Cloud Computing


Chipmangel

Lieferprobleme befeuern den Cloud-Einsatz



Maria Korolov berichtet seit über zwanzig Jahren über aufstrebende Märkte und Technologien. Sie schreibt für die US-amerikanische IDG-Publikation CSO.
Der Mangel an Halbleitern veranlasst Unternehmen dazu, mehr Anwendungen in die Cloud zu verlagern und Bedarfsprognosen zu verbessern.
Der Chipmangel führt in vielen Unternehmen zu Engpässen in der Hardware-Ausstattung. Der Weg in die Cloud wird immer öfter zu einer Alternative.
Der Chipmangel führt in vielen Unternehmen zu Engpässen in der Hardware-Ausstattung. Der Weg in die Cloud wird immer öfter zu einer Alternative.
Foto: mundissima - shutterstock.com

Der Messaging-Dienstleister Interop Technologies betreibt drei Rechenzentren, um seinen Kunden Dienste anzubieten und seine eigenen Back-Office-Systeme zu betreiben. Interop offeriert auch schlüsselfertige Hardware-/Softwarelösungen, die an den Standorten der Kunden laufen. Der pandemiebedingte Mangel an Hardware, insbesondere an Servern und Speichersystemen, hat die Abläufe des Unternehmens stark beeinträchtigt.

"Wenn man sich an den Einkauf wendet, bekommt man jede Menge Absagen", berichtet Joshua Collazo, Leiter der Infrastrukturabteilung. "Das ist zurückgestellt, jenes kommt später." Vor der Pandemie war das Unternehmen in der Lage, sich bietende Gelegenheiten schnell zu nutzen. "Das ist jetzt nicht mehr der Fall", sagte er. "Ad-hoc-Aktionen funktionieren nicht mehr."

Interop ist es gewohnt, sich auf saisonale Unterbrechungen in der Lieferkette einzustellen, insbesondere zum Jahresende. Doch jetzt häufen sich die Engpässe. Je größer die Bestellung, desto größer die Probleme. Die Bereitstellung eines kleineren Systems für Unternehmen, das nur eine Handvoll Boxen benötigt, mag etwa einen Monat dauern, aber "wenn man 20, 30 oder 50 Boxen braucht, geht es eher um sechs Monate", berichtet Collazo. "Wenn man bedenkt, dass manche Projekte ohnehin neun bis 18 Monate dauern, sind sechs weitere Monate Verzögerung schwer zu verkraften."

Workloads wandern in die Cloud

Interop erwog, seine Kerndienste von den eigenen Rechenzentren in die CloudCloud zu verlagern, doch das war kaum zu realisieren. Cloud-Anbieter sind in der Regel nicht auf Messaging-Dienste spezialisiert, und der Betrieb der Interop-Infrastruktur im eigenen Haus erlaubte mehr Flexibilität hinsichtlich der angebotenen Services, so Collazo. "Wenn Sie den gesamten Stack kontrollieren, haben Sie mehr Möglichkeiten als zum Beispiel mit Amazons Load Balancing. Die Cloud-Provider haben eigene Methoden, auf die sich die Kunden einstellen müssen." Alles zu Cloud Computing auf CIO.de

Um Systeme in die öffentliche Cloud zu bringen, hätte Interop erhebliche Umstrukturierungen vornehmen müssen, berichtet der Manager. Deshalb fiel die Entscheidung zugunsten einer Privat-Cloud-Variante. "Wir arbeiten daran, so agil und flexibel wie möglich zu sein, und nutzen Schlüsseltechnologien wie Kubernetes", so Collazo. Das Unternehmen hat außerdem eine Cloud-Fabric-Lösung von Pluribus Networks implementiert, um seine verschiedenen Rechenzentren als eine einzige Plattform erscheinen zu lassen, die auch die Legacy-Systeme nutzen können. Auf diese Weise entfiel der Aufwand, Anwendungen umzuschreiben, die für die Ausführung in einem einzigen RechenzentrumRechenzentrum konzipiert wurden. Alles zu Rechenzentrum auf CIO.de

Den größten Effekt, RZ-Kapazitäten für umsatzrelevante Aufgaben freizuschaufeln, brachte indes die Verlagerung von Back-Office-Systemen in die Cloud. Einige Systeme brauchten ohnehin ein Upgrade, so Collazo. Durch die Migration dieser Systeme in die Cloud schlug er zwei Fliegen mit einer Klappe. Sie ermöglichte es Interop, Anwendungen zu modernisieren und Kapazitäten on-demand zu nutzen, beispielsweise für Home-Office-Szenarien.

