4 Stresstypen
Jeder Mitarbeiter leidet anders unter Stress
Christoph Lixenfeld, seit 25 Jahren Journalist und Autor, vorher hat er Publizistik, Romanistik, Politikwissenschaft und Geschichte studiert.
1994 gründete er mit drei Kollegen das Journalistenbüro druckreif in Hamburg, schrieb seitdem für die Süddeutsche Zeitung, den Spiegel, Focus, den Tagesspiegel, das Handelsblatt, die Wirtschaftswoche und viele andere.
Außerdem macht er Hörfunk, vor allem für DeutschlandRadio, und produziert TV-Beiträge, zum Beispiel für die ARD-Magazine Panorama und PlusMinus.
Inhaltlich geht es in seiner Arbeit häufig um die Themen Wirtschaft und IT, aber nicht nur. So beschäftigt er sich seit mehr als 15 Jahren auch mit unseren Sozialsystemen. 2008 erschien im Econ-Verlag sein Buch "Niemand muss ins Heim".
Christoph Lixenfeld schreibt aber nicht nur, sondern er setzt auch journalistische Produkte ganzheitlich um. Im Rahmen einer Kooperation zwischen Süddeutscher Zeitung und Computerwoche produzierte er so komplette Zeitungsbeilagen zu den Themen Internet und Web Economy inklusive Konzept, Themenplan, Autorenbriefing und Redaktion.
- Dominante, zielorientierte Persönlichkeiten leiden weniger als andere.
- Extrem teamfähige Menschen sind dagegen meist auch extrem gestresst.
- Fast kein Betroffener bewertet Stress nur negativ, viele sagen, sie bräuchten ihn sogar.
Auf den ersten Blick überrascht vor allem die Häufigkeit: Lediglich 29 Prozent der Angestellten, so ein zentrales Resultat, seien "oft" oder "ständig" im Job gestresst. In Anbetracht der Flut von Burnout-Literatur und Anti-Stress-Ratgebern, die uns seit vielen Jahren überschwemmt, mutet diese Zahl ziemlich niedrig an. Dennoch ist sie, bei genauer Betrachtung, kein Grund zur Entwarnung.
Deloitte hat seine Studie bewusst sehr breit angelegt, befragte 23.000 Angestellte unterschiedlicher Level aus 1.300 Unternehmen in 120 Ländern. Das Thema StressStress wurde dabei situativ betrachtet, das heißt den Befragten unterschiedliche Situationen wie "Organisation eines Meetings", "alleine an einem Schwierigen Projekt arbeiten" oder "mit einem wütenden Kunden sprechen" präsentiert, verbunden mit der Frage, ob und in welchem Maße sie davon gestresst sind. Alles zu Stress auf CIO.de
Konflikte, Projekte und Erwartungen produzieren Stress
Aufgaben und Situationen, die am meisten stressen, sind dabei: eigene Fehler, genannt von 82 Prozent der Befragten, lange, anstrengende Arbeitstage (52 Prozent), Konfliktsituationen wie gerügt werden oder anderen eine unangenehme Nachricht überbringen müssen (52 Prozent), Projektarbeit unter Druck (46 Prozent) sowie persönliche anspruchsvolle Interaktionen wie zum Beispiel das Halten einer Präsentation (45 Prozent).
Insgesamt sind es also Erwartungen und Konflikte, die Stress verursachen. Allerdings wirkt der längst nicht bei allen gleich stark, wie ein detaillierter Blick auf die Befragten offenbart. Für das Verständnis dieses Zusammenhangs ist zunächst ein Blick auf die Befragenden wichtig: Durchgeführt hat die Studie Deloitte Greenhouse, eine vergleichsweise neue Beratungssparte, die auf "experimentelle Problemlösungen" spezialisiert ist, genauer auf eine Kombination aus Datenanalyse, Psychologie und Verhaltensforschung.
Teil dieses zwar nicht vollständig verstehbaren, aber in jedem Fall schwer menschelnden Ansatzes ist - und damit sind wir zurück bei der Studie - das "Business Chemistry"-Konzept, mit dessen Hilfe sich Angestellte typisieren lassen. Und unterschiedliche Typen reagieren ganz unterschiedlich auf Stress.
