30 Megabit pro Sekunde als Minimum

Koalition will Recht auf schnelles Internet festlegen

21.04.2021
Der geltenden Rechtslage zufolge ist nur ein "funktionaler" Zugang zum Festnetz-Internet Pflicht - also ein 56-Kilobit-Schneckentempo (0,056 MBit pro Sekunde). Im Kompromisspapier von CDU/CSU und SPD ist von einem Richtwert von 30 Megabit pro Sekunde die Rede. So sollen auch Anforderungen für das Homeoffice erfüllt werden.
Die geplanten Änderungen am Telekommunikationsgesetz wurden deutlich abgeschwächt und bringen bei weitem nicht mehr das, was ursprünglich erhofft wurde. Dafür drohen weiterhin erhebliche Eingriffe in Datenschutz und Privatsphäre
Die geplanten Änderungen am Telekommunikationsgesetz wurden deutlich abgeschwächt und bringen bei weitem nicht mehr das, was ursprünglich erhofft wurde. Dafür drohen weiterhin erhebliche Eingriffe in Datenschutz und Privatsphäre
Foto: Proxima Studio - shutterstock.com

Ein gesetzlich verankertes "Recht auf schnelles Internet" hat mit der Abstimmung über eine Novelle des Telekommunikationsgesetzes im Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestags die nächste Hürde genommen. Die Koalitionsfraktionen aus Union und SPD hatten sich vor der Sitzung auf einen Kompromiss geeinigt. Er soll Menschen auch in abgelegenen Gegenden einen schnelleren Internetzugang als bisher ermöglichen.

Der geltenden Rechtslage zufolge ist nur ein "funktionaler" Zugang zum Festnetz-Internet Pflicht - also ein 56-Kilobit-Schneckentempo (0,056 MBit pro Sekunde). Der Ausschuss einigte sich auf einen Richtwert von 30 Megabit pro Sekunde, weil so viel nötig sei, um Anforderungen für das Homeoffice zu erfüllen. Das ist etwas mehr, als Branchenschätzungen zufolge bei einer zuvor vorgesehenen Berechnungsmethode durch die Bundesnetzagentur herausgekommen wäre.

Das Vorhaben, das Teil einer umfangreichen Novelle des Telekommunikationsgesetzes ist, soll am Donnerstag in das Plenum des Bundestags kommen. Eine Zustimmung zu den Vorgaben, auf die sich die große Koalition geeinigt hatte, gilt als sicher. Danach wäre der Bundesrat am Zug.

Sollte das Recht auf schnelles Internet zum Gesetz werden, könnten Bürger ab Juni 2022 zur Bundesnetzagentur gehen und sich über Schneckentempo-Internet in der eigenen Wohnung beschweren. Die Bonner Behörde würde dies prüfen und gegebenfalls einen Anbieter mit der Verlegung von Leitungen beauftragen.

Deutlich abgeschwächte Reformen

Bei dem Wert wird die Mindestvorgabe jedoch vor allem auf dem Land helfen. In Städten wird die neue Mindestvorgabe in der Regel keine große Rolle spielen, weil dort ohnehin schon bessere Verbindungen möglich sind.

Laut Netzpolitik.org ist der Beschluss nach Ansicht von Infrastrukturexpertin Susanne Blohm vom Verbraucherzentrale Bundesverband lediglich ein "politischer Placebo". Auch die grüne Infrastruktursprecherin Margit Stumpp kritisiert das: „Der von uns seit Jahren geforderte rechtliche Anspruch auf einen Internetzugang im Rahmen des Universaldienstes wird zwar umgesetzt, aber der Gesetzentwurf der Ministerien entpuppt sich als Minimalversion der EU-Vorgaben, die im Alltag bei weitem nicht ausreichen.“

Die Kosten für den erforderlichen Ausbau sollen aus einem Finanztopf kommen, der von den Telekommunikationsunternehmen gefüllt werden müsste - in den aber künftig auch sogenannte "Over-the-Top-Anbieter" einzahlen könnten. Bitkom-Präsident Achim Berg hatte die TKG-Novelle bereits als "Ausbaubremse" kritisiert: "Die neuen Vorgaben führen zu mehr Bürokratie und weniger Wettbewerb, sie verteuern und verlangsamen den Ausbau." Er bezieht sich damit auf die Absage an die erleichterte Nutzung alternativer Verlegemethoden.Damit müssten weiterhin regelmäßig ganze Straßenzüge aufgerissen werden, um die Netze auszubauen. "Das braucht Tiefbaukapazitäten, die kaum zur Verfügung stehen, und das alles kostet Zeit und Geld. Stattdessen sollte man auf innovative und schnelle Verlegetechniken wie Microtrenching setzen. Dieses Verfahren ist etabliert und gut erprobt", bedauert Berg.

Vertreter der Regierungskoalition loben dagegen das Kompromisspapier. "Durch den Rechtsanspruch auf schnelles Internet wird eine Grundversorgung sichergestellt", sagt Ulrich Lange, der Vize-Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. Der Anschluss müsse stabile Verbindungen für Homeoffice und Homeschooling ermöglichen. Er betont zudem, dass die Festlegung der Leistungsparameter nur "im Einvernehmen" mit dem Ausschuss für digitale Infrastruktur des Bundestags erfolgen dürfe. Die Volksvertreter sollen also bei dem Thema auch künftig ein Wort mitreden können.

Opposition fordert 100 MBit/s als Mindestlevel

Aus Sicht der netzpolitischen Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Anke Domscheit-Berg, greift das Gesetzesvorhaben zum Recht auf schnelles Internet dagegen viel zu kurz. "So eine Untergrenze im niedrigen zweistelligen Megabitbereich ist völlig unambitioniert und unzeitgemäß", sagt die Politikerin. "Wir sollten im Downstream nicht weniger als 100 Megabit pro Sekunde als Mindestlevel überall in Deutschland festlegen und 50 Mbit im Upstream, die Werte sollten in den nächsten Jahren steigen." Schnelles Internet sei überall in Deutschland ein absolutes Muss.

Nach dem Votum im Wirtschaftsausschuss soll der Bundestag schon am Donnerstag über das Telekommunikationsgesetz abstimmen. Parallel wird im Bundestag mit dem "Gesetz zur Regelung des Datenschutzes und des Schutzes der Privatsphäre in der Telekommunikation und bei Telemedien" um "Klarheit und Rechtssicherheit bei den Datenschutzbestimmungen vor allem im Telekommunikationsbereich" gerungen. Die weitreichenden Eingriffe in Privatsphäre und Datenschutz durch die Gesetzesvorhaben stoßen auf ebenso weitgehende Kritik wie geplante Gesetzesänderungen in anderen Bereichen mit Auswirungen auf die digitale Kommunikation (dpa/pma)

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