Von Öffnung keine Spur
Probleme deutscher Unternehmen in China nehmen zu
Die Stimmung im China-Geschäft war noch nie so schlecht. Die Zahl der Beschwerden und Hilfegesuche an die deutsche Botschaft in Peking hat seit zwei Jahren zugenommen und ist gerade seit Jahresanfang noch einmal "sehr stark in die Höhe geschnellt", wie aus der deutschen Vertretung in Peking zu hören ist. Beklagt werden neue Marktbarrieren, erschwerte Lizenzverfahren, Diskriminierung gegenüber chinesischen Unternehmen, erzwungener Technologietransfer und unverändert freche Produktpiraterie.
Als wenn die Stimmung noch nicht schlecht genug wäre, lässt Peking auch noch die Muskeln spielen und sorgt für Spannungen in den Beziehungen. Während Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) in Berlin seine Taschen für den Flug nach Peking packt, bestellt das Außenministerium nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur den Gesandten der Botschaft ins Außenministerium ein.
Der Protest richtete sich gegen die Nicht-Genehmigung chinesischer Investitionen auf amerikanischen Druck hin und negative Berichte in deutschen Zeitungen. In einem Gastbeitrag für "Die Welt" war Gabriel auf Konfrontationskurs gegangen und hatte einen besseren Schutz vor chinesischen Übernahmen und einem Ausverkauf deutscher Schlüsseltechnologien gefordert.
Er will sich gegen staatlich gesteuerte Technologieaneignung mit dem Ziel "geopolitischer Machterweiterung" zur Wehr setzen. Auch geht es ihm um Gegenseitigkeit. Denn Unternehmen aus China können in Deutschland und Europa nicht nur Hightech-Unternehmen, sondern auch Autobauer oder Banken kaufen, während deutschen Firmen solche Übernahmen in China untersagt sind.
Das beste Beispiel für Chinas "ökonomischen Nationalismus" ist die Entwicklung von Elektroautos. Neue Gesetzespläne fordern von Herstellern, eine Lizenz zu beantragen und nicht nur ihre Produktion in China zu lokalisieren, sondern auch die Entwicklung. Die chinesischen Partner, ohne die ausländische Autobauer ohnehin nicht in China tätig sein dürfen, müssen dafür nachweisen, dass sie die E-Auto-Technologie komplett beherrschen. Somit müsse die deutsche Autofirma ihnen ihre ganze Technologie übergeben, wird geschildert.
"Wenn das geplante Gesetz so kommt, liefe das auf einen erzwungenen, kompletten Technologietransfer hinaus", sagt ein Branchenkenner. Weiter gibt es Pläne, dass Autobauer nach einem Zeitplan einen bestimmten Anteil an E-Autos in China bauen müssen, und ansonsten Minuspunkte ansammeln. Zum Ausgleich müssten sie Pluspunkte von chinesischen Konkurrenten kaufen - und würden über solche Strafzahlungen ihre lokalen Wettbewerber mitfinanzieren.
Ein Brief mit einer Bitte um Aufklärung, den Botschafter Michael Clauß vor vier Monaten an den Minister für Industrie und Informationstechnologie, Miao Wei, geschickt hat, ist nach dpa-Informationen bis heute unbeantwortet geblieben. "Die ausbleibende Reaktion bestätigt unsere große Sorge, dass damit auch industriepolitische Ziele verfolgt werden", sagt eine Quelle.
Zwang zum Technologietransfer plagt viele Branchen. "Wir hören oft, dass Unternehmen, die in China produzieren wollen, aufgefordert werden, ihre Technologie aus Sicherheitsgründen offenzulegen", verlautet aus informierten Kreisen. "Das geschieht dann praktisch erzwungenermaßen freiwillig. Sonst wäre es auch ein Verstoß gegen die WTO-Regeln, die Zwangstransfers verbieten."
Neue Hürden schafft auch ein Punktesystem bei Ausschreibungen für Bahnprojekte, das heimische Hersteller bevorzugt. Selbst deutsche Unternehmen mit lokaler Produktion wie der weltweit führende Hersteller von Bremssystemen für Schienen- und Nutzfahrzeuge, Knorr-Bremse, der gleich nach der Öffnung durch den Reformarchitekten Deng Xiaoping nach China gegangen ist, sind damit aus dem Geschäft.
Auch Nahrungsmittel- und Agrarimporte werden restriktiver gehandhabt. Geplante Quarantäne-Regeln könnten die Einfuhren aus Deutschland zum Stillstand bringen. Jedes Bonbon oder jedes Biskuit müsste danach in Zukunft zertifiziert werden, um eigene Hersteller zu schützen.
Dreister wird auch die Produktpiraterie. Prominentes Opfer ist der deutsche Modehersteller Hugo Boss. Er unterlag vor Gericht gegen einen chinesischen Konkurrenten, der die gleichen Anzüge unter der Marke "Boss" mit einem kleinen Schriftzug "sunwen" verkauft. In Hongkong war ihm das gerichtlich untersagt worden, doch China erlaubt es. Nun hat er Hugo Boss angeboten, ihm doch die Rechte abzukaufen. (dpa/rs)