Google DeepMind entwickelt Fußball-Taktiken
KI hilft FC Liverpool bei Eckstößen
Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
Zwar ist künstliche Intelligenz in naher Zukunft wohl noch nicht in der Lage, sämtliche Aufgaben eines Fußballtrainers zu übernehmen - geschweige denn Jürgen Klopp zu ersetzen, wenn er zum Saisonende den FC Liverpool verlässt. Mit Empfehlungen zur taktischen Aufstellung bei Eckstößen, basierend auf prädiktiver und generativer KI, ist DeepMind diesem Ziel jedoch schon ein Stückchen näher gekommen. Wie die Google-Tochter im Fachjournal Nature Communications berichtet, entwickelte sie im Rahmen ihrer mehrjährigen Zusammenarbeit mit dem FC Liverpool ein vollständiges KI-SystemKI-System, das Trainer bei Eckstößen beraten kann. Alles zu Künstliche Intelligenz auf CIO.de
Die Spielsituation wurde dabei nicht zufällig gewählt: Eckstöße bedeuten immer eine Spielunterbrechung, bei der die Spieler beider Mannschaften für kurze Zeit eine feste Position einnehmen, was sich für eine Analyse anbietet. Außerdem handelt es sich ähnlich wie bei Freistößen um eine gefährliche Spielsituation, die nicht selten zu einem Tor(schuss) führt.
Dies gilt besonders für den FC Liverpool - einer der berühmtesten Momente im UEFA-Cup-Halbfinale 2019 war ein Eckstoß von Trent Alexander-Arnold, der Divock Origi zu einem Tor verhalf, das als das größte Tor des FC Liverpool in die Geschichte einging. Allerdings ist auch bei Eckstößen die Vorhersage der Ergebnisse aufgrund der Zufälligkeit der Spielweise einzelner Spieler und der Dynamik zwischen ihnen komplex.
10.000 Eckstoßsituationen als Basis
Um Taktiken und Kontertaktiken in Eckstoßsituationen zu entwickeln, mussten Analysten bisher zahlreiche Videos von Spielen ansehen, um nach ähnlichen Beispielen zu suchen und gegnerische Mannschaften zu studieren. Hier kommt TacticAI mit seinen prädiktiven und generativen Modellen zur Hilfe. Laut DeepMind wurde das KI-System mit einem Datensatz aus knapp 10.000 Eckballsituationen aus den Spielzeiten 2020 bis 2023 der Premier League gefüttert, um mit Hilfe von geometrischem Deep Learning drei zentrale Fragen zu beantworten:
Was wird bei einer bestimmten taktischen Aufstellung für einen Eckstoß passieren? (Prädiktiv): Wer wird etwa mit hoher Wahrscheinlichkeit den Ball erhalten? Wird es einen Schussversuch geben?
Lässt sich nach dem Spiel nachvollziehen, was passiert ist? (Retrieval): Haben beispielsweise ähnliche Taktiken in der Vergangenheit gut funktioniert?
Wie kann man die Taktik anpassen, um ein bestimmtes Ergebnis zu erzielen? (Generativ): Wie sollten zum Beispiel die verteidigenden Spieler neu positioniert werden, um die Wahrscheinlichkeit von Schussversuchen zu verringern?
Konstruktive Vorschläge für menschliche Experten
Der aktuelle Stand, so DeepMind in einem Blogbeitrag: In einer quantitativen Analyse zeigte sich, dass TacticAI bei der Vorhersage von Eckstoßempfängern und Schusssituationen sehr genau war und dass die Spielerpositionierung dem realen Spielverlauf ähnlich war.
Außerdem hätten hinzugezogene Fußballexperten des FC Liverpool bestätigt, dass die Vorschläge von TacticAI nicht von realen Taktiken zu unterscheiden seien. In 90 Prozent der Fälle wurden sie auch von den menschlichen Experten gegenüber den taktischen Setups aus der Praxis bevorzugt, so die Google-Tochter.
TacticAI ist nicht das erste Ergebnis der Kooperation mit dem FC Liverpool: In einem ersten Forschungsprojekt namens Game Plan wurde untersucht, warum KI bei der Unterstützung von Fußballtaktiken eingesetzt werden sollte, und es wurden Beispiele wie die Analyse von Elfmetern vorgestellt.
Im Jahr 2022 entwickelte DeepMind dann Graph Imputer um anhand eines Prototyps eines Vorhersagesystems aufzuzeigen, wie KI für nachgelagerte Aufgaben in der Fußballanalyse eingesetzt werden kann. So ist das System laut DeepMind in der Lage, die Bewegungen von Spielern abseits der Kamera vorherzusagen, wenn keine Tracking-Daten verfügbar sind - quasi ein Ersatz für einen Scout, der das Spiel persönlich beobachtet.