Fehlstart
Lidl USA erreicht eigene Ziele nicht
Mit Milliardenaufwand und Starthilfe von Supermodel Heidi Klum hat der deutsche Discount-Riese LidlLidl vor einem Jahr seine ersten Läden in den USA eröffnet. Doch zum Jahrestag am 15. Juni ist unübersehbar: Bei der Mission "Expansion USA" ist für den erfolgsverwöhnten Billiganbieter einiges schiefgegangen. Top-500-Firmenprofil für Lidl
Eigentlich sollten bis heute schon rund 100 Lidl-Filialen in Nordamerika frischen Wind in den Lebensmittelhandel bringen. Doch bisher sind gerade einmal 53 wirklich eröffnet worden. "Lidl wollte in den USA den Erfolg erzwingen und in 10 oder 15 Jahren schaffen, wofür Aldi 40 Jahre gebraucht hat. Doch dabei sind ihnen offenbar einige Fehler unterlaufen", meint Matthias Queck von Retailytics, der Analystengruppe der "Lebensmittel Zeitung".
Fehler gab es offenbar sowohl bei der Auswahl Standorte für die Lidl-Läden, als auch beim Sortiment. Auch die Gestaltung der ersten US-Märkte gilt inzwischen als allzu aufwendig
Lidl-Chef Klaus Gehrig hatte bereits neun Monate nach dem Start in den USA angedeutet, dass er mit der Entwicklung in den USA nicht zufrieden sei. In Nordamerika sei "das eine oder andere schiefgegangen", sagte er dem "Manager Magazin". Der amerikanische Lidl-Chef Brendan Proctor musste im Mai gehen und wurde durch Johannes Fieber ersetzt, der zuvor Lidl Schweden leitete.
Lidl ändert Vertriebskonzept
Das Expansionstempo wurde gedrosselt. In der Branche ist es nach Angaben der "Lebensmittel Zeitung" ein offenes Geheimnis, dass Lidl inzwischen mit Hochdruck dabei ist, sein ursprüngliches Vertriebskonzept massiv zu überarbeiten. Bei Lidl heißt es offiziell lediglich, das Unternehmen entwickele sich "im amerikanischen Markt permanent weiter". Im Laufe des Jahres sollten weitere Filialen in Staaten an der Ostküste eröffnet werden.
Für den HandelsexpertenHandelsexperten Queck sind Startschwierigkeiten allerdings kein Beinbruch: "Wenn man auf einen anderen Kontinent geht, kann man nicht erwarten, dass von Anfang an alles klappt." Mit dem Start in den USA habe Lidl erstmals seit Jahrzehnten wieder Neuland betreten. "Da muss man einfach vieles ausprobieren und Fehler sind dabei unvermeidlich", meint der Branchenkenner. Top-Firmen der Branche Handel
Lidl habe als privates, nicht börsennotiertes Unternehmen jedoch einen langen Atem. "Die können auch mal fünf oder zehn Jahre lang sagen: Wir kämpfen uns da durch", meint er. Auch Aldi sei in Nordamerika anfangs nur langsam gewachsen. "Es hat Jahrzehnte gedauert, bis sie in den USA richtig Fahrt aufgenommen haben." Heute verfügt Aldi in den USA über rund 1.750 Läden. Bis Ende 2022 soll die Zahl auf rund 2.500 steigen.
"Koste es, was es wolle"
Dass Lidl angesichts des schwierigen Auftakts in den USA das Handtuch wirft, hält der Experte für praktisch ausgeschlossen. "Lidl kommt um den größten Markt der Welt nicht herum. Die werden das durchziehen, koste es, was es wolle."
Ohnehin gilt der US-Markt als schwieriges Terrain. Branchenanalysten verwiesen bei Lidls Expansion von Anfang an auf den scharfen Wettbewerb - neben Marktführer Walmart und etlichen anderen Supermarktketten gibt es in Amerika auch noch jede Menge "Dollar-Stores", deren Niedrigpreise kaum zu überbieten sind.
Zudem sorgt der Boom des Online-Handels dafür, dass Kunden ins Internet abwandern und sich Lebensmittel per Mausklick nach Hause liefern lassen. Darüber hinaus dringt Amazon nach der Milliarden-Übernahme der Whole-Foods-Supermärkte auch noch mit Macht ins Hoheitsgebiet der klassischen stationären Ketten vor und heizt den Preiskampf hier weiter an.
Tatsächlich geben Umfragen unter amerikanischen Verbrauchern Lidl aber durchaus Anlass zur Hoffnung. "Wenngleich die schlechte Erreichbarkeit der bisher wenigen Filialen einige Verbraucher vom Einkauf bei Europas führendem Discounter abhält, trifft das Angebot von Lidl bei immer mehr Kunden auf Zustimmung", lautet das Fazit einer Studie der Beratungsfirma Oliver Wyman. Die Marktforscher befragten 3.600 US-Konsumenten - darunter 600 Lidl-Kunden - und kamen zu dem Schluss, dass das Vertrauen in die deutsche Kette vor allem bei jüngeren Verbrauchern im Alter von 18 bis 34 Jahren wächst. (dpa/rs)