Self-Service-Supermärkte
Nvidia bringt KI-Software für Einzelhandel
Die Branchensoftware von Nvidia setzt auf der KI-Technologieplattform Omniverse auf. Ein Produkt soll kassenlose Ladensysteme unterstützen: Es dient dazu Kunden und Objekte in einem Supermarkt über mehrere Kamera-Ansichten hinweg zu tracken. Ein zweites soll den BezahlprozessBezahlprozess an Selbstbedienungskassen sicherer gestalten und Betrug verhindern. Analytics-Dashboards anhand von Bildern der Überwachungskameras zu erstellen, erlaubt ein drittes Werkzeug. Alles zu Retail IT auf CIO.de
Nvidia glaubt an eine große Zukunft für kassenlose, durchautomatisierte Supermärkte, wie sie beispielsweise Aldi Nord in einem Projekt in Utrecht vorantreibt. Der GPU-Spezialist bietet seine KI-Workflows nicht als installationsfertige Lösungen aus dem Regal an. Kunden aus dem Einzelhandel bekommen sie vielmehr als Module, die sich in selbstentwickelte oder von Systemintegratoren und Softwarehäusern bereitgestellten Automatisierungslösungen einbauen lassen.
"Es gibt weltweit schon eine Reihe von Unternehmen und Anbietern, die solche Gesamtlösungen für den Einzelhandel erfolgreich entwickelt haben", sagt Azita Martin, Vice President für den Einzelhandel bei Nvidia. Jetzt gehe es darum, Softwaremodule bereitzustellen, um die Entwicklungsvorhaben der Handelshäuser, Softwareunternehmen und Systemintegratoren zu unterstützen.
Nvidia hofft auf Nachfrage nach Edge-Computing-Produkten
Nvidia verspricht sich von diesem Vermarktungsansatz, die Nachfrage nach seinen Edge-Computing-Produkten und nach Beschleunigerchips anzukurbeln. Kassenlose und Self-Checkout-Systeme sind ein typisches Einsatzbeispiel für Edge-Systeme, da die Algorithmen aufgrund von Latenzproblemen in der Nähe der Kasse laufen müssen und nicht in einem entfernten Data Center.
Zu Nvidias großen Wettbewerbern am Markt für kassenlose Märkte gehört Amazon. Der Konzern hat seine Just-walk-out-Technologie zwar zunächst für den Einsatz in seinen eigenen Amazon-Go- und Amazon-Fresh-Läden entwickelt, will sie aber auch an andere Einzelhändler verkaufen. Im Dezember 2022 wurde in Kansas City der erste Supermarkt eröffnet, der die Amazon-Technologie nutzt, ohne dem Online-Händler zu gehören.
Betrugsvorbeugung an den Kassen
Nvidias System für die Kameras kann verfolgen, wer welche Produkte aus dem Geschäft trägt. Es erkennt auch, wenn Artikel in das falsche Regal zurückgestellt wurden und kann das Personal erinnern, diese wieder umzustellen, damit andere Kunden sie finden können und Bestandsausfälle vermieden werden.
Beim zweiten Tool geht es darum, über mit Kameras ausgestattete Selbstbedienungsterminals die abgerechneten Produkte mit den eingescannten Barcodes zu vergleichen. So soll ein betrügerischer Austausch von Preisschildern verhindert werden. Nvidia hat viel Geld in das Training dieser KI gesteckt: "Um die Algorithmen zu trainieren, haben wir für Zehntausende Dollar Produkte wie Steaks, Bier oder Rasierapparate gekauft - Produkte also, die besonders häufig gestohlen werden", sagt Martin.
Damit Nvidias Lebensmittelrechnung nicht explodierte, nutzte das Unternehmen seine Simulationsplattform Omniverse: "Wir haben nicht jede Größe und Verpackung der Produkte gekauft", so die Managerin. "Wir erstellten synthetische Daten, um die Algorithmen weiter zu trainieren und eine höhere Genauigkeit zu erreichen." Bier stelle eine besondere Herausforderung für das Bilderkennungssystem dar, da es in den USA oft in unterschiedlich großen Sonderverpackungen verkauft wird, etwa zu Ereignissen wie dem Super Bowl. Doch das System lernt ständig neue Produktformate und Verpackungen anhand der an der Kasse aufgenommenen Bilder dazu.
Genauigkeit von 98 Prozent - reicht das?
Nvidia wirbt zwar mit der hohen Genauigkeit seiner Algorithmen, aber noch ist nicht sicher, wie sich die KI-Workflows in der Praxis bewähren. "Die Algorithmen bieten eine Genauigkeit von 98 Prozent bei der Erkennung von Diebstählen, und sie sind in der Lage, den Verkauf zu stoppen, sobald Betrug erkannt wird", sagt Martin. Es bleibt aber eben immer noch eine Fehlerrate von zwei Prozent. Den Marktbetreibern bleibt also nichts anderes übrig als die Auswirkungen auf Rentabilität, Kundenzufriedenheit und Ausfälle sorgfältig zu überwachen.
Eine Umfrage der National Retail Federation (NRF) aus dem Jahr 2022 zeigt, dass der Warenschwund im Einzelhandel seit einer Dekade relativ stabil bei 1,44 Prozent vom Umsatz liegt. Rund ein Viertel davon geht auf Prozess- oder Kontrollfehler zurück, 29 Prozent auf Diebstahl durch eigene Angestellte und 37 Prozent auf Diebstähle durch Kunden. Allein im Jahr 2021 kostete das den US-Einzelhandel rund 100 Milliarden Dollar.
"Warenschwund" im Einzelhandel soll sinken
Nvidia geht davon aus, den Warenschwund mit seiner Technologie um 30 Prozent senken zu können. Vor allem der Diebstahl durch Kunden soll sich einschränken lassen. Allerdings müssen die potenziellen Einsparungen gegen die Kosten für den Einsatz der Technologie abgewogen werden. Und die hängen laut Martin "von der Menge und Größe der auszustattenden Märkte sowie der Anzahl der benötigten Kameras ab".
Last, but not least bietet Nvidia KI-Workflows an, die Videobilder von Überwachungskameras zu verarbeiten. Ein Dashboard zeigt beispielsweise anhand von Heatmaps die besonders stark frequentierten Gänge und Stände im Laden an. In festgelegten Zeitabständen informiert es zudem über Kundenzahl und Verweildauer. "All das ist wichtig für den Verkauf, die Gestaltung des Ladens und die Platzierung von Produkten - letztendlich also für die Steigerung des Umsatzes", sagt Martin. (hv)