Trennung unerwünscht

Niedersachsens besondere Beziehung zu Volkswagen

01.10.2017
VW und Niedersachsen, das ist eine ganz besondere Beziehung. Schwer vorstellbar, dass Politiker in anderen Unternehmen so viel mitreden dürfen. Doch es ist wie in der Ehe: Krisen gibt es überall. Eines aber wollen die Politiker auf keinen Fall.
Volkswagen-Werk im niedersächsischen Wolfsburg
Volkswagen-Werk im niedersächsischen Wolfsburg
Foto: Yasnee - shutterstock.com

Es war 2002, als der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder nach der Landung in New York eine nagelneue Luxuslimousine von VWVW bestieg und sich nach Manhattan chauffieren ließ. Der damalige Volkswagen-Patriarch Ferdinand Piëch und sein Nachfolger an der Konzernspitze, Bernd Pischetsrieder, hatten den SPD-Mann zu einem Werbeauftritt für das Modell Phaeton überredet. Szenen wie diese festigten das Bild vom "Autokanzler" Schröder - und waren ein Symbol für die engen Verflechtungen zwischen der Politik und dem Wolfsburger Autoriesen. Oder genauer: zwischen dem Autobauer und dem Land Niedersachsen. Top-500-Firmenprofil für VW

Davon kann Stephan Weil ein Lied singen. Niedersachsens Regierungschef muss - bildlich gesprochen - mit immer mehr Bällen jonglieren: Er ist Ministerpräsident, Mitglied im VW-Aufsichtsrat und Krisenmanager. Warum ist das so? Das Land Niedersachsen gehört zu den größten VW-Anteilseignern und hält 20 Prozent der Stimmrechte. Die Landesregierung kann daher bei dem Autobauer mitreden und auch zwei Vertreter in den Aufsichtsrat entsenden.

Viele offene Baustellen bei Volkswagen

Das sind derzeit Weil und Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (beide SPD). Doch allein die Tatsache, dass das Land an einem Großkonzern wie dem Wolfsburger Autoriesen beteiligt ist, sorgt immer wieder für Kritik. So stimmte Weil etwa dem "Zukunftspakt" zu, der die Kernmarke VW für die Zukunft fitmachen soll - und Tausende Stellen kostet. Obendrein steckt VW mitten in der Aufarbeitung der größte Krise in der Konzerngeschichte: "Dieselgate", der Skandal rund um millionenfachen Betrug bei der Abgasreinigung von Dieselmotoren.

Für Volkswagen bedeutet die Bewältigung des Skandals einen Kraftakt, zumal gleichzeitig die Weichen für die Mobilität der Zukunft gestellt werden müssen - E-Mobilität und autonom fahrende Autos, deren Entwicklung Milliardensummen erfordern. Geld, das VW nach den milliardenschweren Einigungen im Abgas-Skandal in den USA im schlimmsten Fall fehlt. Der Druck auf die Branche steigt.

Es geht um Jobs

Für Niedersachsen ist die Zukunft von VW entscheidend. Denn ohne Volkswagen geht nicht viel zwischen Harz und Küste. Die wirtschaftlich Bedeutung von VW für Niedersachsen kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Es geht um Jobs, von den insgesamt weit über 600000 Beschäftigten des Konzerns arbeiten gut 120000 in dem Bundesland. Ziel der Politik, ob Landesregierungen nun SPD- oder CDU-geführt sind: die Arbeitsplätze möglichst im Land halten. Verbündete des Landes bei VW sind Betriebsrat und IG Metall. Entsprechend umstritten war denn auch der "Zukunftspakt".

Volkswagen-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch allerdings verteidigte die Zusammenarbeit mit den Landesvertretern im Kontrollgremium: "Das war immer konstruktiv, es war immer zu spüren, dass es ums Unternehmenswohl ging." Auch den "Zukunftspakt" habe das Land "aus guten Gründen mitgetragen". Und das, obwohl es große Unruhe auch in der Belegschaft gegeben habe.

Das will die Opposition im Land allerdings so nicht stehen lassen: CDU-Landeschef und Spitzenkandidat Bernd Althusmann setzt im Falle eines Wahlsieges auf externe Expertise. Ein Experte, etwa ein Wirtschaftsprüfer, soll demnach einen der Sitze im Aufsichtsrat besetzen. Die FDP will keine Mitglieder der Landesregierung mehr im Aufsichtsrat. Ministerpräsident Weil wiederum betonte, die Mitgliedschaft von Vertretern der Landesregierung in dem Gremium habe sich "jahrzehntelang bewährt", weil spezifisch niedersächsische Interessen wirkungsvoll vertreten würden. Pötsch sagte salomonisch, über die Besetzung der Sitze im Aufsichtsrat müsse das Land entscheiden. Klar dürfte aber sein, dass auch ein Experte dem Land letztlich Entscheidungen nicht abnehmen kann.

Linke will Landesanteil an VW der Belegschaft übertragen

Hintergrund ist die Aufregung um die von VW vorab bearbeitete Regierungserklärung Weils vom Oktober 2015, die in Teilen zugunsten des Konzerns verändert wurde - so lautete die Kritik. Die Landesregierung argumentierte, die Abstimmung mit VW sei notwendig gewesen, andernfalls hätte Weil in rechtlich schwieriges Fahrwasser geraten können. Althusmann kritisierte, dass Weil unter Hinweis auf das Aktienrecht nicht alle Fragen der Öffentlichkeit und des Landtags zu VW beantworte.

Keine Partei in Niedersachsen aber stellt die Landesbeteiligung in Frage. Weil sprach von einem "breiten Konsens", an der Landesbeteiligung festzuhalten, die Linke will via Aufsichtsrat die Konzernstrategie stärker beeinflussen. Die Grünen-Fraktionschefin Anja Piel erklärte, die AutobauerAutobauer seien für den Diesel-Skandal verantwortlich, nicht das VW-Gesetz. Nur von außerhalb des Landes tönt es anders: Kürzlich sprach sich Dietmar Bartsch, Linken-Fraktionschef im Bundestag, dafür aus, den Landesanteil an VW der Belegschaft zu übertragen. Und auch Michael Fuchs, CDU-Fraktionsvize im Bundestag, meinte, das Land solle seine Beteiligung an Volkswagen aufgeben. Althusmann verbat sich die Einmischung. (dpa/rs) Top-Firmen der Branche Automobil

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