4 Stresstypen
Da ist zunächst der Guardian, also Wächter, ein fleißiger, konventioneller Arbeiter, der immer aufpasst, dass nichts aus dem Ruder läuft. Und der leicht in Stress gerät, sollte dies doch einmal der Fall sein.
Ebenfalls Stressanfällig ist der Typ Integrator, ein Mitarbeiter, der viel und gerne kommuniziert, der weiß, was intern so läuft und die Fäden gerne zusammenhält. Warum er stressanfällig ist? Weil zu diesem Typ, so Deloitte, auch nicht wenige Träumer gehören, Menschen, die vor lauter Kommunikation die eigentlichen Ziele des Unternehmens oder auch nur der Abteilung aus dem Auge verlieren. Und die dann Probleme kriegen, wenn sie sich mal wieder konkret damit auseinandersetzen müssen.
Auch in Stress können die sogenannten Driver geraten, Menschen, die sich stark auf (von ihnen) als wichtig erachtete Ziele konzentrieren und auch gerade sie zusteuern. Ihr Problem kann sein, dass sie sich dabei in Details verlieren und verheddern. Auch das produziert Stress.
Am wenigsten Stressanfällig sind - jedenfalls wenn man der Logik von Deloitte folgt - die Pioniere, Menschen, die Entwicklungen vorantreiben, dabei auch ungewöhnliche Wege gehen, die sich kurz gesagt wenig um die Meinung und das Urteil anderer scheren.
Bemerkenswerter Weise gilt auch der umgekehrte Zusammenhang: Extrem teamfähige, sensible Menschen, die anderen gut zuhören können, seien zwar "für das Team extrem wertvoll" so Suzanne Vickberg, Senior Manager bei Deloitte und eine der Autorinnen der Studie, "gleichzeitig sind sie aber oft die Gestresstesten von allen. Außerdem werden sie von den anderen oft übersehen."
Die Aufgabe für Führungskräfte
Die Quintessenz von alldem ist zweigeteilt. Erste Erkenntnis: Erwartungen, Konflikte, Fehler und Vorwürfe stressen alle, insofern spielt sich im Büro zwischenmenschlich Ähnliches ab wie in einer Ehe.
Zweitens: Wie nah jemand solche Dinge an sich ranlässt, ist typabhängig, hängt vor allem vom Arbeitsstil und von der Reaktion auf das Feedback anderer ab. Kim Christfort, Managing Director bei Deloitte und ebenfalls Co-Autorin der Studie: "Für Führungskräfte ist es enorm wichtig, sich mit der Frage zu beschäftigen, was genau welchen Mitarbeiter motiviert. Das hilft nicht nur, Konflikte im Vorfeld auszuräumen, es sorgt auch durch individuelle Förderung für bessere Ergebnisse im Team."
Fast alle sagen, sie bräuchten Stress
Bleibt noch die Frage, ob Stress in jedem Fall schlecht ist für diejenigen, die ihn erleben. Um das Herauszufinden, hatte Deloitte in einem zweiten Panel andere 17.000 Angestellte dazu befragt, wie sie selbst die Wirkung des Stresses auf ihre Arbeitsleistung einschätzen. Sechzig Prozent der "Driver" und "Pioneers" (siehe oben) sagten, sie seien am effektivsten, wenn sie mittel bis stark gestresst seien. Und auch von den anderen Befragten beurteilte mindestens die Hälfte die Wirkung von Stress auf ihre Leistung eher positiv.
