Strategien


Was eine IT-Strategie leisten soll

Mysterium IT-Strategie

27.09.2018
Von    und Roger Fischlin
Stefan Pechardscheck schreibt als Experte zum Thema IT Strategy & Governance. Er ist Partner bei der Management- und Technologieberatung BearingPoint und verantwortet dort das Thema Technology Advisory.

Ansätze für eine IT-Strategie

Der marktorientierte Ansatz hilft beim Verständnis für das Umfeld - das Baukastenprinzip ist für die IT-Strategie jedoch nur bedingt relevant, denn die IT bestimmt selten das Marktsegment. Die Wertedisziplinen sind aber sinngemäß übertragbar:

  • Operative Exzellenz (Kosteneffizienz)

  • Innovation

  • Agilität

Davon sollte eine Disziplin als Grundmuster gewählt werden, etwa operative Exzellenz für Standard-IT. Der ressourcenorientierte Ansatz beschreibt die Kernkompetenzen im IT-Umgang, die einen Wettbewerbsvorteil generieren. Zur Identifizierung bietet sich die Gliederung der Service-Assets nach ITIL beziehungsweise die COBIT 5-Enabler an gegebenenfalls ergänzt um die Prozessmodelle. Aspekte wie Finanzierung und Sourcing werden meist grundsätzlich geregelt. Dank Best-Practice nutzen viele Unternehmen gleiche IT-Praktiken, bei der Struktur gibt es dagegen konkurrierende Muster:

  • Einheitliche Struktur (Standardisierung/Zentralisierung)

  • Verbundene Strukturen (Föderation)

  • Unabhängige Strukturen (Autonomie)

Eine generische Strategie für Kosteneffizienz sind standardisierte IT-Services, einheitliche IT-Infrastruktur und zentrale Leistungserbringung. Individualität und Agilität spiegeln sich in dezentralen Strukturen und dem Nebeneinander von IT-Services wider.

Service-Assets (ITIL) und Enabler (COBIT 5)
Service-Assets (ITIL) und Enabler (COBIT 5)
Foto: BearingPoint

Entwicklung einer IT-Strategie

Identifikation des Kontexts - Was ist der Lösungsraum?

Als Vorbereitung ermittelt man das Umfeld, das den Lösungsraum für die IT-Nutzung einschränkt. Dieses wird bestimmt durch den Einfluss der Stakeholder auf die Wertschöpfung des Unternehmens, also dessen Nutzenrealisierung, Ressourceneinsatz und Umgang mit Risiken. Erfolgsziele werden in der Geschäftsstrategie konkretisiert. Einige Aspekte beziehen sich auf die allgemeine IT-Nutzung (etwa IT als Innovator oder Dienstleister), andere auf einzelne Punkte.

Aufnahme der Ist-Situation - Was sind die Merkmale der IT-Nutzung?

Im nächsten Schritt wird die gegenwärtige IT-Nutzung aufgezeichnet, das heißt alle Merkmale erfasst, die diese von Wettbewerbern differenzieren. Es fällt vielen leichter, erst IT-Supply zu beschreiben etwa anhand der Service-Assets oder Enabler (und deren Dimensionen). Hier hilft das Konzept der Kernkompetenzen mit der Identifizierung der Kernanwendungen und anschließender Bestimmung genutzter Kernkompetenzen. Für die Merkmale der Fachseite (IT-Demand) kann man von den Geschäftsprozessen oder den übergreifend genutzten Informationen (analog zu Kernprodukten) ausgehen. Hier bedeutet "aktuell" nicht die gegenwärtige Situation, sondern die in der Geschäftsstrategie dargestellte, denn IT-Supply und IT-Demand sollen aufeinander ausgerichtet sein. Kritischer Erfolgsfaktor der Ist-Aufnahme ist der adäquate Detaillierungsgrad.

Analyse der Ist-Situation - Was sind Stärken und Schwächen?

Anschließend werden die Kompetenzen (Fähigkeiten und Ressourcen) bewertet und zwar auf einer Skala nach Stärken und Schwächen relativ zum Mitbewerber vor dem Hintergrund des formulierten Kontexts (insbesondere der Grundausrichtung der IT-Nutzung). Zur Analyse gehört auch die Einschätzung, inwieweit und mit welchem Aufwand man Stärken ausbauen und Schwächen beheben will beziehungsweise kann. Diskrepanzen und Engpässe sind zu identifizieren und zu klären:

  • Gibt es konträre Kompetenzen?

  • Gibt es Kompetenzen bei IT-Demand, die nicht angemessen angeboten werden?