Nachfrage von Hyperscalern verschärft Lieferprobleme

Interop ist nicht das einzige Unternehmen, das als Reaktion auf pandemiebedingte Hardwareengpässe Workloads in die Cloud verlagert. Laut einer aktuellen Studie von Insight und IDG berichten 91 Prozent der IT-Entscheider, dass sie von einer Unterbrechung der IT-Lieferkette betroffen sind. Als Reaktion darauf geben 44 Prozent an, dass sie planen, mehr Workloads in die Cloud zu verlagern. Darüber hinaus sagen 43 Prozent, dass sie Last-Minute- und Ad-hoc-Käufe vermeiden. 42 Prozent sind dabei, ihre Bedarfsprognosen zu verbessern.

Megan Amdahl, Senior Vice President of Partner Alliances and Operations bei Insight, prognostiziert, dass die Probleme in der Lieferkette bis weit ins Jahr 2022 anhalten werden. Und das gelte nicht nur für Chips. "Ich habe von Lieferanten gehört, die nicht in der Lage sind, die Nachfrage nach einfachem Stahl zu befriedigen", sagt Isaac Gould, Technologieexperte bei Nucleus Research in Miami. "So gut wie alle Komponenten für die Herstellung von Elektronik sind mittlerweile knapp geworden. Und die Nachfrage steigt auch aufgrund der Pandemie weiter."

Die Cloud-Schwergewichte, sprich die Hyperscaler, haben die nötige Marktmacht, um sich den ersten Zugriff auf die knappen Ressourcen zu sichern. "Sie erhalten den Großteil des Angebots", sagt Gould. "Sie eröffnen laufend neue Rechenzentren. Sie prüfen den Bau unterirdischer Data Center und halten das Tempo hoch. Kleinere Anbieter leiden darunter, wenn Provider wie AmazonAmazon, GoogleGoogle, MicrosoftMicrosoft und OracleOracle einen Großteil der Komponenten wegkaufen." Alles zu Amazon auf CIO.de Alles zu Google auf CIO.de Alles zu Microsoft auf CIO.de Alles zu Oracle auf CIO.de

"Die Hyperscaler nutzen ihre Größenvorteile aus", bestätigt Tim Rehac, Ernst & Young Americas Cloud Infrastructure and Strategy Leader. "Ich habe noch von keinem der Cloud-Giganten gehört, dass es ihm an Hardware mangele." Auch deshalb habe sich der Trend, Anwendungen in die Cloud zu verlagern, erheblich beschleunigt. Fast alle neuen IT-Projekte begönnen heute in der Cloud.

Legacy-Workloads auf dem Prüfstand

Nicht nur neue Workloads wandern in die Cloud. Immer mehr Unternehmen prüfen auch, ob und wie sie Altsysteme loswerden können. "Nehmen wir an, ein Unternehmen betreibt On-Premise-Anwendungen, die aktualisiert oder skaliert werden müssen", sagt Rehac. "Wenn es keine Probleme mit der Lieferkette gäbe, hätten sie mehr Hardware bestellt. Jetzt aber überlegen sie, ob sie in die Cloud wechseln können."

Aufgrund von Latenzanforderungen und Sicherheitsbedenken müssen bestimmte Anwendungen zwar weiterhin on-premise bleiben. Es kann auch sein, dass Altsysteme einfach gut funktionieren und keine Notwendigkeit besteht, sie zu verlagern - auch wenn die Hardware altert. "Wir haben Kunden, die ihre Systeme wirklich ausreizen und manchmal auf eBay gehen, um Netzwerkkarten oder andere Teile für ältere ServerServer zu kaufen", so Rehac. Alles zu Server auf CIO.de

Andere Unternehmen begegnen Problemen in der Lieferkette, indem sie geplante Hardware-Upgrades aufschieben, berichtet Michael Vovk, Managing Director bei Deloitte Consulting. Stattdessen gäben sie mehr Geld für Anbieter aus, die Wartung für Technologien anbieten, die nicht mehr unterstützt werden. "Wir beobachten, dass einige Unternehmen ihre technischen Schulden weiter vergrößern. Das kann eines Tages zu Problemen führen", so Vovk.

Kunden, die an der Kapazitätsgrenze angelangt sind, spüren den Druck in der Lieferkette besonders stark, beobachtet Rehac. "Einige Unternehmen suchen gezielt nach Workloads, die sie aus dem Rechenzentrum nehmen können, um Kapazitäten für neue Anwendungen freizuschaufeln." Ein Ende dieser Entwicklung sei derzeit nicht absehbar.

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