Web-Pionier Berners-Lee fordert
Netzzugang für alle Menschen
Das Internet und seine Nutzer leiden weltweit noch immer an schlechten Zugangsbedingungen und unter Zensur und Massenüberwachung. 4,4 Milliarden Menschen weltweit hätten noch immer keinen Zugang zum Netz, davon 1,8 Milliarden wegen politischer Zensur, beklagte die von Web-Erfinder Tim Berners-Lee ins Leben gerufene World Wide Web Foundation. Die Stiftung stellte am Donnerstag in London den Webindex 2014-2015 vor. Berners-Lee zeigte sich dennoch vorsichtig optimistisch. "Die Zahl der Menschen, die online sind, ist immer noch die Minderheit - aber sie steigt."
Die skandinavischen Länder haben es dem Bericht zufolge am besten geschafft, in gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und politischer Hinsicht vom Internet zu profitieren. Im Ranking steht Dänemark an der Spitze vor Finnland und Norwegen. Vorjahres-Spitzenreiter Schweden wird hinter Großbritannien Fünfter. Deutschland kommt hinter Australien und vor Österreich auf Platz 14.
Zensur und Massenüberwachung im Internet ist dem neuen Webindex zufolge auf dem Vormarsch. "Webbenutzer setzen sich zunehmend dem Risiko wahlloser Überwachung durch die Regierung aus", heißt es in dem Index 2014-2015. Tim Berners-Lee, forderte, den Zugang zum Internet als Menschenrecht anzuerkennen. "Das bedeutet einen garantierten und preiswerten Zugriff für alle", betonte er.
In inzwischen 84 Prozent aller Länder weltweit seien die Gesetze zum Schutz vor Massenüberwachung im Internet schwach ausgeprägt. Im Jahr 2013 galt das noch für 63 Prozent aller Länder. Zensur gibt es in 38 Prozent der Länder, im Vorjahr waren es noch 32 Prozent. Der Bericht kritisierte, dass in vielen Ländern das Internet noch nicht als Teil der öffentlichen Infrastruktur wie andere Versorgungsnetze angesehen wird. Entsprechend dünn seien die gesetzlichen Regelungen.
Besonders große Fortschritte hätten in den vergangenen Jahren Länder wie Brasilien, Estland, Island oder Südkorea gemacht. Im Internet-"Mutterland" USA, auf Rang sechs im Webindex abgerutscht, gebe es hingegen die Gefahr von Rückschritten durch Ungleichbehandlungen und Wettbewerbsverzerrungen.
Bei den Ländern mit mittlerem Einkommen ist dem Index zufolge Ungarn vorn, vor Argentinien und Costa Rica. Bei den armen Ländern führt Kenia den Index an vor Bangladesch und Uganda. Der Webindex stellt weiterhin ein starkes Ungleichgewicht bei der Nutzung des Netzes und damit beim Zugang zu Information zwischen Ländern mit niedrigem Einkommen und denen mit hohem Einkommen fest.
In hoch entwickelten Weltgegenden habe sich die Nutzung seit dem Jahr 2005 von 45 auf 78 der Bevölkerung hochgeschraubt. In den armen Ländern stagniere sie unter zehn Prozent. Nach wie vor sei das Internet auch ein Ort, an dem nicht ausreichend gegen die Gewalt gegen Frauen vorgegangen werde. (dpa/tc)