- Platz 8: Programmierer
Programmierer sehen sich ähnlichen Anforderungen ausgesetzt wie Software-Entwickler - allerdings schreiben, testen und codieren sie die Applikationen und Software, die von den Entwicklern erarbeitet wurde. Erstaunlicherweise werden am Markt laut dem amerikanischen Bureau of Labour Statistics (BLS) immer weniger Programmierer gesucht. - Platz 7: Software-Entwickler
Die Aufgabe eines Software-Entwicklers ist es, Computer-Programme zu entwickeln. Dabei sollte er im Idealfall seine Deadlines einhalten, Kunden zufriedenstellen und die Erwartungen seines Unternehmens an die Software-Entwicklung erfüllen. Die Nachfrage nach diesem Jobprofil wird sich bis 2024 laut BLS um 17 Prozent erhöhen. Auch das macht den Job als Software-Entwickler stressiger. - Platz 6: IT-Service-Techniker
Mit dem technologischen Aufschwung wächst der Bedarf an Service-Technikern, die Computer und andere Devices am Arbeitsplatz am Leben halten. Es ist also wenig überraschend, dass der Beruf des IT-Service-Technikers unter den acht stressigsten IT-Jobs vertreten ist. - Platz 5: Data Scientist
Die "Datenwut" greift ja bereits seit längerem um sich. Viele Unternehmen suchen daher händeringend nach Daten-Spezialisten, finden aber keine (oder nur wenige) geeigneten Kandidaten. Die wenigen, die bereits eine solche Position innehaben, haben entsprechend viel zu tun. - Platz 4: Netzwerk-Administrator
Der Job des Netzwerk- und System-Administrators erfreut sich zwar keiner wachsenden Beliebtheit (BLS: minus 8 Prozent bis 2024) - gehört aber trotzdem zu den stressigsten IT-Jobs. Kein Wunder, schließlich ist der arme Kerl mit diesem Titel auf der Visitenkarte für den gesamten Netzwerkverkehr eines Unternehmens verantwortlich. - Platz 3: IT-System-Analyst
System-Analysten sind dafür zuständig, die IT-Systeme und -Prozesse eines Unternehmens zu untersuchen. Ihr Ziel: maximale Effizienz. Der Job ist an sich schon mit einem ausgeprägtem Stress-Level gesegnet - durch den Technologie-Eifer der Digitalisierungs-Ära erhält der Stressfaktor allerdings noch einmal einen deutlichen Boost. - Platz 2: Technischer Redakteur
Der Beruf des technischen Redakteurs wird laut BLS im Laufe der nächsten acht Jahre zunehmend beliebt (Wachstum bis 2024: 27 Prozent). Die Hauptaufgabe des technischen Redakteurs besteht in der engen Zusammenarbeit mit Entwicklern, auf deren Basis technische Dokumentationen, Fachartikel, Tutorials oder Bedienungsanleitungen entstehen. - Platz 1: Web-Entwickler
Entwickler von Web-Anwendungen haben den stressigsten Job der IT-Branche. Aber auch den von den Unternehmen am meisten nachgefragten - mehr als jeder vierte Personaler ist laut BLS jetzt oder in den kommenden Jahren auf der Suche nach Fachkräften.
Ebenfalls befragt wurde die zweite Gruppe zu ihren Stressbewältigung-Strategien (auch hier waren Mehrfachnennungen möglich). Insgesamt 83 Prozent sagen, ihnen helfe Action am meisten, will sagen das Hineinspringen und Anderwurzelpacken der anstehenden Herausforderung. 79 Prozent kommen am besten zurecht, wenn sie innhalten und die unterschiedlichen Optionen erst in Ruhe durchdenken.
78 geben an, sie versuchten die Situation so detailliert wie möglich zu verstehen, bei Bedarf auch durch Einholen zusätzlicher Infos. Ganze 47 Prozent lassen sich von Kollegen helfen und 46 Prozent schließlich nehmen erstmal eine Auszeit, gehen beispielsweise zum Sport.
Jeder Mitarbeiter reagiert anders auf Stress
Vorgesetzte sollten - das ist eine weitere Lehre aus der Befragung - nicht erwarten, dass alle ihre Leute gleich auf Stress reagieren, gleich gut damit umgehen oder alle in gleichem Maße Stress brauchen, um effektiv zu arbeiten.
Und den Gestressten selbst kann es nicht schaden, ehrlich zwischen von sich selbst erwarteter Stressreaktion und ihrer tatsächlichen Befindlichkeit zu unterscheiden.