Alles auf Grün?
Kohle bringt 2018 Unsicherheit für Stromversorger
Deutschlands Stromkonzerne sind 2017 beim Umbau und der Anpassung an eine immer grünere Energiewelt vorangekommen. Nicht zuletzt dank der erholten Großhandelspreise rechnen sie unter dem Strich wieder mit Gewinnen - bei RWE und Eon mit einer Milliarde Euro oder mehr. Die Aufteilung der beiden NRW-Energieriesen in eigene Konzerne für Ökostrom und konventionelle Erzeugung hat sich bewährt.
Die fetten Jahre sind vorbei - und für Kunden wird es wieder teurer
Große Fragezeichen stehen angesichts der Klimaziele jedoch hinter der Zukunft der Kohleverstromung. Und grüne Massenprodukte, die auch nur annähernd Milliardenumsätze einspielen wie einst das Geschäft mit den Kraftwerken, seien weiterhin nicht in Sicht, sagen Fachleute wie der Aktionärsschützer Thomas Hechtfischer. Wie nervös die Börse das beobachtet, zeigt der drastische Kurseinbruch bei Innogy kurz vor dem Jahresende 2017, der zur Trennung von Konzernchef Peter Terium führte.
Die Stromverbraucher können 2018 kaum auf größere Entlastung hoffen: Zum Jahresbeginn senken nur wenige Anbieter die Preise. Andererseits geht es auch nicht flächendeckend nach oben wie noch Anfang 2017.
Was passiert mit der Kohle?
Wenn Deutschland tatsächlich den CO2-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent im Verhältnis zu 1990 senken will, müsse - neben den anderen Sektoren Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft - auch die Energiebranche mehr einsparen, fordern Umweltschützer. Zugleich hängen an der Braunkohle aber Zehntausende Jobs im Rheinischen Revier, in der Lausitz und in Sachsen-Anhalt. Zudem ist die Kohlekraft für die "Grundlastfähigkeit" des Netzes nötig - also um die Versorgung wegen der je nach Wetter schwankenden Ökostrom-Einspeisung stabil halten zu können.
Unbestritten ist: Bei der Verstromung von Kohle entstehen besonders große Mengen des Treibhausgases CO2. Die Grünen hatten im Wahlkampf gefordert, die 20 schmutzigsten deutschen Kraftwerksblöcke sofort abzuschalten und bis 2030 ganz auf Ökoenergien umzusteigen. Gelingt hier keine Umkehr, ist es um das Weltklima schlecht bestellt. Das räumen auch die Energieriesen selbst ein - sie warnen jedoch vor einem übereilten Kohleausstieg, zumal die dann zunächst wegbrechende Strommenge die Preise hochtreiben könnte. Die Gewerkschaften sehen vor allem die Gefahren für die Jobs, das Grünen-Szenario brächte wohl betriebsbedingte Kündigungen im Rheinischen Revier.
Die Erneuerbaren zwischen Ausbauzielen und Förderdeckel
2016 wurde das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) novelliert, im abgelaufenen Jahr zeigten sich besonders beim Windstrom erste Folgen. Künftig bekommen Investoren weniger auf 20 Jahre hinaus garantierte Einspeisevergütungen - sie müssen um den günstigsten Auftrag bieten.
Die Hoffnung der Politik: den überhitzten Windkraft-Zubau in ruhigere Bahnen lenken und - über eine Deckelung der Förderung - die Kosten für Verbraucher senken. Denn die Stromkunden bezahlen einen Großteil der Ökostrom-Subventionen zum Beispiel über die EEG-Umlage mit.
Netzausbau und Netzentgelte: Von Trassen, Bauern und ganz viel Geld
Immer noch ist das deutsche Stromnetz auf eine Struktur mit wenigen großen Kraftwerken anstelle vieler kleinerer, dezentraler Erzeuger ausgelegt. So lässt sich das Ökostrom-Angebot zwischen Überproduktion in Spitzenzeiten und Mangelversorgung bei Windstille oder bedecktem Himmel nur schlecht steuern - mit entsprechenden Risiken für die Versorgungssicherheit der Stromkunden in Haushalten und Industrie.
Der Netzausbau bleibt daher eines der wichtigsten energiepolitischen Themen. Neue Großtrassen werden geplant, doch die "Stromautobahnen" stoßen vielerorts auf Widerstand. Bürgerinitiativen sperren sich gegen Leitungen in der Nähe ihrer Orte, Bauern fühlen sich enteignet und bangen um die Qualität ihrer Böden. Auch der Entschluss, große Abschnitte mit deutlich teureren Erdkabeln zu bauen, kann diese Kritik nicht ganz zerstreuen. Die milliardenschweren Zusatzkosten für die Erdkabel landen dabei über die Netzentgelte am Ende wieder beim Stromkunden - eine teuer erkaufte Akzeptanz.
Auch der Atomausstieg kostet weiter
Nach dem Schock von Fukushima im Frühjahr 2011 gab es kein Zurück mehr für die deutschen Atommeiler. Das schnellere Aus wollten sich die Betreiber aber bezahlen lassen: Weil sie zuvor auf längere Laufzeiten gesetzt hatten, verlangten sie Entschädigung. Kurz vor dem Jahresbeginn gab das Bundesverfassungsgericht ihnen prinzipiell Recht - bis Mitte 2018 muss der Gesetzgeber nun klären, wie ein Ausgleich im Detail aussehen soll. Ohne den Steuerzahler wird es wohl nicht gehen.
Im vergangenen Juli machten die großen Vier Eon, RWE, EnBW und Vattenfall bei den Kosten für die Zwischen- und Endlagerung von Nuklearmüll schon einmal reinen Tisch. Sie überwiesen 24,1 Milliarden Euro auf Konten des staatlichen Entsorgungsfonds. Ob das wirklich reicht, um die Gesamtkosten der Verwahrung der teils Jahrmillionen strahlenden Rückstände zu stemmen, ist aber noch lange nicht geklärt. Auch hier zahlt im Zweifel der Staat. (dpa/ad)