe, die sich nach dem Umsatz von Vorjahresmonaten bemisst - also deutlich mehr Geld vom Staat als bisher vorgesehen.
Die Hotelbranche wurde von der Coronakrise besonders heftig erwischt. Seit November dürfen nur Geschäftsreisende beherbergt werden. Die allerdings gibt es kaum noch, weil die meisten Messen und Kongresse abgesagt wurden, zudem setzen viele Firmen verstärkt auf digitale Kommunikation anstelle von Reisen. Mit den Geschäftsreisenden kam Dorint seit November nur auf 6 Prozent des Vorjahresumsatzes.
Rund 200 Kilometer nordöstlich der als "Notruf" verstandenen Kölner Pressekonferenz äußerte die Inhaberin der Hotelkette Maritim, Monika Gommolla, ihre Besorgnis. Man sei von der Pandemie "extrem hart getroffen", erklärte sie in Bad Salzuflen. Es seien bisher nur zwei Millionen Euro an staatlichen Hilfen ausgezahlt worden. "Dies erweckt den Eindruck, dass der größere Mittelstand in den betroffenen Branchen sich selbst überlassen und so kaputt gemacht wird."
Gommolla verwies auch auf einen personellen Aderlass als Krisenfolge. Man verliere hochqualifizierte Beschäftigte, die man selbst ausgebildet habe - das Unternehmen habe bereits 2000 Mitarbeiter weniger als vor der Pandemie. Befristete Verträge wurden nicht verlängert, Auszubildende nicht als Festangestellte übernommen und Mitarbeiter, die über Monate in Kurzarbeit waren, suchten sich Jobs in anderen Branchen. 2019 kam das Unternehmen laut Bundesanzeiger in Deutschland auf einen Umsatz von rund 426 Millionen Euro und auf einen Gewinn (Konzernergebnis) von 28 Millionen Euro. (dpa/ad)