  • Gibt es Kompetenzen bei IT-Supply, die nicht angemessen nachgefragt werden?

Analyse der Ist-Situation - Was sind Chancen und Risiken?

Es schließt sich die Untersuchung externer Einflüsse auf die künftige IT-Nutzung an. Dies betrifft erwartete Entwicklungen, deren Auswirkungen man mit der IT-Strategie antizipieren möchte. Hilfsmittel sind der PESTLE-Ansatz, typische Techniken sind Brainstorming oder Prognosen externer Marktbeobachter. Einige Chancen und Risiken beziehen sich auf die allgemeine IT-Nutzung, andere auf einzelne Kompetenzen, beziehungsweise Service-Assets oder Enabler. Die Bewertung orientiert sich an den identifizierten Stärken und Schwächen sowie dem Kontext, vor allem der Grundausrichtung. Kritischer Erfolgsfaktor ist die Identifizierung und korrekte Einstufung relevanter Chancen und Risiken. Ein Patentrezept gibt es nicht, zumal Prognosen mit Unwägbarkeiten verbunden sind.

Strategische Gestaltung - Wie nutzt man die IT, um erfolgreich zu sein?

Es werden Optionen für die IT-Strategie ermittelt, der Lösungsraum ist gegeben durch Kontext, Ist-Situation und mögliche Entwicklungen. Das Unternehmen beurteilt mögliche IT-Strategien und bestimmt diejenigen, die es umsetzen möchte. Die Bewertung berücksichtigt auch die Umsetzung, etwa anhand von Kosten und Risiken, sowie den Vorteil der angestrebten Position. An dieser Stelle ist Kreativität gefordert - Strategie hat auch Elemente eines geschickten Spielzugs. Es bedarf auch Disziplin und einer klaren Entscheidung, mit welchen Merkmalen man sich differenzieren will, ohne sich in Umsetzungsdetails zu verlieren. Je länger das Dokument, desto eher verfehlt es sein Ziel. Gartner geht von 10 bis 15 Seiten aus; der Kern der IT-Strategie kann auf eine Seite passen.

Strategiedokument - Wie dokumentiert man die IT-Strategie?

Die gewählte Strategie wird mit folgender Gliederung festgehalten (angelehnt an Gartner):

  1. Management-Summary

  2. Kontext der IT-Strategie

  3. Übersicht IT-Strategie

  4. IT-Demand

  5. IT-Demand-Management/IT-Steuerung

  6. IT-Supply

Die ersten beiden Abschnitte geben Vorgaben und Annahmen für die IT-Strategie, sowie den Kern der Motivation für diese IT-Strategie wieder. "IT-Demand" erfasst den geschäftlichen Kontext, die Erfolgsfaktoren und wie die strategische Nutzung der IT diese unterstützt. In "IT-Demand-Management" zählt man markante Merkmale der IT-Steuerung auf, unter anderem als Grundsätze für den Umgang mit der IT (Gartner spricht von fünf bis zehn Prinzipien). Diese betreffen Themen wie die Informationssystemarchitektur (Daten und Anwendungen) und deren Bereitstellung (Portfolio-Management, Finanzierung, Sourcing und Performance-Management). Der Abschnitt "IT-Supply" beschreibt, wie das Unternehmen die IT-Unterstützung strategisch bereitstellt, insbesondere was seine technische Architektur von der der Mitbewerber unterscheidet. Für die Strategie-Umsetzung sollte separat ein Plan mit Handlungsfeldern erstellt werden.

Ausblick

Porter hat in der Strategie das Ziel gesehen, dem Unternehmen einen stabilen Zustand durch einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil zu verleihen. Dem wird heute aber auch widersprochen. Wichtiger sei vielmehr die Fähigkeit, vorübergehende Vorteile für sich zu nutzen (Agilität). Durch disruptive Technologien kann eine einmal gewählte Strategie hinfällig werden.

Daneben sinkt die strategische Bedeutung von IT-Supply: Jeder nutzt heute Best-Practices, jedem stehen die gleichen Leistungen kostengünstig zur Verfügung (Cloud Computing). Braucht man dann noch eine separate IT-Strategie? Bei der Frage, wie man die IT strategisch für seine Geschäftsziele einsetzt, kommt der Aspekt "Resilience" hinzu: Wie ist sichergestellt, dass der eingeschlagene Weg nicht bald hinfällig wird? Ein Ansatz mag sein, sich auf das zu besinnen, was eine Strategie ist: Eine außergewöhnliche Idee auf einer abstrakten Ebene.

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