Ökonomen bleiben optimistisch
Japan stürzt in die Rezession
Japans Wirtschaft steht wegen der Corona-Krise vor dem schlimmsten Einbruch der Nachkriegszeit. Die vor Deutschland drittgrößte Volkswirtschaft der Welt schrumpfte bereits im ersten Quartal dieses Jahres um eine hochgerechnete Jahresrate von 3,4 Prozent - und das sogar noch vor dem Ausrufen des landesweiten Notstands. Damit sinkt die Wirtschaftsleistung des Landes seit zwei Quartalen, Ökonomen sprechen von einer "technischen Rezession".
Der Rückgang im 1. Quartal fiel zwar geringer aus als von Ökonomen befürchtet. Doch wie in Deutschland rechnen Volkswirte auch in Japan damit, dass das Schlimmste noch nicht überstanden ist: "Das zweite Quartal wird wesentlich schwächer ausfallen", prognostiziert Martin Schulz, Chefökonom beim Technologiekonzern Fujitsu in Tokio. Und doch stehe Japan im Vergleich zu anderen Staaten noch recht gut da.
Export und private Konsumausgaben der Japaner eingebrochen
Japan war bereits geschwächt ins neue Jahr gestartet. Wegen einer Anhebung der Mehrwertsteuer war die Wirtschaft im Schlussquartal 2019 um annualisiert 7,3 Prozent geschrumpft. Nun hoffte man auf eine Erholung. Doch dann brach im benachbarten China das Coronavirus aus, Japans Exporte begannen zu sinken. Der dicke Schlag kam, als dann auch in Japan die Einschränkungen wegen der Pandemie begannen. Die privaten Konsumausgaben, die in Japan zu rund 60 Prozent zur Wirtschaftsleistung des Landes betragen, und der Export brachen ein.
"Japans Wirtschaft steht vor der größten Krise der Nachkriegszeit", konstatierte Regierungschef Shinzo Abe. Ökonomen rechnen zwar in der zweiten Hälfte dieser Jahres wieder mit einem Aufschwung. Doch ob es dabei einen großen Sprung geben wird, ist fraglich. "Bis man den Verlust, den die Virenkatastrophe angerichtet hat, ausgeglichen hat, werden auf jeden Fall zwei Jahre vergehen", schätzt Chefökonom Schulz. Dennoch sei Japans Wirtschaftslage weiterhin recht stabil.
Kein lockdown in Japan
Anders als in Deutschland und vielen anderen Ländern hat es einen lockdown wegen der Coronakrise in Japan nicht gegeben. Die Einschränkungen erfolgten graduell und wurden der Lage schrittweise angepasst. Der im April ausgerufene Notstand bedeutete denn auch keine harte Abschottung wie in Europa, die Bürger wurden lediglich dazu aufgerufen, so weit wie möglich zu Hause zu bleiben. Dennoch gingen Millionen Japaner weiter zur Arbeit. Inzwischen wurde der Notstand für weite Landesteile sogar vorzeitig wieder aufgehoben.
Zwar ist Japan für sein moderates Vorgehen kritisiert worden. So wurde der Regierung vorgeworfen, viel weniger auf Corona zu testen als andere Länder. Andere Experten halten dagegen, dass Japan viel weniger Tote und Patienten mit schweren Symptomen aufweise. Dazu habe beigetragen, dass in Japan mit seiner hohen Bevölkerungsdichte seit jeher extrem hoher Wert auf Hygiene gelegt wird. Hinzu kommen kulturelle Besonderheiten - wie das Verbeugen statt Händeschütteln oder dass Japaner die Schuhe ausziehen, bevor sie ins Haus gehen.
Verordnete Einschränkungen deutlich geringer als in anderen Ländern
Und so fielen die von oben verordneten Einschränkungen viel geringer aus als in den meisten anderen Ländern. Vielen Unternehmen hat dieses Vorgehen ermöglicht, nicht nur zu überleben, sondern auch startbereit zu bleiben. Die Regierung legte ungeachtet der gewaltigen Staatsverschuldung das größte Konjunkturpaket aller Zeiten auf und griff den Unternehmen frühzeitig unter anderem mit Krediten und der Stundung von Steuern unter die Arme. Ein Einbruch bei der Arbeitslosigkeit blieb aus. Zwar dürften die Haushaltseinkommen zurückgehen, einen Einbruch erwarten Ökonomen aber auch hier nicht.
"Damit ist die Basis für einen Aufschwung in Japan eigentlich relativ stabil", erklärt Chefökonom Schulz. Doch an einem hapert es in Japan noch: Der Digitalisierung. Das wurde Japan ungeachtet seines Rufs als Hochtechnologieland erst in der Coronakrise so richtig bewusst. Dass nämlich zur Widerstandsfähigkeit auch gehört, Prozesse schneller koordinieren zu können. Oder schneller ins Homeoffice zu können. Unzählige Japaner mussten in der Coronakrise auch deswegen ins Büro, weil Japans Verwaltungsvorschriften verlangen, dass Dokumente einen "hanko" (Stempel) tragen. Eine Tradition, die sich als Bürde erwies.
Das hat man jetzt gelernt. Volkswirte rechnen jedenfalls mit einem Riesensprung in Richtung Digitalisierung und neue Arbeitsstile. Das dürfte sich in Japan sogar noch positiver auswirken als in anderen Ländern, da Japan bei der Digitalisierung nicht so fortgeschritten ist wie andernorts. Jesper Koll von der Asset Management-Gesellschaft WisdomTree Japan macht sich um die Nummer Drei der Weltwirtschaft denn auch keine Sorgen. "Ich bin äußerst optimistisch", erklärte der einflussreiche Ökonom in einem Interview. Japan werde immer moderat und langsam in seinen anfänglichen Reaktionen sein. Doch sei das Land im Verlaufe seiner Geschichte bisher noch aus jeder Krise "stärker, wettbewerbsfähiger und innovativer als zuvor" herausgegangen. (dpa/rs)