IT-Pannen

Im Reichstag spinnen die Computer

Johannes Klostermeier ist freier Journalist aus Berlin. Zu seinen Spezialgebieten zählen unter anderem die Bereiche Public IT, Telekommunikation und Social Media.
Es sollte eines der modernsten und funktionalsten Gebäude der Welt werden. Doch im Berliner Reichstag spielt die Technik verrückt. Abhilfe ist nicht vor 2002 in Sicht.

Wer über die Gebäudetechnik des Reichstags Auskunft geben muss, der ist von vornherein in der Defensive; so auch der Pressesprecher der Bundesbaugesellschaft, André Lundt. Er ist einer der wenigen, der die komplizierte Störungsgeschichte en détail erklären kann. „Die Rechner der Gebäude-Leitzentrale sind mit rund 10000 Messpunkten verbunden, auf deren Verbindungsstrecken es ständig zu Störungen kommt“, bestätigt er. „Es ist wie Babylon, die Systeme können nicht richtig miteinander sprechen.“ Durch die fehlerhafte Technik kommt es immer wieder zu kuriosen Zwischenfällen. Wenn der Rechner etwa fälschlicherweise annimmt, es brenne im Reichstag, fährt er die Rauchklappen auf und die Fahrstühle ins Erdgeschoss. Auch ohne Fehlalarm ist es in Sitzungssälen oft viel zu kalt oder zu heiß, Fenster und Jalousien öffnen sich von selbst oder schließen nicht.

„Die Überprüfung und Reparatur der Messpunkte dauert noch bis ins Jahr 2002“, sagt Lundt. Die Bundestagsverwaltung hat das Problem derzeit pragmatisch gelöst. Statt mit Hightech wird die Gebäudetechnik wieder per Hand überwacht und gesteuert. Teure Spezialisten kontrollieren die wesentlichen Funktionen in der Leitzentrale, was der Verwaltung Mehrkosten „in Millionenhöhe“ verursache. Seit der Bundestag allerdings den Reichstag als alleiniger Nutzer übernommen hat, ist er mit der manuellen Lösung nicht mehr einverstanden.

Alles begann mit der Ausschreibung der Firma des britischen Star-Architekten Sir Norman Foster. Gewonnen hat den Auftrag für den Neu- und Ausbau von Kuppel und Fassaden des Berliner Reichstags die mittelständische Fassadenbaugruppe Götz aus Würzburg. Sie hatte das günstigste Angebot abgegeben, war aber mit der Ausführung des Renommierauftrags völlig überfordert. Die Firma mit knapp 400 Beschäftigten verkalkulierte sich und beantragte im Juni vergangenen Jahres Insolvenz. Die Schuld gab sie anschließend der „extrem bürokratischen Abwicklung“ durch die Bundesbaugesellschaft, was diese naturgemäß bestreitet.

Gegenüber der Berliner Zeitung sprach die Bundesbaugesellschaft im Sommer von einem weltweit erstmals eingesetzten Prototypen. „Wir haben uns unbewusst in die Rolle des Versuchskaninchens begeben. Hätten wir das vorher gewusst, hätten wir gern darauf verzichtet“, sagte der Chef der Baukommission, Dietmar Kansy (CDU). „Das ist Unsinn“, kontert Rolf Meyer, Geschäftsführer der Münchner Regulex Automation und Subunternehmer von Götz. „Weltweit arbeiten derartige Local-Operating-Network-Systeme bereits in mehr als 5000 Gebäuden.“

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